Berlin (ots) -
Er kann ja, wenn er denn will. Am Mittwoch immerhin schien er zu wollen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag einen ziemlich beeindruckenden Auftritt hingelegt. Zumindest für seine Verhältnisse. Mehrfache Blutgrätsche gegen CDU-Chef Friedrich Merz und die AfD, eine vehemente Verteidigung bisheriger Ampel-Beschlüsse, klare Ansagen in Sachen Europa und Ukraine: So energisch und kampfeslustig hat man den Regierungschef seit Langem nicht gesehen. Seine rechte Hand war immer wieder zur Faust geballt - als wollte er auf den Tisch hauen und dem politischen Gegner ordentlich einen mitgeben.
Es ist offenkundig: Olaf Scholz versucht gerade, den Schalter umzulegen und mit seiner maroden Ampelkoalition wieder in eine Vorwärtsbewegung zu kommen. Der Auftritt im Bundestag, dem eine eher staatsmännische Rede des christdemokratischen Oppositionsführers vorausgegangen war, war der letzte Beleg dafür. In einem Interview hatte Scholz zuletzt bereits angedeutet, dass er verstanden habe: Die Koalitionspartner und die Bürger erwarten von ihm mehr Führung und mehr Kommunikation. Es reicht nicht, wie bisher Politik mit der Attitüde des Besserwissers zu machen.
Wie lange die neue Selbsterkenntnis und der neue Elan des Kanzlers tragen werden, wird man sehen müssen. Scholz ist seit vielen Jahren für seinen Eigensinn bekannt. Er umgibt sich mit Fanboys, Beratungsfähigkeit gilt nicht als seine Stärke.
Der Zustand des Landes und der Berliner Ampelkoalition allerdings erfordern tatsächlich einen Neustart. Das rot-grün-gelbe Bündnis ist bei der Mehrheit der Wähler unten durch. Es wäre vermessen, ihm allein die Verantwortung für Minuswachstum und den Aufstieg extremer Kräfte vom rechten und linken Rand zuzuweisen. Aber einen gewichtigen Beitrag zum Frust im Land liefert die Ampel mit ihrer chronischen Zerstrittenheit und fragwürdigen Projekten allemal. So, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Das scheint endlich auch der Kanzler begriffen zu haben: Die Legislaturperiode dauert noch mehr als anderthalb Jahre. Alternative Bündnisse sind nicht in Sicht.
Doch Scholz' Auftritt am Mittwoch förderte noch eine weitere Erkenntnis zutage: Der Kanzler scheint davon auszugehen, dass er in absehbarer Zeit vor allem als Außenpolitiker gefordert sein wird. Ein erheblicher Teil seiner Rede drehte sich um die Notwendigkeit, die angegriffene Ukraine nach Kräften weiter zu unterstützen. Das zielt auf die Partner in Europa, die nach Auffassung des Kanzlers in Sachen Waffen- und Munitionslieferungen bei Weitem nicht so viel tun, wie sie könnten.
Scholz ließ im Bundestag sogar den Gedanken zu, was eigentlich passieren würde, wenn es Ende des Jahres in den USA zu einem Machtwechsel kommen und der Putin-Bewunderer Donald Trump die Wahl gewinnen sollte. Deutschland allein werde den notwendigen Nachschub für die Ukraine nicht gewährleisten können, mahnte der Kanzler. Hier wird er in Europa viel Überzeugungsarbeit leisten müssen - beim EU-Gipfel am Donnerstag und darüber hinaus.
Man muss der Ampel und dem Kanzler zugutehalten, dass das Regieren in den letzten zwei Jahren angesichts der weltpolitischen Umstände außergewöhnlich schwierig war. Wenn Olaf Scholz sich jetzt neu erfinden will, sollte er sich allerdings einer Sache bewusst sein: Leichter werden die Dinge in absehbarer Zeit nicht - weder im Inland noch im Ausland.
