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Mit Downside-Hedging können Investoren auf Marktbewegungen spekulieren und schmerzhafte Einbrüche abfedern. Eine gute Idee? Das wallstreetONLINE-Interview der Woche mit Vermögensverwalter und ETF-Profi Gerd Kommer.
Martin Kerscher: Herr Kommer, Sie selbst haben mal das Phänomen des Downside Hedging als vermeintlich heiligen Gral des Investierens bezeichnet. Was meinen Sie denn damit?
Gerd Kommer: Heiliger Gral soll bedeuten, an der Upside - an den positiven Renditen des Aktienmarktes - zu 100 Prozent zu partizipieren, aber die Kehrseite der Medaille - nämlich die Verluste, die Volatilität nach unten, die es im Aktienmarkt hat nun mal gibt - zu begrenzen.
Also die gleiche Upside und reduzierte Downside. Das ist der heilige Gral des Aktien Investments, das gilt sowohl für Einzelwertanleger als auch für Anleger, denen die klasse Aktien überall zum Beispiel X investieren.
Martin Kerscher: Ja das ist doch eigentlich eine gute Idee. Was sollte man gegen eine solch gute Idee haben?
Gerd Kommer: Ja, eine gute Idee ist das. Oder ein schöner Traum. Aber im Leben ist es ja oft so, dass das Verfolgen schöner Träume oder guter Ideen, die sich als nicht realistisch herausstellt, nach hinten losgehen können oder bei denen das Verfolgen mehr Nachteile hat, als man sich das gewünscht hat.
Martin Kerscher: Aber es gibt doch Downside Hedging-Produkte. Welche gibt es denn da?
Gerd Kommer: Da gibt es sehr viele. Vielleicht deswegen so viele, weil es der ewige Traum der investierenden Menschheit ist. Fangen wir mal an mit der Liste und das, was ich sagen werde, ist sicherlich nicht wirklich vollständig. Dazu könnte ich wahrscheinlich ein ganzes Lehrbuch schreiben, um alles aufgezählt zu haben.
Martin Kerscher: Dann nehmen wir doch erstmal nur zwei, drei. Das würde schon reichen. (lacht)
Gerd Kommer: Die Klassiker sind Put-Optionen auf eine Aktie kaufen, auf Tesla, auf Siemens, auf die Deutsche Bank. Ich kann natürlich auch eine Option kaufen auf einen Index auf den S&P500 Index oder Stop-Loss-Orders setzen.
Ich kann natürlich auch Market-Timing betreiben. Das heißt, ich verlasse mich auf meine eigene Prognose: Also "Nächsten Monat wird einen Markt-Crash geben" oder "die NVIDIA-Aktie oder Microsoft-Aktie wird nächsten Monat oder in den nächsten drei Tagen anfangen einzubrechen", dann werde ich diese Aktie leer verkaufen, wenn ich das kann.
Also das ist heutzutage für einen Privatanleger kein grundsätzliches Problem mehr, von der Technik her. Ich kann auch ganz einfach in Cash wechseln, also ich kann aus meinem ETF aus meiner Microsoft Aktie rausgehen und mir stattdessen Cash oder risikoarme Anleihen zulegen oder zum Tagesgeld wechseln.
Martin Kerscher: Ich könnte also das Downside-Hedging auch in Eigenregie machen?
Gerd Kommer: Ganz genau. Sie könnten ganz einfach sagen: Ich habe meinen Einflüsterer, einen Influencer, eine Youtuber, meinen Bankberater oder meine eigene Klugheit. Und ich glaube, dass die Aktie X oder der Index Y in dem Zeitraum Z nach unten gehen wird deutlich nach oben gehen wird. Und dann versuche ich aus diesem Asset, aus diesem Investment herauszugehen oder in ein anderes Assets umzuschichten, um das Risiko zu reduzieren.
Martin Kerscher: Wie sieht denn eigentlich die Performance Bilanz von Downside Hedging aus?
Gerd Kommer: Wenn man mal die Geschichten, außen vor lässt und sich ein bisschen an dem orientiert, was die Wissenschaft zu diesem Thema sagt. Und das ist, schicke ich voraus, ein komplexes Thema, weil es einfach unendlich viele Downside-Hedging-Strategien gibt.
