14.02.2024 -
Berichtssaison (bislang) enttäuschend
Erstmals seit zehn Jahren liegen die europäischen Unternehmen mit ihren Ergebnissen unter den Konsensprognosen. Die negativen Überraschungen bewegen sich jedoch in einer Größenordnung von lediglich 2%, also kein unmittelbarer Grund zur Panik. Allerdings stellt sich die Frage, wie nachhaltig die Margen zu diesem Zeitpunkt des Zyklus sind. In den USA lag die operative Marge der Unternehmen im S&P 500-Index im Jahr 2019 bei über 13%, 2025 wird sie voraussichtlich auf über 17% steigen. Während der Covid-Pandemie im Jahr 2020 war diese Marge zeitweise auf 10% gesunken.
Nettomarge weiterhin auf hohem Niveau
Wirklich überraschend ist jedoch die Entwicklung der Nettomarge. Angesichts höherer Zinsen und der damit verbundenen höheren Finanzierungskosten hätte die Nettomarge eigentlich schrumpfen müssen. Stattdessen ist sie sogar leicht gestiegen. Hieran hatten zwar auch die staatliche Unterstützung in der Pandemie, die von Zentralbankmaßnahmen flankierte Fiskalpolitik und die kräftige Konsumlaune der Verbraucher ihren Anteil - einer der Hauptgründe für diese Entwicklung liegt jedoch in der Laufzeitinkongruenz zwischen Aktiva und Passiva. Da die Verbindlichkeiten eine längere Laufzeit aufweisen als die Aktiva (überwiegend Bargeld und bargeldähnliche Mittel), konnten die Unternehmen die höheren Finanzierungskosten durch die Rendite ihrer Aktiva mehr als kompensieren. Die Inversion der Zinskurve generiert also weiter positive Cashflows, weil die kurzfristigen Zinsen höher als die langfristigen sind.
Welches sind die maßgeblichen Faktoren für das Margenwachstum?
1. Wirtschaftswachstum
2. Preissteigerungen bei Gütern und Dienstleistungen
3. Lohnstückkosten
4. Produktivitätssteigerungen
5. Preissetzungsmacht
6. Steuern und Regulierung
Sind die momentanen Margenniveaus denn nachhaltig?
Unser Basisszenario basiert auf einer moderaten Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums ("soft landing") und einer Quasi-Stagnation in Europa. Unter diesen Rahmenbedingungen dürfte ein Margenwachstum auf breiter Front kaum möglich sein. Allerdings bestehen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren - nicht immer bedeutet ein "soft landing"-Szenario zwangsläufig sinkende Margen. So unterscheiden sich die Gewinnerwartungen im Technologiesektor beispielsweise klar von denjenigen im Chemiesektor, der nach dem starken Anstieg der Energiekosten immer noch unter Druck steht. Eine gründliche Fundamentalanalyse ist unerlässlich, um Unternehmen zu identifizieren, die stärker vom Zyklus profitieren. Nach der Reihe von Schocks der letzten Jahre befinden wir uns konjunkturell immer noch in einer Phase der Beruhigung der Inflation, nachdem die Verbraucherpreisinflation in den USA von einem Höchststand von fast 10% auf 3,10% im Vorjahresvergleich zurückgegangen ist. Die Disinflation ist ein Hauptfaktor der Margenerosion, da die Kosten aktuell eher weniger stark sinken als die Inflation. In den USA sind die Erzeugerpreise ab dem Frühjahr 2022 zwar rasch gesunken, scheinen sich aber seit Sommer 2023 bei rund 0% im Vorjahresvergleich stabilisiert zu haben.
Werfen wir einen Blick auf den Zusammenhang zwischen Arbeitskosten, Verkaufspreisen und Margen. Ein einfaches Regressionsmodell zeigt, dass ein Anstieg der Lohnstückkosten um 1% zu einem Rückgang der Margen um 0,5% führt, während ein Anstieg der Verkaufspreise um 1% die Marge um 0,3% erhöht. Der Nettoeffekt entspricht einem Rückgang der Gesamtmarge um 0,2%. Wenn also die Lohnstückkosten und die Verkaufspreise gleich schnell steigen, sinkt die Marge automatisch. Nicht berücksichtigt sind bei dieser Rechnung etwaige Produktivitätssteigerungen, eine über dem Marktdurchschnitt liegende Preissetzungsmacht oder niedrigere Steuern.
- In puncto Produktivitätssteigerungen bieten generative KI-Systeme enormes Potenzial. Allerdings wird es noch einige Zeit dauern, bis alle Branchen diese Möglichkeiten nutzen. Schärfere Umweltvorschriften und der Trend zum "Reshoring" stellen (aus rein finanzieller Sicht) Negativfaktoren dar.
- In puncto Preissetzungsmacht ist nach dem branchenübergreifenden Phänomen der "greedflation" - Unternehmen aus allen Sektoren haben Preiserhöhungen durchgesetzt, die über der Inflation liegen - ein harter Aufprall in der Realität für Sektoren mit niedrigen Eintrittsbarrieren im Gange.
- In puncto Steuern: Ihr Anteil an den Preis-steigerungen ab Mitte 2022 lag unter dem historischen Wert, doch scheint sich seit letztem Herbst eine Aufholbewegung abzuzeichnen. Die Entwicklung der Haushaltsdefizite und der Verschuldungsquote verheißt in dieser Hinsicht nichts Gutes.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Stabilisierung der Nettomargen auf hohem Niveau (von einem möglichen Anstieg ganz zu schweigen) wohl stark davon abhängt, wie schnell Produktivitätssteigerungen durch künstliche Intelligenz erzielt werden können.
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