Berlin (ots) -
Es ist nur eine kleine Geste, aber mit großer Wirkung. Berlins neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) stehen vor dem Eingang des Columbiabads in Neukölln. Dort hatte es Schlägereien von Badbesuchern und einen Brandbrief der Beschäftigten gegeben. Nun machen sich Wegner und Spranger ein Bild von der Lage und wollen erste Maßnahmen verkünden. Vor dem Termin spricht Wegner kurz seine Innensenatorin an. "Willst Du oder soll ich als erster vor die Mikrofone der Journalisten treten?" Spranger redet dann als erste.
So ein Verhalten ist in der Politik ungewöhnlich. Normalerweise spricht immer der Ranghöhere zuerst. Aber Wegner muss nicht immer der Erste sein. Er lässt seinen Senatorinnen und Senatoren den Raum für eigene Statements. Wegner ist quasi der Bill Evans der Politik. Evans war einer der größten Pianisten der Jazzmusik. Aber anders als andere Bandleader ließ er seine Kollegen gleichwertig musizieren - und prägte damit einen neuen Stil.
Wegners Stil unterscheidet sich deutlich von der rot-grün-roten Vorgängerregierung. Dort versuchte jeder, mit seiner Tonlage durchzukommen, ohne Rücksicht auf die Interessen der anderen. Rot-Grün-Rot wollte auf Augenhöhe miteinander regieren, stritt sich aber unentwegt. Das will Wegner anders machen. Der Politiker, der für viele, am Ende für sich selbst auch, überraschend ins Amt des Regierenden Bürgermeisters gewählt wurde, regiert als Anführer eines Teams. Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), die durch ihren Stopp der Radwegeplanung für die ersten Großdemonstrationen gegen den neuen Senat sorgte, erhielt von Wegner Rückendeckung. Er wird nicht müde zu erzählen, dass das Vorgehen mit ihm abgestimmt sei. Auch Innensenatorin Spranger zeigte sich überrascht, dass ihr Wegner gleich zu Beginn sein Vertrauen schenkte. Gerade ihr Posten gilt als Schleudersitz, sollte es zu Fehlern bei der Polizei oder der Feuerwehr kommen. Aber Wegner machte deutlich, dass er die Sozialdemokratin unterstütze.
Wenn man Wegner beobachtet, stellt man schnell fest, dass er die Nähe zu den Berlinerinnen und Berlinern sucht. Wegner ist da eher der Spandauer, der seit über 20 Jahren Politik in und für Berlin macht. Die Berliner CDU hatte immer Sehnsucht nach einem Politiker wie Richard von Weizsäcker. Wegner ist vom menschlichen Typus nicht Weizsäcker, eher Wowereit. Mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister verbindet ihn nicht nur ein vertrauensvolles Verhältnis, sondern auch ein Spruch: "Ich kenne meine Berliner", hatte Wowereit mal gesagt. Auch Wegner kennt die Berliner. Seine Flughöhe ist eher kurz über der Berliner Grasnarbe, nicht abgehoben.
Genau das bemängeln aber Kritiker. Er habe keine Vision für Berlin. Aber kann man das nach 100 Tagen im Amt? Wegner regiert eher pragmatisch, will die Probleme ohne ideologische Scheuklappen lösen. Noch ist offen, ob er wirklich das Bauen durch schnellere Planungsverfahren voranbringen kann. Auch die Einführung der E-Akte oder die Sicherheitsherausforderungen in den Parks will er angehen, hat sie aber noch nicht gelöst.
Der neue Führungsstil hat sich schon bewährt - zumindest aus Koalitionssicht: Aus den teilweise hart geführten Etatberatungen, bei denen es hinter verschlossenen Türen Tränen gegeben haben soll, drang kaum etwas nach draußen. Wegners Führungsstil ist nicht automatisch eine gute Politik für Berlin, aber es ist eine Voraussetzung für das Gelingen von Schwarz-Rot.
