Berlin - Aus der Bundestagsfraktion der SPD kommt der Vorwurf an Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), dass sie sich zu wenig dem Thema sexualisierte Gewalt und deren Aufarbeitung widme. "Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken und die staatlichen Institutionen zu stärken", heißt es in einem Brief, den der amtierende Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Lars Castellucci (SPD), der Ministerin übermittelt hat und über den die FAZ berichtet.
"Bis heute warten wir auf eine Initiative aus Ihrem Haus", heißt es darin. Tatsächlich hatte sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 darauf verständigt, das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und eine Berichtspflicht an den Bundestag einzuführen.
Ein entsprechender Gesetzesentwurf hat den Bundestag jedoch noch nicht erreicht, obwohl er um Ostern des vergangenen Jahres im federführenden Bundesfamilienministerium fertiggestellt wurde. Getan hat sich seither nicht viel. Erst seit Anfang Dezember befindet er sich als Referentenentwurf in der interministeriellen Abstimmung.
Das Fass zum Überlaufen brachten jetzt die positiven Einschätzungen des Standes der Aufarbeitung, die die Familienministerin in der vergangenen Woche nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gefunden hatte. Castellucci widersprach der Ministerin nicht nur in der Sache, sondern im Grundsatz: "Es reicht nicht, wenn Politik bei jeder neuen Veröffentlichung nur die immer gleiche Betroffenheit äußert, es braucht entschlosseneres Handeln."
Konkret dringt Castellucci gegenüber der Grünen-Politikerin auf die Etablierung von verbindlichen Vorgaben für die Aufarbeitung in Institutionen, ein staatliches Monitoring und Konsequenzen für den Fall, dass vereinbarte Standards nicht eingehalten werden. Der richtige Ort dafür sei die bislang ehrenamtlich arbeitende Unabhängige Aufarbeitungskommission. Diese müsse zusammen mit dem Amt der UBSKM endlich gesetzlich verankert und in diesem Zug "deutlich gestärkt" und "besser ausgestattet" werden.
Für die Kommission heiße das unter anderem, dass sie ein Initiativrecht erhalten müsse, damit Aufarbeitung nicht länger in das Belieben von Organisationen gestellt sei. Außerdem müssten Institutionen gegenüber der Kommission rechenschaftspflichtig werden.
Das Amt der Missbrauchsbeauftragten wiederum müsse so ausgestaltet werden, dass es mit einer regelmäßigen Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag, einer Debatte im Plenum und einer Überweisung in die Ausschüsse einhergehe. Der Bundestag, so Castellucci, sei auch der Ort, an dem es eine Gedenkveranstaltung angesichts sexueller Gewalt geben müsse.
Das ist insofern ein heikles Vorhaben, als deren Ausmaß in Deutschland nicht einmal näherungsweise bekannt ist. Keine Bundes- oder Landesregierung hat sich bisher bereitgefunden, eine sogenannte Dunkelfeldstudie erarbeiten zu lassen, die den wahren Umfang von sexualisierter Gewalt aufdeckte und eine Datengrundlage böte, die ihrerseits die Basis für Präventionsstrategien sein könnte.
Längst überfällig ist nach Castelluccis Ansicht auch die gesetzliche Regelung eines individuellen Rechts auf Aufarbeitung, einschließlich eines "verbindlichen Rahmens". Dazu brauche es weitgehende Informationsrechte sowie Maßgaben für die Einsicht in Akten bis hin zu längeren Aufbewahrungsfristen - was allerdings im FDP-geführten Bundesjustizministerium nicht auf Begeisterung stoßen dürfte.
Im FDP-geführten Finanzministerium wiederum dürfte die Einschätzung Castelluccis aufhorchen lassen, dass der Gesetzgeber wohl nicht umhinkönne, den 2013 eingerichteten Fonds Sexueller Missbrauch aufzustocken. "Für diese Vorhaben bitte ich Sie um Unterstützung", schreibt der SPD-Innenpolitiker abschließend. "Wir dürfen nicht länger hinterherschimpfen, wenn Aufarbeitung unterbleibt oder unzulänglich erfolgt, wir müssen auch vor dem Hintergrund des langwährenden Versagens staatlicher Aufsicht unserer eigenen Verantwortung gerecht werden."
