(neu: Kursreaktion aktualisiert)
HANNOVER (dpa-AFX) - Der weltgrößte Reisekonzern Tui nimmt dank einer starken Urlaubsnachfrage Kurs auf Geschäfte wie vor der Corona-Pandemie. Die Reisebuchungen für Winter und Sommer lägen acht Prozent höher als vor einem Jahr, teilte Tui vor der Hauptversammlung am Dienstag in Hannover mit. Für das laufende Finanzjahr 2023/24 rechnet Vorstandschef Sebastian Ebel im Tagesgeschäft weiter mit einem Rekordgewinn. Finanzvorstand Mathias Kiep wollte sich jedoch nicht festlegen, ob diesmal wirklich mehr Gäste mit Tui verreisen als vor der Corona-Krise.
Am Finanzmarkt kam die jüngste Geschäftsentwicklung nur anfänglich gut an: Kurz nach Handelsbeginn legten die Tui-Aktien in Frankfurt um mehr acht Prozent zu. Danach ging es jedoch deutlich abwärts, und am Nachmittag lag ihr Kurs zuletzt mit rund sechs Prozent im Minus. Dabei zeigten sich Analysten von den jüngsten Geschäftszahlen positiv überrascht.
Denn dem Konzern ist im üblicherweise verlustreichen Quartal von Oktober bis Dezember ein operativer Gewinn gelungen: Vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten (bereinigtes Ebit) stand ein Plus von 6 Millionen Euro nach einem Minus von 153 Millionen ein Jahr zuvor.
Im abgelaufenen Quartal reisten nicht nur sechs Prozent mehr Gäste mit Tui - sie gaben auch im Schnitt mehr Geld für ihren Urlaub aus als ein Jahr zuvor. Der Umsatz wuchs im Jahresvergleich um 15 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro. Der auf die Aktionäre entfallende Nettoverlust halbierte sich in etwa auf knapp 123 Millionen Euro. Reiseunternehmen schreiben im Winter in der Regel rote Zahlen. Ihre Gewinne fahren sie in der Hauptreisezeit im Sommer ein.
Und dafür sieht es nach Einschätzung des Managements gut aus. Denn die Kunden haben für Winter und Sommer bisher nicht nur acht Prozent mehr Reisen bei Tui gebucht als vor einem Jahr. Sie geben nach bisherigen Zahlen im Schnitt auch vier Prozent mehr dafür aus.
Wenn das Geschäft weiter so wachse, steuere Tui bei den Gästezahlen auf das Niveau von 2019 zu, sagte Finanzchef Kiep. Im vergangenen Geschäftsjahr war der Konzern mit rund 19 Millionen Gästen noch klar unter den 20,5 Millionen aus der Zeit vor der Krise geblieben. Der Geschäftseinbruch infolge der Pandemie hatte Tui im Jahr 2020 in eine Existenzkrise gestürzt. Der deutsche Staat rettete den Konzern mit Milliardenhilfen vor dem Untergang.
Inzwischen sieht sich Tui wieder im Aufwind. Im laufenden Geschäftsjahr bis Ende September wollen Ebel und Kiep den operativen Gewinn vor Sondereffekten (bereinigtes Ebit) um mindestens ein Viertel steigern. Nach 977 Millionen im Vorjahr würde Tui damit ein operatives Rekordergebnis von 1,2 Milliarden Euro einfahren. Mittelfristig soll der operative Gewinn im jährlichen Schnitt um 7 bis 10 Prozent wachsen.
Schwer zu tragen hat der Konzern noch an seiner Schuldenlast aus der Corona-Krise. Ende Dezember lag die Nettoverschuldung mit knapp 4 Milliarden Euro rund 1,3 Milliarden niedriger als ein Jahr zuvor. Dies lag vor allem an dem Geld aus einer Kapitalerhöhung von vergangenem Frühjahr. Mittelfristig will der Vorstand die Schulden weiter abbauen, um die Zinslast zu senken und Geld für Investitionen freizubekommen. Denn die Finanzaufwendungen schlugen allein im abgelaufenen Quartal mit mehr als 120 Millionen Euro zu Buche.
Unterdessen muss sich Tui wieder einmal gegen Probleme des Flugzeugherstellers Boeing wappnen. Weil sich die Auslieferung neuer Mittelstreckenjets aus der 737-Max-Reihe weiter verzögert, hat der Reiseanbieter laut Ebel Leasingverträge für ältere Jets in der Konzernflotte verlängert. Er erwarte daher keine Flugstreichungen, sagte der Manager.
Boeing muss sich nach einem Beinahe-Unglück einer 737-9 Max verschärften Kontrollen der US-Luftfahrtbehörde FAA stellen. Zudem darf der Hersteller die Produktion der gesamten 737-Max-Reihe vorerst nicht weiter hochfahren.
Tui habe noch knapp 60 Maschinen der Reihe zu bekommen, berichtete Ebel. Darunter befinde sich jedoch nicht die Variante 737-9 Max, bei der auf einem Flug von Alaska Airlines Anfang Januar ein Rumpfteil herausgesprungen war. Tui habe nur die Versionen 737-8 und 737-10 bestellt. Mit der Lieferung der Langversion 737-10 rechnet er jedoch erst für 2025 oder 2026. Bisher fehlt der Variante die behördliche Zulassung.
Noch an diesem Dienstag sollen die Tui-Aktionäre den Weg für einen Umzug der Börsennotierung von London nach Frankfurt freimachen. Denn anders als vor dem Brexit wechseln mehr als drei Viertel der Tui-Papiere des Konzerns inzwischen in Deutschland den Besitzer. Zudem gehören mehr als drei Viertel der Tui-Aktien Anlegern aus der Europäischen Union. Tui hatte die Hauptnotierung der Aktie einst wegen der Verschmelzung mit der damaligen Veranstaltertochter Tui Travel nach London verlegt.
Um das dortige Listing zu beenden, braucht die Tui-Führung die Zustimmung von Anteilseignern mit 75 Prozent der Stimmen. Wenn es klappt, soll die Tui-Aktie laut Finanzchef Kiep Anfang April in den Prime Standard der deutschen Börse aufgenommen werden. Voraussichtlich im Juni werde sie dann in den MDax einziehen, den Index der mittelgroßen Werte.
Die Tui-Spitze verspricht sich von dem Wechsel einfachere Strukturen und Vorteile für die Eigentumsverhältnisse der konzerneigenen Fluggesellschaften. Deren Verkehrsrechte hängen davon ab, ob Tui mehrheitlich im Eigentum von Aktionären aus der Europäischen Union ist. Diese Quote sei für die europäischen Airlines jedoch "nicht mal im Ansatz ein Problem", sagte Ebel in einer Videokonferenz. Für die britische Tui Airways stellt sich das Problem dank lockerer Regelungen in Großbritannien umgekehrt nicht./stw/he