BERLIN (dpa-AFX) - Heizen und Tanken werden teurer mit dem Jahreswechsel - doch Entlastung durch das von der Ampel-Regierung versprochene Klimageld ist nicht in Sicht. Dabei hatten SPD, Grüne und FDP das Vorhaben schon vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart: Wenn der CO2-Preis aus Klimaschutzgründen steigt, soll es zum Ausgleich Geld aufs Konto der Bürgerinnen und Bürger geben. Doch angesichts der knappen Kassen ist plötzlich offen, ob sich der Bund das überhaupt leisten kann.
Für die technische Umsetzung ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) zuständig. In seinem Ministerium sieht man sich voll im Zeitplan. Vereinbart sei, dass der Auszahlungsweg in dieser Wahlperiode geschaffen werde, sagte Staatssekretärin Katja Hessel der Deutschen Presse-Agentur. "Der Mechanismus wird planmäßig bis 2025 zur Verfügung stehen."
Langzeitbaustelle Klimageld
Bislang gibt es für den Bund keinen Weg, Geld direkt auf das Konto der Bürgerinnen und Bürger zu überweisen. Dafür muss der Bund die Steuer-Identifikationsnummer, die jeder mit Geburt erhält, mit einer Kontonummer verbinden. Außerdem sind pro Tag nur eine bestimmte Anzahl an Überweisungen möglich.
Zumindest beim ersten Problem will man jetzt vorankommen: "Voraussichtlich bis Ende 2024 wird zur Steuer-Identifikationsnummer aller Bürgerinnen und Bürger, die bereit dazu sind, eine dazugehörige IBAN gespeichert sein", heißt es im Finanzministerium. Das bedeutet aber nicht, dass dann auch ein Klimageld ausgezahlt wird. Politisch sei die Ausgestaltung des Klimagelds noch nicht entschieden, so Hessel.
Der Finanz-Spielraum ist eng
Am Ende wird das Klimageld auch eine Frage der verfügbaren Mittel sein. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der "Welt": "Ich wüsste nicht, wie man das unter den derzeitigen Bedingungen noch finanzieren sollte." Geboten sei es aber mehr denn je. Auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sieht den Spielraum durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts stark eingeengt. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis müssten zunächst die nun fehlenden Mittel für Förderprogramme und weitere Maßnahmen für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft ersetzen, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Hessel regte eine Reform der Förderpolitik an. "Momentan sind alle Einnahmen aus dem CO2-Preis für Fördermaßnahmen im Klimabereich oder für Subventionen wie die Förderung von Chipfabriken verplant", sagte sie. Wolle man ein Klimageld auszahlen, müsse die Förderpolitik grundsätzlich verändert werden.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht in solchen Aussagen eine versteckte Botschaft. Sollte für die FDP eine Konsequenz aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sein, dass es kein Klimageld geben wird, "dann muss sie das offen sagen", mahnte er zuletzt in einem Interview mit "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten".
Ziel: Mehr Klimaschutz
Den CO2-Preis für alle fossilen Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel gibt es in Deutschland seit 2021. Der Verbrauch dieser Rohstoffe wird dadurch teurer, was zum Klimaschutz beitragen soll. Zuletzt hatte sich die Koalition im Ringen um den Bundeshaushalt darauf geeinigt, dass der CO2-Preis zum 1. Januar noch etwas stärker steigen soll als bislang geplant.
Das Klimageld sollte die sozialen Folgen ursprünglich abfedern. Zuletzt argumentierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Bürger würden schon entlastet, weil der Staat die EEG-Umlage beim Strompreis übernehme. Fast alle Einnahmen aus dem CO2-Preis flössen so an die Menschen zurück. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung allerdings festgehalten, das Klimageld soll als "sozialer Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus" entwickelt werden.
