Berlin (ots) -
Das Berliner Bildungswesen krankt auf vielen Ebenen. Es herrschen Lehrer- und Platzmangel, Stundenpläne sind überfrachtet, die Ausbildung ist überholt und umständlich. Die Liste ist lang, die meisten Probleme lange bekannt. Einiges wurde versucht, mehr Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. Berufsanfänger in Berlin fangen bei 5000 Euro brutto im Monat an. Es gibt mehr Studienplätze. Doch das Ergebnis war mäßig. Einerseits, weil die Studienplätze nicht ausreichten, andererseits, weil viele junge Leute aus dem Bundesgebiet nach Berlin zum Studieren kommen - und danach der Stadt zum Arbeiten wieder den Rücken kehren.
Das Vorgehen der letzten Jahre folgt einem Muster, das für den ganzen öffentlichen Dienst angewandt wird: Die jeweiligen Landesregierungen wollen allein mit mehr Personal die Probleme lösen. Doch das funktioniert in der Regel nicht, weder in den Schulen noch in der Verwaltung. Mehr Personal in ein krankes System zu stecken, löst die strukturellen Probleme nicht. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen im Bildungsbetrieb sind frustriert, weil sie sich in erstarrten Strukturen bewegen müssen. Es bleibt kaum Raum, eigene Ideen umzusetzen oder Probleme in Eigenregie aus dem Weg zu räumen. Kein Wunder also, dass immer mehr Lehrkräfte den Schulbetrieb entnervt verlassen. Die Zahl steigt rasant, in den vergangenen fünf Jahren lösten 4500 Lehrkräfte in Berlin ihre Arbeitsverträge auf, weil ihnen die eigene Gesundheit wichtiger war als ein sicherer Arbeitsplatz mit guter Bezahlung.
In der Verwaltung werden die Zahlen kaum anders ausfallen. Nur zeigt sich der Reformstau am sichtbarsten an den Schulen, nämlich dann, wenn regelmäßig Unterricht ausfällt. Dass viele junge Menschen schon im Studium das Handtuch werfen, fällt dagegen nicht so auf.
Mit dieser Reformlethargie steht Berlin nicht allein. Das letzte große Reformprojekt auf Bundesebene liegt mehr als 20 Jahre zurück: Die Hartz-Reformen regelten das Sozialwesen und die Arbeitslosigkeit grundsätzlich neu. Seitdem ist viel von Gesundheits-, Renten-, Verwaltungs- und eben auch Bildungsreformen die Rede, ohne dass sich grundsätzlich etwas geändert hätte.
Stattdessen werden die Probleme hinter politischen Schaukämpfen zerrieben. Für das Bildungswesen in Berlin heißt das: Die eine Seite kämpft für die Stärkung der Gymnasien, die andere für den Ausbau der Gemeinschaftsschulen. Anderswo wird an Symptomen herumgedoktert. Dabei geht es vor allem um Dinge, die nichts kosten. Wie zum Beispiel die gerade an Gymnasien abgeschaffte Prüfung zum Mittleren Schulabschluss (MSA). Insgesamt wird die eigene politische Überzeugung als Pragmatismus verkauft, während alle anderen Überzeugungen als Ideologie verunglimpft werden. Damit erspart man sich die Auseinandersetzung um Inhalte.
Der grundsätzliche Reformbedarf gerät dabei in den Hintergrund. Zum Beispiel eine Lehrerausbildung mit mehr Praxisbezug, sodass die Absolventen nicht erst nach dem Studium in Kontakt mit dem Schulalltag kommen. Oder eine grundsätzliche Neuordnung des Fächerkanons, der sich immer noch stärker am 19., als am 21. Jahrhundert orientiert.
