Berlin (ots) -
Der Nato-Gipfel in Litauen begann mit einem Knalleffekt der besonderen Art: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verknüpfte sein Ja zur Mitgliedschaft Schwedens im Bündnis mit der Wiederaufnahme der Gespräche über den EU-Beitritt der Türkei. Es war blanke Erpressung und an Dreistigkeit kaum zu toppen.
Doch EU und Nato ließen sich nicht unter Druck setzen. Am späten Montagabend lenkte Erdogan ein und gab grünes Licht für den Schweden-Beitritt. Die Festigkeit der EU, Erdogan abblitzen zu lassen, zahlte sich am Ende aus. Der Staatenverbund, der eine durch demokratische Werte unterfütterte Gemeinschaft ist, durfte sich das nicht bieten lassen. Die Türkei war 1999 unter völlig anderen Bedingungen zum EU-Beitrittskandidaten ernannt worden. Nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 mit Massenverhaftungen und Menschrechtsverletzungen lag der Prozess zu Recht auf Eis.
Erdogan erwies sich mit seinem zynischen Überraschungscoup als Zocker vom Bosporus. Er hatte das Instrument der Erpressung mit machiavellistischer Gerissenheit entwickelt. Systematisch hatte er seinen Preis erhöht, um Zugeständnisse für Schwedens Weg in die Nato zu ergattern. Zuerst forderte Erdogan von Stockholm einen strammeren Kurs gegen Anhänger der verbotenen PKK und der Gülen-Bewegung. Als Schweden seine Anti-Terror-Gesetze verschärfte, hieß es aus Ankara: zu wenig. Seit geraumer Zeit verlangt die Türkei von den USA die Lieferung von modernen F-16-Kampfjets. Als Präsident Joe Biden sein Ja für den Fall einer positiven Schweden-Entscheidung signalisierte, blaffte Erdogan: Die Frage der Flugzeuge dürfe nicht mit dem Schweden-Thema vermengt werden. Um danach selbst den EU-Beitritt mit dem Komplex Schweden/Nato zu verknüpfen. Es war Gutsherren-Logik, die Bedingungen nach eigenem Gusto definiert.
Warum Erdogan auf den letzten Drücker den EU-Vorstoß machte, lag auf der Hand. Sein Land befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Türkei braucht dringend westliche Investoren, um die Konjunktur wieder auf Trab zu bringen. Die Mitgliedschaft in der EU wäre ein ökonomisches Gütesiegel. Erdogan ging von Anfang an taktisch vor. Im Ukraine-Krieg hatte er Schritt für Schritt an seinem Nimbus als großer internationaler Spieler gefeilt. Dieses Gewicht versuchte er einzusetzen, um durch Erpressung Gewinne zu erzielen.
Kein Staatschef verfügt über einen gleich engen Draht nach Kiew und Moskau wie Erdogan. Er liefert Drohnen und wohl bald auch Panzerhaubitzen an die Ukraine. Das Land habe die Nato-Mitgliedschaft verdient, sagte er jüngst. Er dachte, er könnte bei EU und Nato gut Wetter machen für seine Beitritts-Ambitionen Richtung Brüssel. Das Gleiche galt für Erdogans Vermittlerrolle beim Getreideabkommen sowie beim Gefangenenaustausch zwischen den Kriegsparteien.
Doch Erdogan ist kein diplomatischer Zauberkünstler. Er hat das Über-Bande-Spielen perfektioniert - als größter Schaukelpolitiker unserer Zeit. In Moskau diente er sich als De-facto-Bündnispartner an. Er hat den russischen Angriffskrieg nie verurteilt und trägt die westlichen Sanktionen nicht mit. Im Gegenteil: Viele Waren, die die Türkei importiert, werden nach Russland oder in russlandfreundliche Drittstaaten reexportiert.
Die Geschlossenheit des Westens, Erdogan nicht auf den Leim zu gehen, führte zum Erfolg. Fest steht aber bereits heute: Der Türke wird es wieder versuchen.
