
08.09.2023 - Bitcoin scheint dem Experimentierstadium entwachsen. Blackrock hat bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC einen Bitcoin ETF beantragt, Vanguard sein Investment in sog. Bitcoin-Miner auf 500 Mio. USD aufgestockt und der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy Jr. hat sogar vorgeschlagen, Bitcoin als Deckung für den US-Dollar heranzuziehen und von der Kapitalertragssteuer auszunehmen.
Welche Rolle kann diese "neue Assetklasse" in einer globalisierten Welt einnehmen?Vor 52 Jahren, im August 1971, wurde unter US-Präsident Nixon die Goldbindung des Dollar aufgehoben. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, im Juli 2023, schlägt der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy vor, den Dollar erneut mit Gold und weiteren "harten" Assets zu decken, u.a. auch mit Bitcoin, also "digitalem Gold". In einem ersten Schritt sollen zunächst 1 % der ausgegebenen T-Bills auf diese Art gedeckt werden:
"My plan would be to start very, very small, perhaps 1 % of issued T-bills would be backed by hard currency, by gold, silver platinum or bitcoin." 1)
Was motiviert diesen Vorschlag, fünf Jahrzehnte nach Aufhebung der Goldbindung wieder schrittweise zu einem (teil-)gedeckten Dollar zurückzukehren?
Ein Blick auf die Entwicklung des Goldpreises in USD nach dem Ende der Goldpreisbindung hilft, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ende August 1971 lag der Preis für eine Feinunze Gold bei 42,73 Dollar, 52 Jahre später waren es 1940,19 USD (Stand 31.08.2023). In Relation zu Gold hatte der Dollar also fast 98 % seines Wertes eingebüßt
Diese Entwertung des Dollars von durchschnittlich 7 % pro Jahr gegenüber Gold ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Menge der neu geschöpften US-Dollar um ein Vielfaches größer war als die Menge des neu geschürften Goldes. Eine (Wiederan-)Bindung des USD an ein werthaltiges Asset würde der de facto unlimitierten Geldmengenausweitung durch immer neue Kredite ein Ende bereiten und damit die Werthaltigkeit des Dollar (wieder) erhöhen. Dass die BRICS-Staaten derzeit über eine eigene goldgedeckte Währung nachdenken, dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, dass man sich im Mutterland des US-Dollar Gedanken darüber macht, wie man die eigene Währung wieder attraktiver gestalten könnte.Warum wird aber neben Gold, Silber und Platin nun auch Bitcoin mit ins Spiel gebracht? Handelt es sich hierbei nicht einfach um eine Art digitales Geld, das man (ebenfalls) nach Belieben vermehren kann? Nun, zumindest beim Bitcoin ist genau dies nicht der Fall. Dessen maximale Menge war von Anfang an auf 21 Mio. Einheiten begrenzt, wovon 19,5 Mio. bereits erzeugt wurden (Stand August 2023). Im Gegensatz zu physischem Gold, das nach wie vor gefördert wird, ist bei Bitcoin nach der 21 Millionsten "Münze" endgültig Schluss.
Und genau hier liegt der einzigartige Wert von Bitcoin. Um die Knappheit und damit die Werthaltigkeit eines Gutes zu bewerten, hat sich nämlich im Rohstoffbereich das sog. Stock to Flow-Verhältnis etabliert, das das bereits bestehende Angebot (stock) in Relation zur aktuellen Produktionsrate (flow) setzt. Der Quotient gibt Auskunft darüber, wie viel Zeit man auf Basis der aktuellen Produktionsrate benötigen würde, um das bestehende Angebot zu reproduzieren:
Die Bedeutung dieser Kenngröße leuchtet unmittelbar ein: Je höher die Anzahl der Jahre, die man für eine Reproduktion des aktuellen Bestandes benötigen würde, desto werthaltiger ist das entsprechende Gut. Wie sieht es nun mit dieser Kenngröße im Falle von Gold und Bitcoin aus? Die in 2022 geförderte Menge an Gold lag bei 3.612 Tonnen 2), während die weltweite Gesamtmenge Ende 2022 208.874 Tonnen3) betrug.Daraus ergibt sich ein Stock to Flow-Verhältnis von 57,8, d.h. man würde bei gleichbleibender Fördermenge knapp 58 Jahre benötigen, um den aktuellen Goldbestand noch einmal aus der Erde zu befördern.