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Er kann ja, wenn er denn will. Am Mittwoch immerhin schien er zu wollen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag einen ziemlich beeindruckenden Auftritt hingelegt. Zumindest für seine Verhältnisse. Mehrfache Blutgrätsche gegen CDU-Chef Friedrich Merz und die AfD, eine vehemente Verteidigung bisheriger Ampel-Beschlüsse, klare Ansagen in Sachen Europa und Ukraine: So energisch und kampfeslustig hat man den Regierungschef seit Langem nicht gesehen. Seine rechte Hand war immer wieder zur Faust geballt - als wollte er auf den Tisch hauen und dem politischen Gegner ordentlich einen mitgeben.
Es ist offenkundig: Olaf Scholz versucht gerade, den Schalter umzulegen und mit seiner maroden Ampelkoalition wieder in eine Vorwärtsbewegung zu kommen. Der Auftritt im Bundestag, dem eine eher staatsmännische Rede des christdemokratischen Oppositionsführers vorausgegangen war, war der letzte Beleg dafür. In einem Interview hatte Scholz zuletzt bereits angedeutet, dass er verstanden habe: Die Koalitionspartner und die Bürger erwarten von ihm mehr Führung und mehr Kommunikation. Es reicht nicht, wie bisher Politik mit der Attitüde des Besserwissers zu machen.
Wie lange die neue Selbsterkenntnis und der neue Elan des Kanzlers tragen werden, wird man sehen müssen. Scholz ist seit vielen Jahren für seinen Eigensinn bekannt. Er umgibt sich mit Fanboys, Beratungsfähigkeit gilt nicht als seine Stärke.
Der Zustand des Landes und der Berliner Ampelkoalition allerdings erfordern tatsächlich einen Neustart. Das rot-grün-gelbe Bündnis ist bei der Mehrheit der Wähler unten durch. Es wäre vermessen, ihm allein die Verantwortung für Minuswachstum und den Aufstieg extremer Kräfte vom rechten und linken Rand zuzuweisen. Aber einen gewichtigen Beitrag zum Frust im Land liefert die Ampel mit ihrer chronischen Zerstrittenheit und fragwürdigen Projekten allemal. So, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Das scheint endlich auch der Kanzler begriffen zu haben: Die Legislaturperiode dauert noch mehr als anderthalb Jahre. Alternative Bündnisse sind nicht in Sicht.
Doch Scholz' Auftritt am Mittwoch förderte noch eine weitere Erkenntnis zutage: Der Kanzler scheint davon auszugehen, dass er in absehbarer Zeit vor allem als Außenpolitiker gefordert sein wird. Ein erheblicher Teil seiner Rede drehte sich um die Notwendigkeit, die angegriffene Ukraine nach Kräften weiter zu unterstützen. Das zielt auf die Partner in Europa, die nach Auffassung des Kanzlers in Sachen Waffen- und Munitionslieferungen bei Weitem nicht so viel tun, wie sie könnten.
Scholz ließ im Bundestag sogar den Gedanken zu, was eigentlich passieren würde, wenn es Ende des Jahres in den USA zu einem Machtwechsel kommen und der Putin-Bewunderer Donald Trump die Wahl gewinnen sollte. Deutschland allein werde den notwendigen Nachschub für die Ukraine nicht gewährleisten können, mahnte der Kanzler. Hier wird er in Europa viel Überzeugungsarbeit leisten müssen - beim EU-Gipfel am Donnerstag und darüber hinaus.
Man muss der Ampel und dem Kanzler zugutehalten, dass das Regieren in den letzten zwei Jahren angesichts der weltpolitischen Umstände außergewöhnlich schwierig war. Wenn Olaf Scholz sich jetzt neu erfinden will, sollte er sich allerdings einer Sache bewusst sein: Leichter werden die Dinge in absehbarer Zeit nicht - weder im Inland noch im Ausland.
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