Berlin (ots) -
Gehören Sie zu den Berlinerinnen und Berlinern, die heute erneut wählen dürfen? Dann ist Ihnen zu wünschen, dass Sie wissen, wo Sie Ihr Kreuz machen wollen. Denn diese Wiederholungswahl ist deutlich kurioser als eine normale Bundestagswahl.
Zunächst einmal: 550.000 Wahlberechtigte stimmen ab, als hätten sie noch gar nicht gewählt. Sie haben heute wie immer eine Zweit- und eine Erststimme. Die Kandidaten sind die gleichen geblieben. Es steht alles auf null.
Alles andere ist dann nicht mehr normal. Mitten in der Wahlperiode gibt es logischerweise keinerlei Wahlprogramme. Frierende Wahlkämpfer auf winterlichen Berliner Straßen verteilten Flyer, die eine Mischung sind aus Bilanzziehen und Versprechen, die längst umgesetzt sein könnten. In Teilen wurden sogar Wahlplakate aus dem Jahr 2021 recycelt.
Betrachtet man es nüchtern, wäre ein groß angelegter Wahlkampf ja auch unsinnig gewesen. Immerhin haben wir eine bestehende Regierung, einen regierenden Kanzler. Dieser wird durch die Neuauszählung von 0,91 Prozent aller Stimmen auch nicht aus dem Amt entfernt. Die meisten Kandidaten sitzen entweder schon im Parlament - oder sie haben auch diesmal wenig Chancen, in den Bundestag einzuziehen. In den vergangenen zwei Jahren haben sich auch ganz praktisch Dinge verändert, die diese Wahl absonderlich wirken lassen. Soll ich meine Stimme einer Politikerin geben, die inzwischen Verantwortung als stellvertretende Bezirksbürgermeisterin trägt? Oder gar einer AfD-Politikerin, die inzwischen im Gefängnis sitzt?
Eines darf bei dieser Wahl nicht passieren. Wenn wegen Kuriositäten und Mangel an bundespolitischer Relevanz nur wenige Menschen zur Wahl gehen, wird sich eines tatsächlich ändern: Die Anzahl der Abgeordneten, die für Berlin überhaupt im Bundestag sitzen. Bei der Bundestagswahl vor zweieinhalb Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 75,2 Prozent.
Diesmal könnten deutlich weniger Menschen zur Wahl gehen. Dann wird Berlin einige seiner 29 Bundestagsabgeordneten verlieren. Wie viele Abgeordnete betroffen sind, ist schwer auszumachen, Details stehen voraussichtlich erst am Montag fest. Am Ende könnten aber drei bis vier Berliner weniger im Parlament vertreten sein - über alle Parteigrenzen hinweg. Das allein ist schon Grund genug, zur Wahl zu gehen. Sonst verlieren wir alle.
Aus dieser Wiederholung können wir lernen. Zwei Jahre hat das Wahlprüfungsverfahren gedauert, das Bundesverfassungsgericht musste als oberste Instanz entscheiden, wie die Wiederholungswahl ablaufen soll. Das dauerte alles viel zu lange. Wenn die Hälfte einer Legislatur vergangen ist, bis Fehler korrigiert werden, ist die Wiederholung zur Hälfte ihrer Sinnhaftigkeit beraubt.
Was wäre, wenn eine Bundestagswahl wirklich in größerem Umfang ungültig wäre? In der Zwischenzeit hätte eine Regierung ausreichend Zeit, um munter zu regieren, und das ohne demokratische Legitimation. Das klingt heute hypothetisch. Morgen kann es praktisch relevant werden.
Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag an die Politik. Eine solche Wahlprüfung darf künftig nicht länger dauern als ein paar Monate. Diese Wiederholungswahl ist ein Lehrstück dafür, wie es nicht laufen darf. Dieses Problems muss sich der Bundestag dringend annehmen. Ab morgen womöglich mit einigen Berliner Abgeordneten weniger.
