Köln (ots) -
Was für eine brutale Landung in der Wirklichkeit. Dass sexualisierte Gewalt auch in der evangelischen Kirche vorkommt, wusste man zwar auch bisher, aber man redete sich lange ein, das Ausmaß sei weit geringer als bei den Katholiken. Die Aufarbeitung haben die EKD-Gliedkirchen lange vor sich hergeschoben, die Einrichtung zentraler Meldestellen auch.
Jetzt, fünfeinhalb Jahre, nachdem eine erste zentrale Studie die deutschen Katholiken aufwühlte, liegt eine erste große Arbeit für die evangelischen Landeskirchen und die Diakonie vor. Auch die Ergebnisse dieser Forum-Studie sind erschütternd. Und wie bei damals bei den Katholiken ist zu befürchten, dass das erst der Anfang eines quälenden Prozesses sein wird - zumal die Quellenbasis schmaler ist als seinerzeit auf katholischer Seite.
858 Personen hatten bisher Anträge auf Anerkennungsleistungen wegen sexualisierter Gewalt im Raum von evangelischer Kirche und Diakonie gestellt. Nach der Hochrechnung in der Studie dürfte es mehr als zehnmal so viele Betroffene geben.
Das heißt aber auch: Tausende Opfer haben bisher keinerlei Anerkennung erhalten, deren Höhe - durchschnittlich 15 000 Euro - ohnehin beschämend gering ist. Manche leben nicht mehr. Einige davon hätten die Kirchenleitungen noch erreichen können, wenn sie früher mit der Aufarbeitung begonnen hätten. Auch von den Beschuldigen sind etliche mittlerweile verstorben und können nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Immer wieder hat es bei der Aufarbeitung gehakt, man denke an die Absetzung des damaligen EKD-Betroffenenbeirats 2021. Das ist eine Zumutung für Betroffene. Aber auch die EKD-Kirchen selbst haben sich keinen Gefallen getan. Sie verstoßen gegen ihr Selbstverständnis und schaden ihrer Glaubwürdigkeit, wenn sie Konsequenzen auf die lange Bank schieben.
Der Anteil der Geistlichen unter den Beschuldigten ist zwar, so weit bekannt, geringer als auf katholischer Seite, aber der Verzicht auf den Zölibat schützt keinesfalls vor Missbrauch durch Geistliche: Zwei Drittel der beschuldigen evangelischen Pfarrer waren bei der Ersttat verheiratet. Sexualisierte Gewalt ist eben ein Problem der Gesellschaft in ihrer ganzen Breite. Dem müssen sich alle Organisationen stellen: Kirchen ebenso wie beispielsweise Sportverbände und Schulträger. Auch dort liegt noch viel im Argen.
Pressekontakt:
Kölnische Rundschau
Raimund Neuß
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Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/70111/5700022
Was für eine brutale Landung in der Wirklichkeit. Dass sexualisierte Gewalt auch in der evangelischen Kirche vorkommt, wusste man zwar auch bisher, aber man redete sich lange ein, das Ausmaß sei weit geringer als bei den Katholiken. Die Aufarbeitung haben die EKD-Gliedkirchen lange vor sich hergeschoben, die Einrichtung zentraler Meldestellen auch.
Jetzt, fünfeinhalb Jahre, nachdem eine erste zentrale Studie die deutschen Katholiken aufwühlte, liegt eine erste große Arbeit für die evangelischen Landeskirchen und die Diakonie vor. Auch die Ergebnisse dieser Forum-Studie sind erschütternd. Und wie bei damals bei den Katholiken ist zu befürchten, dass das erst der Anfang eines quälenden Prozesses sein wird - zumal die Quellenbasis schmaler ist als seinerzeit auf katholischer Seite.
858 Personen hatten bisher Anträge auf Anerkennungsleistungen wegen sexualisierter Gewalt im Raum von evangelischer Kirche und Diakonie gestellt. Nach der Hochrechnung in der Studie dürfte es mehr als zehnmal so viele Betroffene geben.
Das heißt aber auch: Tausende Opfer haben bisher keinerlei Anerkennung erhalten, deren Höhe - durchschnittlich 15 000 Euro - ohnehin beschämend gering ist. Manche leben nicht mehr. Einige davon hätten die Kirchenleitungen noch erreichen können, wenn sie früher mit der Aufarbeitung begonnen hätten. Auch von den Beschuldigen sind etliche mittlerweile verstorben und können nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Immer wieder hat es bei der Aufarbeitung gehakt, man denke an die Absetzung des damaligen EKD-Betroffenenbeirats 2021. Das ist eine Zumutung für Betroffene. Aber auch die EKD-Kirchen selbst haben sich keinen Gefallen getan. Sie verstoßen gegen ihr Selbstverständnis und schaden ihrer Glaubwürdigkeit, wenn sie Konsequenzen auf die lange Bank schieben.
Der Anteil der Geistlichen unter den Beschuldigten ist zwar, so weit bekannt, geringer als auf katholischer Seite, aber der Verzicht auf den Zölibat schützt keinesfalls vor Missbrauch durch Geistliche: Zwei Drittel der beschuldigen evangelischen Pfarrer waren bei der Ersttat verheiratet. Sexualisierte Gewalt ist eben ein Problem der Gesellschaft in ihrer ganzen Breite. Dem müssen sich alle Organisationen stellen: Kirchen ebenso wie beispielsweise Sportverbände und Schulträger. Auch dort liegt noch viel im Argen.
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