Berlin (ots) -
So geschlossen hat sich die tief gespaltene Berliner SPD lange nicht präsentiert: Auf dem ersten Parteitag nach der Schlappe bei der Wiederholungswahl am 12. Februar beschlossen die Genossen am späten Freitagabend mit nur einer Gegenstimme einen Antrag mit dem Titel "Luft zum Atmen: Für eine starke Berliner Sozialdemokratie als Motor des gesellschaftlichen Fortschritts." Unter der harmlos klingenden Überschrift des von den Jusos eingebrachten Antrags verbergen sich unter anderem neue Regeln für die Wahl der Parteispitze, die das Potenzial haben, die Ära des Vorsitzenden-Duos Franziska Giffey und Raed Saleh zu beenden. Dennoch können die beiden Parteichefs aufatmen - zumindest vorerst.
Laut dem Antrag sollen im siebenköpfigen geschäftsführenden Landesvorstand Politiker, die Senator, Staatssekretär oder Fraktionschef sind, künftig nicht mehr in der Mehrheit sein. Und, für Saleh und Giffey noch entscheidender: Die Doppelspitze "sollte" dem Beschluss zufolge "nicht vollständig" aus Personen bestehen, die zugleich maßgeblich die Landesregierung tragen. Da Parteichefin Franziska Giffey Wirtschaftssenatorin ist und ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, wird demnach voraussichtlich einer der beiden bei der nächsten Vorstandswahl im Frühjahr 2024 aus dem Landesvorstand ausscheiden.
Dennoch: Es hätte deutlich schlimmer kommen können. Das Spitzenduo kann zunächst weitermachen, es hat nun ein Jahr Zeit gewonnen, um weiter im Spiel zu bleiben und die eigene Position womöglich doch zu retten. Nach dem Wahldebakel, bei dem die SPD mit 18,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Berliner Abgeordnetenhauswahl eingefahren hatte und deutlich hinter der CDU (28,2 Prozent) und nur 53 Stimmen vor den Grünen landete, wäre auch ein sofortiger Abwahlantrag möglich gewesen.
Doch nun eröffnet der nach stundenlanger Debatte beschlossene Änderungsantrag dem angezählten Führungsduo gleich mehrere Chancen. Der Antrag, den die Jusos ursprünglich eingebracht hatten, sah noch vor, dass alle Mitglieder des geschäftsführenden Landesvorstands, die der Landesregierung angehören und die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus anführen, nicht mehr gewählt werden dürfen. Doch dazu kam es nicht, nach dem inhaltlich abgeschwächten Antrag darf einer von beiden im Amt bleiben - zudem bedeutet "sollte" nicht gleich "müssen".
Ein geschickter Schachzug von Giffey und Saleh war es dann auch, sich nach der mehrstündigen Debatte, in der sich die meisten Delegierten für den Antrag ausgesprochen hatten, selbst noch zu Wort melden und die Delegierten dazu aufzurufen, dem Änderungsantrag ihre Unterstützung zu geben und ein "Zeichen der Geschlossenheit" (Saleh) zu senden. Damit haben sie Demut vor den Delegierten bewiesen, sich selbst in Frage gestellt - und dem Aufstand der Jusos und vieler Kreisverbände, die ihnen den Bruch mit der rot-grün-roten Koalition und die "Groko" mit der CDU nach wie vor übelnehmen, die Luft aus den Segeln genommen.
Sollte es tatsächlich so kommen, dass einer der beiden im kommenden Jahr nicht mehr im Landesvorstand vertreten ist, wird es wohl vor allem für Franziska Giffey eng. Sie kann, anders als Raed Saleh, nicht auf den Rückhalt eines Kreisverbandes bauen. Für den in der Partei bestens vernetzten Raed Saleh stehen die Chancen auch nach der deutlichen Ansage auf dem Parteitag gar nicht schlecht, weiter der wichtigste Strippenzieher in der Berliner SPD zu bleiben.