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Gehören Sie zu den Berlinerinnen und Berlinern, die heute erneut wählen dürfen? Dann ist Ihnen zu wünschen, dass Sie wissen, wo Sie Ihr Kreuz machen wollen. Denn diese Wiederholungswahl ist deutlich kurioser als eine normale Bundestagswahl.
Zunächst einmal: 550.000 Wahlberechtigte stimmen ab, als hätten sie noch gar nicht gewählt. Sie haben heute wie immer eine Zweit- und eine Erststimme. Die Kandidaten sind die gleichen geblieben. Es steht alles auf null.
Alles andere ist dann nicht mehr normal. Mitten in der Wahlperiode gibt es logischerweise keinerlei Wahlprogramme. Frierende Wahlkämpfer auf winterlichen Berliner Straßen verteilten Flyer, die eine Mischung sind aus Bilanzziehen und Versprechen, die längst umgesetzt sein könnten. In Teilen wurden sogar Wahlplakate aus dem Jahr 2021 recycelt.
Betrachtet man es nüchtern, wäre ein groß angelegter Wahlkampf ja auch unsinnig gewesen. Immerhin haben wir eine bestehende Regierung, einen regierenden Kanzler. Dieser wird durch die Neuauszählung von 0,91 Prozent aller Stimmen auch nicht aus dem Amt entfernt. Die meisten Kandidaten sitzen entweder schon im Parlament - oder sie haben auch diesmal wenig Chancen, in den Bundestag einzuziehen. In den vergangenen zwei Jahren haben sich auch ganz praktisch Dinge verändert, die diese Wahl absonderlich wirken lassen. Soll ich meine Stimme einer Politikerin geben, die inzwischen Verantwortung als stellvertretende Bezirksbürgermeisterin trägt? Oder gar einer AfD-Politikerin, die inzwischen im Gefängnis sitzt?
Eines darf bei dieser Wahl nicht passieren. Wenn wegen Kuriositäten und Mangel an bundespolitischer Relevanz nur wenige Menschen zur Wahl gehen, wird sich eines tatsächlich ändern: Die Anzahl der Abgeordneten, die für Berlin überhaupt im Bundestag sitzen. Bei der Bundestagswahl vor zweieinhalb Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 75,2 Prozent.
Diesmal könnten deutlich weniger Menschen zur Wahl gehen. Dann wird Berlin einige seiner 29 Bundestagsabgeordneten verlieren. Wie viele Abgeordnete betroffen sind, ist schwer auszumachen, Details stehen voraussichtlich erst am Montag fest. Am Ende könnten aber drei bis vier Berliner weniger im Parlament vertreten sein - über alle Parteigrenzen hinweg. Das allein ist schon Grund genug, zur Wahl zu gehen. Sonst verlieren wir alle.
Aus dieser Wiederholung können wir lernen. Zwei Jahre hat das Wahlprüfungsverfahren gedauert, das Bundesverfassungsgericht musste als oberste Instanz entscheiden, wie die Wiederholungswahl ablaufen soll. Das dauerte alles viel zu lange. Wenn die Hälfte einer Legislatur vergangen ist, bis Fehler korrigiert werden, ist die Wiederholung zur Hälfte ihrer Sinnhaftigkeit beraubt.
Was wäre, wenn eine Bundestagswahl wirklich in größerem Umfang ungültig wäre? In der Zwischenzeit hätte eine Regierung ausreichend Zeit, um munter zu regieren, und das ohne demokratische Legitimation. Das klingt heute hypothetisch. Morgen kann es praktisch relevant werden.
Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag an die Politik. Eine solche Wahlprüfung darf künftig nicht länger dauern als ein paar Monate. Diese Wiederholungswahl ist ein Lehrstück dafür, wie es nicht laufen darf. Dieses Problems muss sich der Bundestag dringend annehmen. Ab morgen womöglich mit einigen Berliner Abgeordneten weniger.
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