"Bis heute warten wir auf eine Initiative aus Ihrem Haus", heißt es darin. Tatsächlich hatte sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 darauf verständigt, das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und eine Berichtspflicht an den Bundestag einzuführen.
Ein entsprechender Gesetzesentwurf hat den Bundestag jedoch noch nicht erreicht, obwohl er um Ostern des vergangenen Jahres im federführenden Bundesfamilienministerium fertiggestellt wurde. Getan hat sich seither nicht viel. Erst seit Anfang Dezember befindet er sich als Referentenentwurf in der interministeriellen Abstimmung.
Das Fass zum Überlaufen brachten jetzt die positiven Einschätzungen des Standes der Aufarbeitung, die die Familienministerin in der vergangenen Woche nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gefunden hatte. Castellucci widersprach der Ministerin nicht nur in der Sache, sondern im Grundsatz: "Es reicht nicht, wenn Politik bei jeder neuen Veröffentlichung nur die immer gleiche Betroffenheit äußert, es braucht entschlosseneres Handeln."
Konkret dringt Castellucci gegenüber der Grünen-Politikerin auf die Etablierung von verbindlichen Vorgaben für die Aufarbeitung in Institutionen, ein staatliches Monitoring und Konsequenzen für den Fall, dass vereinbarte Standards nicht eingehalten werden. Der richtige Ort dafür sei die bislang ehrenamtlich arbeitende Unabhängige Aufarbeitungskommission. Diese müsse zusammen mit dem Amt der UBSKM endlich gesetzlich verankert und in diesem Zug "deutlich gestärkt" und "besser ausgestattet" werden.
Für die Kommission heiße das unter anderem, dass sie ein Initiativrecht erhalten müsse, damit Aufarbeitung nicht länger in das Belieben von Organisationen gestellt sei. Außerdem müssten Institutionen gegenüber der Kommission rechenschaftspflichtig werden.
Das Amt der Missbrauchsbeauftragten wiederum müsse so ausgestaltet werden, dass es mit einer regelmäßigen Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag, einer Debatte im Plenum und einer Überweisung in die Ausschüsse einhergehe. Der Bundestag, so Castellucci, sei auch der Ort, an dem es eine Gedenkveranstaltung angesichts sexueller Gewalt geben müsse.
Das ist insofern ein heikles Vorhaben, als deren Ausmaß in Deutschland nicht einmal näherungsweise bekannt ist. Keine Bundes- oder Landesregierung hat sich bisher bereitgefunden, eine sogenannte Dunkelfeldstudie erarbeiten zu lassen, die den wahren Umfang von sexualisierter Gewalt aufdeckte und eine Datengrundlage böte, die ihrerseits die Basis für Präventionsstrategien sein könnte.
Längst überfällig ist nach Castelluccis Ansicht auch die gesetzliche Regelung eines individuellen Rechts auf Aufarbeitung, einschließlich eines "verbindlichen Rahmens". Dazu brauche es weitgehende Informationsrechte sowie Maßgaben für die Einsicht in Akten bis hin zu längeren Aufbewahrungsfristen - was allerdings im FDP-geführten Bundesjustizministerium nicht auf Begeisterung stoßen dürfte.
Im FDP-geführten Finanzministerium wiederum dürfte die Einschätzung Castelluccis aufhorchen lassen, dass der Gesetzgeber wohl nicht umhinkönne, den 2013 eingerichteten Fonds Sexueller Missbrauch aufzustocken. "Für diese Vorhaben bitte ich Sie um Unterstützung", schreibt der SPD-Innenpolitiker abschließend. "Wir dürfen nicht länger hinterherschimpfen, wenn Aufarbeitung unterbleibt oder unzulänglich erfolgt, wir müssen auch vor dem Hintergrund des langwährenden Versagens staatlicher Aufsicht unserer eigenen Verantwortung gerecht werden."
© 2024 dts Nachrichtenagentur