Von Berlin könnte ein Signal des Reformwillens ausgehen. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist angetreten, grundsätzliche Verbesserungen durchzusetzen. Als derzeitige Vorsitzende der Kultusministerkonferenz kann sie zugleich notwendige Schritte auf Bundesebene auf den Weg bringen. Los geht's - wenn die Ambitionen ernst gemeint sind.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/53614/5604534
Das Berliner Bildungswesen krankt auf vielen Ebenen. Es herrschen Lehrer- und Platzmangel, Stundenpläne sind überfrachtet, die Ausbildung ist überholt und umständlich. Die Liste ist lang, die meisten Probleme lange bekannt. Einiges wurde versucht, mehr Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. Berufsanfänger in Berlin fangen bei 5000 Euro brutto im Monat an. Es gibt mehr Studienplätze. Doch das Ergebnis war mäßig. Einerseits, weil die Studienplätze nicht ausreichten, andererseits, weil viele junge Leute aus dem Bundesgebiet nach Berlin zum Studieren kommen - und danach der Stadt zum Arbeiten wieder den Rücken kehren.
Das Vorgehen der letzten Jahre folgt einem Muster, das für den ganzen öffentlichen Dienst angewandt wird: Die jeweiligen Landesregierungen wollen allein mit mehr Personal die Probleme lösen. Doch das funktioniert in der Regel nicht, weder in den Schulen noch in der Verwaltung. Mehr Personal in ein krankes System zu stecken, löst die strukturellen Probleme nicht. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen im Bildungsbetrieb sind frustriert, weil sie sich in erstarrten Strukturen bewegen müssen. Es bleibt kaum Raum, eigene Ideen umzusetzen oder Probleme in Eigenregie aus dem Weg zu räumen. Kein Wunder also, dass immer mehr Lehrkräfte den Schulbetrieb entnervt verlassen. Die Zahl steigt rasant, in den vergangenen fünf Jahren lösten 4500 Lehrkräfte in Berlin ihre Arbeitsverträge auf, weil ihnen die eigene Gesundheit wichtiger war als ein sicherer Arbeitsplatz mit guter Bezahlung.
In der Verwaltung werden die Zahlen kaum anders ausfallen. Nur zeigt sich der Reformstau am sichtbarsten an den Schulen, nämlich dann, wenn regelmäßig Unterricht ausfällt. Dass viele junge Menschen schon im Studium das Handtuch werfen, fällt dagegen nicht so auf.
Mit dieser Reformlethargie steht Berlin nicht allein. Das letzte große Reformprojekt auf Bundesebene liegt mehr als 20 Jahre zurück: Die Hartz-Reformen regelten das Sozialwesen und die Arbeitslosigkeit grundsätzlich neu. Seitdem ist viel von Gesundheits-, Renten-, Verwaltungs- und eben auch Bildungsreformen die Rede, ohne dass sich grundsätzlich etwas geändert hätte.
Stattdessen werden die Probleme hinter politischen Schaukämpfen zerrieben. Für das Bildungswesen in Berlin heißt das: Die eine Seite kämpft für die Stärkung der Gymnasien, die andere für den Ausbau der Gemeinschaftsschulen. Anderswo wird an Symptomen herumgedoktert. Dabei geht es vor allem um Dinge, die nichts kosten. Wie zum Beispiel die gerade an Gymnasien abgeschaffte Prüfung zum Mittleren Schulabschluss (MSA). Insgesamt wird die eigene politische Überzeugung als Pragmatismus verkauft, während alle anderen Überzeugungen als Ideologie verunglimpft werden. Damit erspart man sich die Auseinandersetzung um Inhalte.
Der grundsätzliche Reformbedarf gerät dabei in den Hintergrund. Zum Beispiel eine Lehrerausbildung mit mehr Praxisbezug, sodass die Absolventen nicht erst nach dem Studium in Kontakt mit dem Schulalltag kommen. Oder eine grundsätzliche Neuordnung des Fächerkanons, der sich immer noch stärker am 19., als am 21. Jahrhundert orientiert.
Von Berlin könnte ein Signal des Reformwillens ausgehen. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist angetreten, grundsätzliche Verbesserungen durchzusetzen. Als derzeitige Vorsitzende der Kultusministerkonferenz kann sie zugleich notwendige Schritte auf Bundesebene auf den Weg bringen. Los geht's - wenn die Ambitionen ernst gemeint sind.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/53614/5604534
© 2023 news aktuell