Werfen wir nun einen Blick auf die entsprechenden Zahlen bei Bitcoin (BTC): per Ende Juni 2023 gab es rund 19.300.000 BTC 4), während die jährliche Erzeugungsrate bei 328.500 lag 5). Mit diesen Zahlen erhalten wir fast exakt das gleiche Ergebnis wie für Gold: Das Stock to Flow-Verhältnis liegt für Bitcoin bei 58,8 Jahren. Nimmt man den Kehrwert dieser Zahlen, so erhält man die entsprechende "Inflation": aktuell 1,7 % Mengenausweitung pro Jahr bei beiden Assets. Sollten die erreichbaren Goldreserven irgendwann einmal erschöpft sein, so würde der Wert bei Gold auf Null fallen. Bei Bitcoin ist dieser Zeitpunkt bereits abzusehen, denn wenn voraussichtlich im Jahr 2140 die maximale Menge von 21 Mio. Bitcoin erzeugt wurde, dann gibt es keine Mengenausweitung mehr. Bis dahin wird die "Inflationsrate" von derzeit noch 1,7 % kontinuierlich bis auf Null abfallen.6)
So viel zur Theorie der Werthaltigkeit von Bitcoin im Vergleich zu Gold. Während Gold jedoch bereits auf eine Jahrtausende währende Geschichte als Wertspeicher und Zahlungsmittel zurückblicken kann, ist dies bei Bitcoin naturgemäß noch nicht der Fall: letzteres existiert erst seit 14 Jahren. Um abzuschätzen, wie ernst dieses neue, "digitale Gold" inzwischen von der Finanzwelt genommen wird, lohnt sich ein Blick auf die Worte und Taten schwergewichtiger Akteure. Mit über 10 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen ist BlackRock der größte Vermögensverwalter der Welt. Dessen CEO bzw. seine Meinung zu Bitcoin hat sich in den letzten 6 Jahren offenbar um 180 Grad gewandelt:
"Es ist eine bemerkenswerte Kehrtwende, die einer der mächtigsten Männer der Finanzbranche da hingelegt hat: 2017 stufte Larry Fink, Chef des Vermögensverwalters BlackRock, die Kryptowährung Bitcoin noch vorrangig als Mittel zur Geldwäsche ein. Heute sagte er, die Cyberdevise könne das Finanzwesen revolutionieren. Sie sei wie digitales Gold und ein Schutz gegen Inflation."7)
Larry Fink beließ es nicht bei Worten, sondern hat bei der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC einen Antrag auf einen Bitcoin-ETF gestellt.8)Konkurrent Vanguard, nach BlackRock der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt, wollte bei dieser Entwicklung offenbar nicht an der Seitenlinie stehen und hat seine Bestände an Aktien von Bitcoin-Miningfirmen auf insgesamt 500 Mio. USD aufgestockt.9)
Genau dieses stromfressende Mining wird nicht ganz zu Unrecht als Pferdefuß von Bitcoin gesehen. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass Bitcoin selbst eine Art Universal-Speicher darstellt und man daher überschüssigen Strom z.B. aus Windkraftanlagen zum Mining nutzen könnte, während diese bei einem Überangebot an Strom bislang einfach abgeschaltet werden. Und auch hier gilt es natürlich, den Blick für die Relationen zu bewahren, denn bei näherem Hinsehen hält bei weitem nicht alles, was derzeit noch (im Gegensatz zu Bitcoin) als "grüne" Technologie etikettiert wird, einer kritischen Analyse stand.
Womit wir bei der ethischen Komponente eines Bitcoin-gedeckten US-Dollar (und anderer gedeckter Währungen) wären:
"Es gibt kaum Themen, bei denen sich die Menschen normalerweise so einig sind, wie beim Thema Krieg. In aller Regel erntet man nämlich ausschließlich Zuspruch, wenn man zum Ausdruck bringt, dass man gegen Krieg und das damit verbundene Ableben unzähliger unschuldiger Menschen ist.
Ein Aspekt, der in der Diskussion um Kriege nicht selten vernachlässigt wird, ist das Geld. Kriege kosten Unmengen an Geld. Geld, das sich die kriegsführenden Staaten besorgen müssen. In der Regel reichen hierfür die Steuereinnahmen nicht aus und somit spielt die Art des Geldes eine zentrale Rolle. [...]
Die Art des Geldes war hierbei aber nur indirekt das Problem. In Europa wurde in dem Zeitraum nämlich überwiegend mit Silber-, aber auch mit Goldmünzen gehandelt. Trotzdem gab es derweil lange und brutale Kriege. Das ist dadurch zu erklären, dass die Münzen in der Regel von Regierungen geprägt wurden. Benötigten diese mehr Geld, etwa um Kriege zu führen, so verringerten sie den Edelmetallgehalt. Das taten sie meist dadurch, dass sie die Münzen der Bevölkerung einsammelten, einschmolzen und mit einem geringeren Materialwert neu prägten. Bis zum 18. Jahrhundert war das eine äußerst gängige Praktik zur Mittelbeschaffung in Kriegszeiten."10)
Bleibt abschließend nur anzumerken, dass man BitCOINs, im Gegensatz zu Gold- und Silbermünzen, konstruktionsbedingt nicht verwässern kann.
Lesen Sie hier das Originaldokument
Quellen: 1) RFK Jr. Announces Bold Plan to Back Dollar With Bitcoin, End Bitcoin Taxes - The Street Crypto: Bitcoin and cryptocurrency news, advice, analysis and more; 2) Goldförderung: Aktuelle Zahlen zu Lagerstätten und Förderkosten; 3) https://www.gold.org/goldhub/data/how-much-gold; 4)https://de.statista.com/statistik/daten/studie/283301/umfrage/gesamtzahl-der-bitcoins-in-umlauf/; 5) https://bitcoin-2go.de/bitcoin-stock-to-flow/; 6) https://kamiltaylan.blog/was-passiert-wenn-bitcoin-die-maximale-menge-erreicht/#:~:text=Voraussichtlich%20im%20Jahr%202140%20sind,alle%2021%20Millionen%20BT C%20gemined; 7) https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-blackrock-der-bitcoin-und-der-wendige-mister-fink/29266478.html; 8) SEC accepts BlackRock's Bitcoin ETF application, signaling regulatory review (cointelegraph.com); 9) Vanguard: Finanzriese investiert 500 Millionen US-Dollar in Mining (btc-echo.de); 10) https://www.blocktrainer.de/wie-bitcoin-kriege-verhindern-kann-teil-1/