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Der Nato-Gipfel in Litauen begann mit einem Knalleffekt der besonderen Art: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verknüpfte sein Ja zur Mitgliedschaft Schwedens im Bündnis mit der Wiederaufnahme der Gespräche über den EU-Beitritt der Türkei. Es war blanke Erpressung und an Dreistigkeit kaum zu toppen.
Doch EU und Nato ließen sich nicht unter Druck setzen. Am späten Montagabend lenkte Erdogan ein und gab grünes Licht für den Schweden-Beitritt. Die Festigkeit der EU, Erdogan abblitzen zu lassen, zahlte sich am Ende aus. Der Staatenverbund, der eine durch demokratische Werte unterfütterte Gemeinschaft ist, durfte sich das nicht bieten lassen. Die Türkei war 1999 unter völlig anderen Bedingungen zum EU-Beitrittskandidaten ernannt worden. Nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 mit Massenverhaftungen und Menschrechtsverletzungen lag der Prozess zu Recht auf Eis.
Erdogan erwies sich mit seinem zynischen Überraschungscoup als Zocker vom Bosporus. Er hatte das Instrument der Erpressung mit machiavellistischer Gerissenheit entwickelt. Systematisch hatte er seinen Preis erhöht, um Zugeständnisse für Schwedens Weg in die Nato zu ergattern. Zuerst forderte Erdogan von Stockholm einen strammeren Kurs gegen Anhänger der verbotenen PKK und der Gülen-Bewegung. Als Schweden seine Anti-Terror-Gesetze verschärfte, hieß es aus Ankara: zu wenig. Seit geraumer Zeit verlangt die Türkei von den USA die Lieferung von modernen F-16-Kampfjets. Als Präsident Joe Biden sein Ja für den Fall einer positiven Schweden-Entscheidung signalisierte, blaffte Erdogan: Die Frage der Flugzeuge dürfe nicht mit dem Schweden-Thema vermengt werden. Um danach selbst den EU-Beitritt mit dem Komplex Schweden/Nato zu verknüpfen. Es war Gutsherren-Logik, die Bedingungen nach eigenem Gusto definiert.
Warum Erdogan auf den letzten Drücker den EU-Vorstoß machte, lag auf der Hand. Sein Land befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Türkei braucht dringend westliche Investoren, um die Konjunktur wieder auf Trab zu bringen. Die Mitgliedschaft in der EU wäre ein ökonomisches Gütesiegel. Erdogan ging von Anfang an taktisch vor. Im Ukraine-Krieg hatte er Schritt für Schritt an seinem Nimbus als großer internationaler Spieler gefeilt. Dieses Gewicht versuchte er einzusetzen, um durch Erpressung Gewinne zu erzielen.
Kein Staatschef verfügt über einen gleich engen Draht nach Kiew und Moskau wie Erdogan. Er liefert Drohnen und wohl bald auch Panzerhaubitzen an die Ukraine. Das Land habe die Nato-Mitgliedschaft verdient, sagte er jüngst. Er dachte, er könnte bei EU und Nato gut Wetter machen für seine Beitritts-Ambitionen Richtung Brüssel. Das Gleiche galt für Erdogans Vermittlerrolle beim Getreideabkommen sowie beim Gefangenenaustausch zwischen den Kriegsparteien.
Doch Erdogan ist kein diplomatischer Zauberkünstler. Er hat das Über-Bande-Spielen perfektioniert - als größter Schaukelpolitiker unserer Zeit. In Moskau diente er sich als De-facto-Bündnispartner an. Er hat den russischen Angriffskrieg nie verurteilt und trägt die westlichen Sanktionen nicht mit. Im Gegenteil: Viele Waren, die die Türkei importiert, werden nach Russland oder in russlandfreundliche Drittstaaten reexportiert.
Die Geschlossenheit des Westens, Erdogan nicht auf den Leim zu gehen, führte zum Erfolg. Fest steht aber bereits heute: Der Türke wird es wieder versuchen.
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