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Es ist nur eine kleine Geste, aber mit großer Wirkung. Berlins neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) stehen vor dem Eingang des Columbiabads in Neukölln. Dort hatte es Schlägereien von Badbesuchern und einen Brandbrief der Beschäftigten gegeben. Nun machen sich Wegner und Spranger ein Bild von der Lage und wollen erste Maßnahmen verkünden. Vor dem Termin spricht Wegner kurz seine Innensenatorin an. "Willst Du oder soll ich als erster vor die Mikrofone der Journalisten treten?" Spranger redet dann als erste.
So ein Verhalten ist in der Politik ungewöhnlich. Normalerweise spricht immer der Ranghöhere zuerst. Aber Wegner muss nicht immer der Erste sein. Er lässt seinen Senatorinnen und Senatoren den Raum für eigene Statements. Wegner ist quasi der Bill Evans der Politik. Evans war einer der größten Pianisten der Jazzmusik. Aber anders als andere Bandleader ließ er seine Kollegen gleichwertig musizieren - und prägte damit einen neuen Stil.
Wegners Stil unterscheidet sich deutlich von der rot-grün-roten Vorgängerregierung. Dort versuchte jeder, mit seiner Tonlage durchzukommen, ohne Rücksicht auf die Interessen der anderen. Rot-Grün-Rot wollte auf Augenhöhe miteinander regieren, stritt sich aber unentwegt. Das will Wegner anders machen. Der Politiker, der für viele, am Ende für sich selbst auch, überraschend ins Amt des Regierenden Bürgermeisters gewählt wurde, regiert als Anführer eines Teams. Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), die durch ihren Stopp der Radwegeplanung für die ersten Großdemonstrationen gegen den neuen Senat sorgte, erhielt von Wegner Rückendeckung. Er wird nicht müde zu erzählen, dass das Vorgehen mit ihm abgestimmt sei. Auch Innensenatorin Spranger zeigte sich überrascht, dass ihr Wegner gleich zu Beginn sein Vertrauen schenkte. Gerade ihr Posten gilt als Schleudersitz, sollte es zu Fehlern bei der Polizei oder der Feuerwehr kommen. Aber Wegner machte deutlich, dass er die Sozialdemokratin unterstütze.
Wenn man Wegner beobachtet, stellt man schnell fest, dass er die Nähe zu den Berlinerinnen und Berlinern sucht. Wegner ist da eher der Spandauer, der seit über 20 Jahren Politik in und für Berlin macht. Die Berliner CDU hatte immer Sehnsucht nach einem Politiker wie Richard von Weizsäcker. Wegner ist vom menschlichen Typus nicht Weizsäcker, eher Wowereit. Mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister verbindet ihn nicht nur ein vertrauensvolles Verhältnis, sondern auch ein Spruch: "Ich kenne meine Berliner", hatte Wowereit mal gesagt. Auch Wegner kennt die Berliner. Seine Flughöhe ist eher kurz über der Berliner Grasnarbe, nicht abgehoben.
Genau das bemängeln aber Kritiker. Er habe keine Vision für Berlin. Aber kann man das nach 100 Tagen im Amt? Wegner regiert eher pragmatisch, will die Probleme ohne ideologische Scheuklappen lösen. Noch ist offen, ob er wirklich das Bauen durch schnellere Planungsverfahren voranbringen kann. Auch die Einführung der E-Akte oder die Sicherheitsherausforderungen in den Parks will er angehen, hat sie aber noch nicht gelöst.
Der neue Führungsstil hat sich schon bewährt - zumindest aus Koalitionssicht: Aus den teilweise hart geführten Etatberatungen, bei denen es hinter verschlossenen Türen Tränen gegeben haben soll, drang kaum etwas nach draußen. Wegners Führungsstil ist nicht automatisch eine gute Politik für Berlin, aber es ist eine Voraussetzung für das Gelingen von Schwarz-Rot.
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