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So geschlossen hat sich die tief gespaltene Berliner SPD lange nicht präsentiert: Auf dem ersten Parteitag nach der Schlappe bei der Wiederholungswahl am 12. Februar beschlossen die Genossen am späten Freitagabend mit nur einer Gegenstimme einen Antrag mit dem Titel "Luft zum Atmen: Für eine starke Berliner Sozialdemokratie als Motor des gesellschaftlichen Fortschritts." Unter der harmlos klingenden Überschrift des von den Jusos eingebrachten Antrags verbergen sich unter anderem neue Regeln für die Wahl der Parteispitze, die das Potenzial haben, die Ära des Vorsitzenden-Duos Franziska Giffey und Raed Saleh zu beenden. Dennoch können die beiden Parteichefs aufatmen - zumindest vorerst.
Laut dem Antrag sollen im siebenköpfigen geschäftsführenden Landesvorstand Politiker, die Senator, Staatssekretär oder Fraktionschef sind, künftig nicht mehr in der Mehrheit sein. Und, für Saleh und Giffey noch entscheidender: Die Doppelspitze "sollte" dem Beschluss zufolge "nicht vollständig" aus Personen bestehen, die zugleich maßgeblich die Landesregierung tragen. Da Parteichefin Franziska Giffey Wirtschaftssenatorin ist und ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, wird demnach voraussichtlich einer der beiden bei der nächsten Vorstandswahl im Frühjahr 2024 aus dem Landesvorstand ausscheiden.
Dennoch: Es hätte deutlich schlimmer kommen können. Das Spitzenduo kann zunächst weitermachen, es hat nun ein Jahr Zeit gewonnen, um weiter im Spiel zu bleiben und die eigene Position womöglich doch zu retten. Nach dem Wahldebakel, bei dem die SPD mit 18,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Berliner Abgeordnetenhauswahl eingefahren hatte und deutlich hinter der CDU (28,2 Prozent) und nur 53 Stimmen vor den Grünen landete, wäre auch ein sofortiger Abwahlantrag möglich gewesen.
Doch nun eröffnet der nach stundenlanger Debatte beschlossene Änderungsantrag dem angezählten Führungsduo gleich mehrere Chancen. Der Antrag, den die Jusos ursprünglich eingebracht hatten, sah noch vor, dass alle Mitglieder des geschäftsführenden Landesvorstands, die der Landesregierung angehören und die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus anführen, nicht mehr gewählt werden dürfen. Doch dazu kam es nicht, nach dem inhaltlich abgeschwächten Antrag darf einer von beiden im Amt bleiben - zudem bedeutet "sollte" nicht gleich "müssen".
Ein geschickter Schachzug von Giffey und Saleh war es dann auch, sich nach der mehrstündigen Debatte, in der sich die meisten Delegierten für den Antrag ausgesprochen hatten, selbst noch zu Wort melden und die Delegierten dazu aufzurufen, dem Änderungsantrag ihre Unterstützung zu geben und ein "Zeichen der Geschlossenheit" (Saleh) zu senden. Damit haben sie Demut vor den Delegierten bewiesen, sich selbst in Frage gestellt - und dem Aufstand der Jusos und vieler Kreisverbände, die ihnen den Bruch mit der rot-grün-roten Koalition und die "Groko" mit der CDU nach wie vor übelnehmen, die Luft aus den Segeln genommen.
Sollte es tatsächlich so kommen, dass einer der beiden im kommenden Jahr nicht mehr im Landesvorstand vertreten ist, wird es wohl vor allem für Franziska Giffey eng. Sie kann, anders als Raed Saleh, nicht auf den Rückhalt eines Kreisverbandes bauen. Für den in der Partei bestens vernetzten Raed Saleh stehen die Chancen auch nach der deutlichen Ansage auf dem Parteitag gar nicht schlecht, weiter der wichtigste Strippenzieher in der Berliner SPD zu bleiben.
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