Vorstoß der Verbraucherzentralen: 139 Euro für jeden
Nach Ansicht von Verbraucherschützern geht Habecks Rechnung zudem nicht auf. Die Gesamteinnahmen durch den CO2-Preis seien deutlich höher als die Entlastung bei der EEG-Umlage, argumentiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Rechnerisch stünde jeder Bürgerin und jedem Bürger für die vergangenen drei Jahre daher ein Klimageld von 139 Euro zu. Eine vierköpfige Familie müsste 556 Euro erhalten. Bei der aktuellen Einwohnerzahl Deutschlands müsste der Bund etwa 11,76 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Im Etat für das kommende Jahr, so argumentieren Haushaltspolitiker, gebe es diesen Spielraum aber nicht.
Politisch sind die Details zum Klimageld auch noch nicht definiert. So hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm 2021 gefordert, den Ausgleich erst bei einem CO2-Preis von 60 Euro pro Tonne zu zahlen. Davon ist man noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr verzichtete die Ampel wegen der Energiekrise auf eine Erhöhung. Um das Milliardenloch nach dem Karlsruher Haushaltsurteil zu stopfen, soll er nun von 30 direkt auf 45 Euro pro Tonne steigen.
Forscher: CO2-Preis ist zu niedrig
Der Ökonom Matthias Kalkuhl nennt die Steigerung zum Jahreswechsel einen "Schritt in die richtige Richtung, um Emissionseinsparungen und Investitionen in CO2-arme Technologien anzureizen". Aber: "Damit sich mehr Bürger von fossilen Heizungen und Verbrennerautos verabschieden, müsste er deutlich höher sein als vom Bundeskanzler und den Ministern nun geplant", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Kalkuhl ist Professor für Klimawandel, Entwicklung und Wirtschaftswachstum an der Universität Potsdam und leitet eine Arbeitsgruppe beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.
Bewirkt der kletternde CO2-Preis eigentlich die erhoffte Verhaltensänderung? Für Deutschland gebe es dazu keine verlässlichen Erkenntnisse, sagt Kalkuhl. "Jedoch wissen wir aus einer Vielzahl von empirischen Untersuchungen für die EU, China und Nordamerika, dass allein die Einführung von CO2-Preisen - auch wenn die Preise anfänglich niedrig sind - zu bedeutsamen Emissionsreduktionen geführt hat. Wir gehen daher davon aus, dass auch in Deutschland die Emissionen dadurch bereits gesenkt wurden."
Beim Tanken und Heizen könnte sich der höhere CO2-Preis zum Jahreswechsel bereits auswirken. Experten bezweifeln aber, ob das das Verhalten der Bürger deutlich ändern wird. An der Tankstelle gehe es um etwas mehr als vier Cent pro Liter, was unterhalb der täglichen Preisschwankungen liege, erklärte der ADAC. Daher hielten sich die Auswirkungen vermutlich in Grenzen - zumal viele Menschen für tägliche Wege auf das Auto angewiesen seien und die Kraftstoffpreise wieder unterhalb der für viele kritischen Schwelle von zwei Euro je Liter lägen.
Warnung vor sozialem Sprengstoff
Ökonom Kalkuhl warnt dennoch. "Hohe CO2-Preise bergen enormen sozialen und politischen Sprengstoff - wenn die Einnahmen aus der Bepreisung nicht an die Bevölkerung zurückerstattet werden." Die Zeit für ein Konzept dränge, da Deutschland seine Klimaziele wohl nicht erreichen werde. "Das Klimageld wird nicht alle Akzeptanzprobleme lösen", mahnt Kalkuhl. "Doch ohne ein Klimageld, ohne einen sozialen Ausgleich ist eine erfolgreiche Klimapolitik kaum vorstellbar."
Die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm kritisierte in der "Rheinischen Post", dass das Klimageld nicht schon vor dem Anstieg des CO2-Preises eingeführt wurde und mahnte die Bundesregierung, dies nachzuholen. "Das Klimageld hat eine sehr positive umverteilende Wirkung - zum einen von den hohen zu den niedrigen Einkommen, zum anderen von denjenigen mit hohem hin zu denjenigen mit niedrigem CO2-Fußabdruck"", sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung./hrz/DP/he