Wenn ich untersuchen möchte, was der globale Aktienmarkt an Rendite produziert hat, das ist eigentlich einfach. Da können wir uns alle darauf einigen, dass wir den MSCI World lndex hernehmen und da vernünftige Kosten abziehen, die normale ETF haben würde.
Und wenn man es noch genauer machen möchte, dann nehmen wir noch die Schwellenländer-Aktien dazu, also einen noch breiteren Index und gut ist. Also da gibt es keine große Divergenz darüber, was der Aktienmarkt jetzt an Rendite bringt. Bei Downside Hedging ist das alles viel komplizierter, weil es so viele Strategien gibt. Die Wissenschaftler, die das untersucht haben, die kommen überwiegend zu dem Ergebnis: Nein, das funktioniert nicht.
Entweder ist die absolute Rendite einfach schlechter als ein breit diversifiziertes Buy and Hold Portfolio, oder die sogenannte risikoadjustierte Rendite ist schlecht und das ist eigentlich noch wichtiger. Risikoadjustierte Rendite bedeutet, dass ich eine Risiko-Kennzahl habe, bei der das Risiko, was mit dem Investment verknüpft ist, gemessen wird.
Martin Kerscher: Also zusammengefasst lässt sich sagen: Es lohnt sich deshalb nicht, weil die Aktienmärkte mittelfristig nach oben gehen und es lang anhaltende Rücksetzer in den Aktienmärkten eigentlich gar nicht gibt. Wie muss denn der Ratschlag für Privatanleger lauten? Einfach kaufen und liegen lassen?
Gerd Kommer: Mein Ratschlag war das schon immer. Ich bin ein großer Fan von beiden, Kaufen und Liegen lassen, nach Möglichkeit breit diversifiziert, zu niedrigen Kosten. Und natürlich im Rahmen meiner Risikotragfähigkeit. Der globale Aktienmarkt geht grob gesagt alle zehn Jahre um 50 Prozent runter. Wenn ich das mental oder liquiditätsmäßig nicht aushalten kann, dann muss ich erwas tun, natürlich, und das wäre im einfachsten Fall, dass ich diese Aktieninvestments mit risikoarmen Anlagen wie Tagesgeld oder deutschen Staatsanleihen vermische. Und dann kann ich wie mit einem Schieberegler mein Downside-Risiko vermindern.
Aber aber das geht halt auch damit einher - so ehrlich muss ich zu mir sein - dass ich nicht mehr die gleich hohe Upside habe wie mit einem hundertprozentigen Aktienportfolio. Und dieser Ansatz funktioniert. Man kann ihn leicht umsetzen, der hat geringes operatives Risiko und das ist derjenige den ich für den letztlich auf lange Sicht besseren halte.
Martin Kerscher: Ist also ein häufig gebrochenes Versprechen der Finanzbranche.
Gerd Kommer: So könnte man das formulieren. Es gibt zum Beispiel unheimlich viele Mischfonds, sogenannte Multi-Asset-Fonds oder vermögensverwaltende Fonds. Der bekannteste dieser Fonds ist der Flossbach von Storch Multiple Opportunities Fonds, der größte Investmentfonds in Deutschland mit 24 Milliarden oder 25 Milliarden Euro Volumen. Und dieser Fonds versucht eigentlich nichts anderes: Nämlich zu 100 Prozent zu partizipieren, wenn der Markt nach oben geht, aber die die Downside abzumildern. Wenn Sie sich die Rendite-Bilanz dieses Fonds, den ich jetzt nur exemplarisch herausgegriffen habe, ansehen, dann werden Sie sehen, dass der hat in den letzten 13 Jahren oder auch in den letzten zwei Jahren ein Buy and Hold Investment unter-performt hat. Und dieses Grundmuster werden sie immer wieder sehen, wenn sie solche solche Downside-Hedging oder Market-Timing Strategien auf lange Sicht untersuchen.
Martin Kerscher: Vielen Dank für diese Einordnung, Herr Kommer.
Dieses Interview ist ursprünglich auf wallstreetONLINE TV erschienen.