TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Nach fast vier Monaten Gaza-Krieg gibt es neue Hoffnung auf eine längere Feuerpause und die Freilassung Dutzender Geiseln. Am Sonntag sollte in Paris ein Textentwurf der US-Regierung besprochen werden, der auf Vorschlägen Israels und der islamistischen Hamas fußt. Dies meldete die "New York Times" unter Berufung auf US-Regierungskreise. Laut dem Plan sollen die palästinensischen Extremisten mehr als 100 Geiseln freilassen und Israel dafür seinen Militäreinsatz im Gazastreifen für etwa zwei Monate stoppen. Für Empörung sorgte weiter die mutmaßliche Beteiligung von Mitarbeitern der Vereinten Nationen am Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober.
Schon während einer siebentägigen Feuerpause im November waren gefangen gehaltene israelische Kinder und Frauen gegen in Israel inhaftierte Palästinenser ausgetauscht worden. Doch etwas mehr als 130 Menschen sollen noch in der Gewalt der Terroristen sein - vor allem Männer und Soldaten. Aber auch zwei Kinder sowie 18 Frauen und eine 13-Jährige sollen darunter sein, wie auch mehrere Deutsche.
Nun könnte es mit den Gesprächen in Paris neue Bewegung geben: Laut "New York Times" will CIA-Geheimdienstchef William Burns dort mit Vertretern Israels, Ägyptens und Katars zusammentreffen. Dem Entwurf zufolge sollen in einer ersten Phase die Kämpfe für 30 Tage pausieren. In dieser Zeit solle die Hamas weibliche, ältere und verletzte Geiseln freilassen. Parallel dazu sollten beide Seiten über eine zweite Phase verhandeln, in der als Geiseln genommene israelische Männer und Soldaten im Gegenzug für weitere 30 Tage Feuerpause freigelassen würden.
Die Verhandler seien "vorsichtig optimistisch", hieß es. Unklar ist dem Bericht zufolge aber noch, wie viele inhaftierte Palästinenser Israel dafür freilassen müsste. Namentlich nicht genannte israelische Repräsentanten dämpften allerdings laut israelischen Medien auch klar die Erwartungen. Nach ihrer Darstellung geht es erstmal nur darum, ob es überhaupt eine Basis für einen Beginn von Verhandlungen gibt.
UN verlieren wichtige Geldgeber für Gaza-Hilfe
Wegen schwerer Vorwürfe gegen Beschäftigte des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA kündigten Deutschland und acht weitere Länder an, ihre Zahlungen an die Organisation vorerst einzustellen. Grund: Zwölf der mehreren Tausend UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen stehen im Verdacht, in die Attacke der Hamas am 7. Oktober verwickelt zu sein. Die Organisation entließ die verdächtigten Angestellten umgehend. Geschätzt 1200 Menschen kamen bei dem Massaker damals ums Leben, und die Terroristen verschleppten etwa 240 Menschen in den Gazastreifen.
UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich entsetzt und kündigte rasche Konsequenzen an. Von den zwölf Beschuldigten seien neun identifiziert und entlassen worden. Ein Mitarbeiter sei für tot erklärt worden. Die Identität der beiden anderen werde noch geklärt. Jeder UN-Mitarbeiter, der in Terrorakte verwickelt sei, werde zur Rechenschaft gezogen und auch strafrechtlich verfolgt.
Zugleich kritisierte Guterres aber den Zahlungsstopp der neun Staaten, darunter auch Großbritannien, Kanada und die USA. Die derzeitigen Mittel des UNRWA reichten nicht, um die gut zwei Millionen Zivilisten im Gazastreifen im Februar zu unterstützen. Auch der UNRWA-Chef, der Schweizer Philippe Lazzarini, warnte vor einem "Kollaps" der humanitären Hilfe.
Das 1949 gegründete Hilfswerk hat mehr als 30 000 Mitarbeiter, die meisten davon Palästinenser, und finanziert sich fast ausschließlich durch Spenden von UN-Mitgliedsstaaten. Es betreibt nach eigenen Angaben Unterkünfte für mehr als eine Million Menschen und stellt Nahrung und medizinische Grundversorgung bereit. Außer in den Palästinensergebieten ist UNRWA zum Beispiel auch in Jordanien und im Libanon tätig.
Der israelische Regierungssprecher Eylon Levy warf UNRWA vor, inzwischen eine "Front der Hamas" zu sein. "Es deckt die Hamas buchstäblich."
Das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium in Berlin erklärten, aktuell stünden ohnehin keine neuen Zusagen an das UNRWA an. Zugleich betonten die Ministerien, die Hilfe in der Krise laufe weiter: So habe man erst vor Tagen die Mittel für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und das UN-Kinderhilfswerk Unicef um sieben Millionen Euro aufgestockt.
Weiter schwere Kämpfe im Süden des Gazastreifens
Trotz der in Paris geplanten Vermittlungsgespräche gingen die heftigen Kämpfe im Gazastreifen weiter. Vor allem im Bereich von Chan Junis im Süden des zerbombten Küstengebiets gab es nach Angaben der israelischen Armee vom Sonntag erneut "intensive Gefechte". Man habe etliche Terroristen ausgeschaltet und große Mengen Waffen gefunden.
Angesichts massiver israelischer Angriffe sind Tausende Zivilisten aus dem Gebiet von Chan Junis in Richtung Rafah an der Grenze zu Ägypten geflüchtet. Hilfsorganisationen warnen immer wieder vor einer Hungersnot in dem blockierten Gebiet.
Nach Informationen der Zeitung "Wall Street Journal" sind vermutlich noch 60 bis 80 Prozent der unterirdischen Tunnel im Gazastreifen intakt. Das Netz sei schätzungweise mehr als 480 Kilometer lang. Israel vermutet, dass sich die Führung der Hamas im südlichen Tunnelnetz versteckt. Es gilt auch als wahrscheinlich, dass sie dort Geiseln festhält.
Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde binnen 24 Stunden mindestens 165 Palästinenser getötet. Rund 290 weitere seien verletzt worden, hieß es am Sonntag. Damit sei die Zahl der seit Beginn des Krieges am 7. Oktober getöteten Menschen auf mindestens 26 422 gestiegen. Mehr als 65 000 weitere seien verletzt worden. Die Zahlen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Nach Angaben eines Sprechers der Gesundheitsbehörde sind viele Tote noch unter Trümmern begraben oder liegen auf den Straßen. Wegen der Kämpfe könnten Retter und Zivilschutz häufig nicht zu ihnen.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Auf israelischer Seite sind dabei 1200 Menschen getötet worden./toz/DP/jha