WASHINGTON/CONWAY/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump würde Nato-Partnern, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen, nach eigenen Angaben keinen Schutz vor Russland gewähren. Das machte der ehemalige US-Präsident bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat South Carolina deutlich. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte daraufhin am Sonntag: "Jede Andeutung, dass die Verbündeten sich nicht gegenseitig verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der USA, und erhöht das Risiko für amerikanische und europäische Soldaten."
Der ehemalige Präsident Trump hatte bei dem Auftritt am Samstag (Ortszeit) gesagt, der "Präsident eines großen Landes" habe ihn einmal gefragt, ob die USA dieses Land auch dann noch vor Russland beschützen würden, wenn es die Verteidigungsausgaben nicht zahle. Er habe geantwortet: "Nein, ich würde Euch nicht beschützen." Vielmehr noch: Er würde Russland "sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen". Es war dabei unklar, ob es jemals so ein Gespräch zwischen Trump und einem Staatschef gegeben hat, denn der Republikaner sagte auch: "Nehmen wir an, das ist passiert."
Das Weiße Haus von US-Präsident Joe Biden reagierte umgehend. "Angriffe eines mörderischen Regimes auf unsere engsten Alliierten zu ermutigen, ist ungeheuerlich und vollkommen verrückt", erklärte Sprecher Andrew Bates am Samstag in einer Mitteilung. "Es gefährdet die nationale Sicherheit Amerikas, die globale Stabilität und unsere Wirtschaft im Inland."
EU-Ratspräsident Charles Michel kritisierte, dass "rücksichtslose Äußerungen" über die Sicherheit der Nato nur den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putin dienten. Auch aus Polen, das einer der engsten US-Verbündeten in Europa ist und derzeit überdurchschnittlich viel in die eigene Rüstung investiert, kam Kritik. Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz betonte: "Kein Wahlkampf darf ein Vorwand sein, um mit der Sicherheit des Bündnisses zu spielen." Der Nato-Grundsatz "Einer für alle, alle für einen" sei "eine konkrete Verpflichtung".
In Artikel 5 des Nordatlantikvertrags haben sich die Nato-Partner verpflichtet, sich bei einem bewaffneten Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen Beistand zu leisten.
Stoltenberg formulierte die Erwartung, dass die USA unabhängig davon, wer die Präsidentschaftswahl gewinnt, "ein starker und engagierter Nato-Verbündeter bleiben werden". Er versicherte zudem, die Nato sei bereit und in der Lage, alle Bündnispartner zu verteidigen. "Jedem Angriff auf die Nato wird mit einer vereinten und energischen Antwort begegnet."
Zuletzt war der Nato-Generalsekretär bei einem Besuch in Washington Befürchtungen entgegengetreten, dass der Ausgang der US-Präsidentenwahl die Zukunft der Nato gefährden könnte. Er habe vier Jahre lang mit Trump zusammengearbeitet und ihm aufmerksam zugehört, sagte Stoltenberg Ende Januar dem US-Sender CNN. Trumps Hauptkritik, dass die Bündnispartner zu wenig für die Nato ausgeben, sei angekommen. So hätten sie in den vergangenen Jahren ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöht.
Trump, der von 2017 bis 2021 im Weißen Haus regierte, drohte immer wieder mit dem Rückzug der USA aus dem Verteidigungsbündnis. Wie die "Washington Post" berichtete, erwähnte er bereits bei einer Veranstaltung im Jahr 2022 ein Treffen, bei dem er Nato-Partnern gesagt habe, er werde sich nicht an die Bündnisverpflichtung zur Verteidigung halten, wenn die Länder nicht mehr für ihren Verteidigungshaushalt ausgäben. Demnach handelt es sich womöglich um eine Anspielung auf eine Aussage Trumps auf dem Nato-Gipfel 2018. Trumps Worte vom Samstag sind laut "Washington Post" eine Eskalation dieser Drohung.
Der Republikaner will im November dieses Jahres wieder zum Präsidenten gewählt werden und kämpft bei den Vorwahlen seiner Partei um die Kandidatur. Er wirbt unter anderem damit, eine grundlegende Neubewertung der Nato weiterführen zu wollen.
Bei der Wahlkampfveranstaltung in South Carolina kündigte Trump außerdem erneut an, Menschen im großen Stil abzuschieben. Die irreguläre Einwanderung ist eines der dominierenden Themen im US-Wahlkampf. Ein oft genutztes Argument auf republikanischer Seite lautet, Steuergelder sollten nicht zum Schutz anderer Länder - etwa der Ukraine - ausgegeben werden, sondern für den Schutz der eigenen Grenze./sku/DP/men