Berlin (ots) -
Zu Beginn dieses Wahljahres ist Sahra Wagenknecht für viele Menschen so etwas wie eine unerwartete Hoffnungsträgerin. Die einen sehen in ihr eine Politikerin, die endlich ein Angebot macht, das in der deutschen Parteienlandschaft bislang fehlt: wirtschaftspolitisch eher links, gesellschafts- und vor allem migrationspolitisch eher rechts - eine Mischung, die Politikwissenschaftler als "linksautoritär" verbuchen. Das gibt es im bestehenden Parteienspektrum bislang nicht.
Die anderen halten zwar politisch wenig von ihr, hoffen aber taktisch auf ihren Erfolg. Bei der Europawahl, aber vor allem bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, so lautet ihr Kalkül, könnte Wagenknecht mit ihrem Kurs die AfD genügend Stimmen kosten, um sie als stärkste Kraft zu verhindern.
Umfragen zu einer Wagenknecht-Partei, die bisher noch gar nicht existierte, sind mit Vorsicht zu betrachten, doch was an Daten da ist, legt nahe, dass das durchaus gelingen könnte. Wagenknecht schließt eine Lücke im deutschen Parteiensystem - und trifft damit nirgends auf so große Sympathien wie bei Anhängerinnen und Anhängern der AfD. Sollte es ihr gelingen, einen Triumph der Rechtsextremisten abzuwenden, wäre das an sich ein Gewinn.
Und noch ein parteipolitisches Kunststück könnten die Neuen schaffen: Wagenknecht und ihre Leute haben als Zielgruppe auch jene ausgemacht, die sich aus Frust und Enttäuschung abgewandt haben von der Politik. Erreicht sie es, dass ein signifikanter Teil von Nichtwählerinnen und -wählern zurück an die Urnen kommt, wäre auch das ein Verdienst. Aber interessant ist nicht nur, ob das Bündnis Sahra Wagenknecht der AfD auf dem Weg nach oben noch ein Bein stellen kann. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, was danach kommt.
In den ostdeutschen Bundesländern könnten die Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl so kompliziert werden, dass die neue Partei sich sehr bald in der Position wiederfinden könnte, in irgendeiner Form Verantwortung zu übernehmen - und sei es, indem sie eine Mehrparteienregierung der anderen toleriert. Der Pragmatismus und der Spagat über tiefe inhaltliche Gräben hinweg, wie ihn zum Beispiel die schwarz-rot-grüne Landesregierung in Sachsen unter einigen Schmerzen seit 2019 vollbringt, ist allerdings Wagenknechts Sache bislang nicht. Davon können die Ex-Parteifreunde in der Linken ein sehr langes Lied singen.
Noch sind die Konturen und Inhalte der neuen Partei unscharf. Aber es zeichnet sich bereits ab, dass man nicht den Fehler machen sollte, in Sahra Wagenknecht eine Retterin der splitternden demokratischen Kultur zu erahnen.
Als in der vergangenen Woche ein Mob Vizekanzler Robert Habeck auf einer privaten Reise bedrängte (und nebenbei auch andere Fährgäste einschüchterte), kritisierte Wagenknecht im Anschluss nicht etwa diejenigen, die für die Entgleisung verantwortlich waren. Stattdessen warf sie dem bedrohten Minister vor, "weinerlich" zu sein. Nach einem Gewinn für den fairen politischen Wettbewerb klingt das nicht.
Eine weitere Partei, die populistische Impulse bedient und die demokratische Konkurrenz verächtlich macht, heißt deshalb wohl vor allem: mehr Populismus. Dann eben nicht mehr nur von rechts, sondern auch noch von schräg links. Der Druck auf die Parteien dazwischen steigt - und die Mitte droht gefressen zu werden. Das Lösen von Problemen wird so jedenfalls nicht leichter.
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Zu Beginn dieses Wahljahres ist Sahra Wagenknecht für viele Menschen so etwas wie eine unerwartete Hoffnungsträgerin. Die einen sehen in ihr eine Politikerin, die endlich ein Angebot macht, das in der deutschen Parteienlandschaft bislang fehlt: wirtschaftspolitisch eher links, gesellschafts- und vor allem migrationspolitisch eher rechts - eine Mischung, die Politikwissenschaftler als "linksautoritär" verbuchen. Das gibt es im bestehenden Parteienspektrum bislang nicht.
Die anderen halten zwar politisch wenig von ihr, hoffen aber taktisch auf ihren Erfolg. Bei der Europawahl, aber vor allem bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, so lautet ihr Kalkül, könnte Wagenknecht mit ihrem Kurs die AfD genügend Stimmen kosten, um sie als stärkste Kraft zu verhindern.
Umfragen zu einer Wagenknecht-Partei, die bisher noch gar nicht existierte, sind mit Vorsicht zu betrachten, doch was an Daten da ist, legt nahe, dass das durchaus gelingen könnte. Wagenknecht schließt eine Lücke im deutschen Parteiensystem - und trifft damit nirgends auf so große Sympathien wie bei Anhängerinnen und Anhängern der AfD. Sollte es ihr gelingen, einen Triumph der Rechtsextremisten abzuwenden, wäre das an sich ein Gewinn.
Und noch ein parteipolitisches Kunststück könnten die Neuen schaffen: Wagenknecht und ihre Leute haben als Zielgruppe auch jene ausgemacht, die sich aus Frust und Enttäuschung abgewandt haben von der Politik. Erreicht sie es, dass ein signifikanter Teil von Nichtwählerinnen und -wählern zurück an die Urnen kommt, wäre auch das ein Verdienst. Aber interessant ist nicht nur, ob das Bündnis Sahra Wagenknecht der AfD auf dem Weg nach oben noch ein Bein stellen kann. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, was danach kommt.
In den ostdeutschen Bundesländern könnten die Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl so kompliziert werden, dass die neue Partei sich sehr bald in der Position wiederfinden könnte, in irgendeiner Form Verantwortung zu übernehmen - und sei es, indem sie eine Mehrparteienregierung der anderen toleriert. Der Pragmatismus und der Spagat über tiefe inhaltliche Gräben hinweg, wie ihn zum Beispiel die schwarz-rot-grüne Landesregierung in Sachsen unter einigen Schmerzen seit 2019 vollbringt, ist allerdings Wagenknechts Sache bislang nicht. Davon können die Ex-Parteifreunde in der Linken ein sehr langes Lied singen.
Noch sind die Konturen und Inhalte der neuen Partei unscharf. Aber es zeichnet sich bereits ab, dass man nicht den Fehler machen sollte, in Sahra Wagenknecht eine Retterin der splitternden demokratischen Kultur zu erahnen.
Als in der vergangenen Woche ein Mob Vizekanzler Robert Habeck auf einer privaten Reise bedrängte (und nebenbei auch andere Fährgäste einschüchterte), kritisierte Wagenknecht im Anschluss nicht etwa diejenigen, die für die Entgleisung verantwortlich waren. Stattdessen warf sie dem bedrohten Minister vor, "weinerlich" zu sein. Nach einem Gewinn für den fairen politischen Wettbewerb klingt das nicht.
Eine weitere Partei, die populistische Impulse bedient und die demokratische Konkurrenz verächtlich macht, heißt deshalb wohl vor allem: mehr Populismus. Dann eben nicht mehr nur von rechts, sondern auch noch von schräg links. Der Druck auf die Parteien dazwischen steigt - und die Mitte droht gefressen zu werden. Das Lösen von Problemen wird so jedenfalls nicht leichter.
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