Berlin (ots) -
Man "spielt Russland in die Hände", heißt es häufig, wenn man sich kritisch mit Fehlern der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik auseinandersetzt. Daher sollte Wladimir Putin an dieser Stelle bitte nicht weiterlesen. Aber "Augen zu" und "Schwamm drüber" ist keine Fehlerkultur, die unsere Sicherheit in Kriegszeiten verbessert. Das gilt auch für den Verteidigungsminister, der die Verantwortung für Soldatinnen und Soldaten und die Sicherheit von 80 Millionen Deutschen trägt.
Seit Amtsantritt als Nachfolger der glücklosen Christine Lambrecht führt Boris Pistorius die Beliebtheitsskala der Spitzenpolitik an. Selbst Menschen, die ihn nicht kennen, halten ihn für einen großartigen Verteidigungsminister. Liegt es an seiner kernigen Art? An der technischen Sprache? An den knuffigen Auftritten im Parka, in dem der Minister gern vor den TV-Kameras auf- und abmarschiert?
Oder doch daran - so flüstern es Demoskopen nur hinter vorgehaltener Hand -, weil nach drei Frauen im Wehrressort endlich wieder ein Kerl die Truppe führt? Pistorius hat jedenfalls eine satte Menge Vorschusslorbeeren erhalten, der er jetzt nach und nach gerecht werden muss. Neue Lorbeeren sind bislang nicht hinzugekommen. Im Gegenteil.
Die Abhöraffäre von Pistorius' Luftwaffengenerälen hat Deutschlands Sicherheit schwer geschadet und belastet das Verhältnis zu den Bündnispartnern. Dass der Verteidigungsausschuss mehr dazu wissen will, ist verständlich. Die Einlassungen von Pistorius waren nicht angemessen. Seine Top-Generäle haben über Angriffe auf russische Truppen gesprochen und sich aus Fahrlässigkeit dabei von russischen Spionen abhören lassen. Das ist kein "individueller Anwendungsfehler", wie es Pistorius historisch verniedlicht. Das ist Systemversagen an sensibelster Stelle. Und damit endet die Problemliste des Politiklieblings leider nicht.
Dass Deutschland laut Pistorius "kriegstüchtig" und nicht etwa "verteidigungstüchtig" werden muss, irritiert nicht nur die eigene Partei. Wobei es gar nicht "kriegstüchtig" ist, die Fregatte "Hessen" in einen gefährlichen Kampf zu schicken, für den sie zu wenig Munition hat. Wenn die Raketen verschossen sind, geht es ab nach Hause. Zwei Raketen sind schon weg und haben eine 30-Millionen-Euro-Drohne der Amerikaner nur durch Zufall nicht getroffen.
Auch an Geld fehlt es Pistorius. Im Verteidigungshaushalt klafft absehbar eine Lücke von 56 Milliarden Euro. Niemand weiß, wie das Loch gestopft werden kann. Der Litauen-Einsatz mit 5000 Mann und Frau, von Pistorius forsch präsentiert, wird immer mehr zum Problem. Es fehlt an Geld, Motivation und nötiger Geschwindigkeit. Die Brigade soll eine robuste Antwort auf Putins Überfall auf die Ukraine sein. Einsatzbereitschaft? Frühestens Ende 2027. So weit reichen die Terminplaner im Kreml gar nicht. Vielleicht nutzt man dort die dreieinhalb Jahre Zeit, um den sensiblen Auftrag lückenlos auszuspionieren. Auch in Vilnius gibt es schließlich löcheriges Hotel-Wlan.
Auch die Stimmung in der Truppe ist trotz "Zeitenwende" steigerungsfähig. Es fehlt an vielen Stellen noch das Nötigste. Das ist im Jahresbericht der Wehrbeauftragten nachzulesen, der druckfrisch auf Auslieferung wartet. Pistorius hat noch viel zu tun, um seinem guten Ruf nachhaltig gerecht zu werden. Schafft er es, kann er vielleicht Kanzler werden. Bleibt es bei eklatanten Sicherheitslücken und Ankündigungen, gilt für den Umfrageliebling der alte Spruch: Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.
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Man "spielt Russland in die Hände", heißt es häufig, wenn man sich kritisch mit Fehlern der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik auseinandersetzt. Daher sollte Wladimir Putin an dieser Stelle bitte nicht weiterlesen. Aber "Augen zu" und "Schwamm drüber" ist keine Fehlerkultur, die unsere Sicherheit in Kriegszeiten verbessert. Das gilt auch für den Verteidigungsminister, der die Verantwortung für Soldatinnen und Soldaten und die Sicherheit von 80 Millionen Deutschen trägt.
Seit Amtsantritt als Nachfolger der glücklosen Christine Lambrecht führt Boris Pistorius die Beliebtheitsskala der Spitzenpolitik an. Selbst Menschen, die ihn nicht kennen, halten ihn für einen großartigen Verteidigungsminister. Liegt es an seiner kernigen Art? An der technischen Sprache? An den knuffigen Auftritten im Parka, in dem der Minister gern vor den TV-Kameras auf- und abmarschiert?
Oder doch daran - so flüstern es Demoskopen nur hinter vorgehaltener Hand -, weil nach drei Frauen im Wehrressort endlich wieder ein Kerl die Truppe führt? Pistorius hat jedenfalls eine satte Menge Vorschusslorbeeren erhalten, der er jetzt nach und nach gerecht werden muss. Neue Lorbeeren sind bislang nicht hinzugekommen. Im Gegenteil.
Die Abhöraffäre von Pistorius' Luftwaffengenerälen hat Deutschlands Sicherheit schwer geschadet und belastet das Verhältnis zu den Bündnispartnern. Dass der Verteidigungsausschuss mehr dazu wissen will, ist verständlich. Die Einlassungen von Pistorius waren nicht angemessen. Seine Top-Generäle haben über Angriffe auf russische Truppen gesprochen und sich aus Fahrlässigkeit dabei von russischen Spionen abhören lassen. Das ist kein "individueller Anwendungsfehler", wie es Pistorius historisch verniedlicht. Das ist Systemversagen an sensibelster Stelle. Und damit endet die Problemliste des Politiklieblings leider nicht.
Dass Deutschland laut Pistorius "kriegstüchtig" und nicht etwa "verteidigungstüchtig" werden muss, irritiert nicht nur die eigene Partei. Wobei es gar nicht "kriegstüchtig" ist, die Fregatte "Hessen" in einen gefährlichen Kampf zu schicken, für den sie zu wenig Munition hat. Wenn die Raketen verschossen sind, geht es ab nach Hause. Zwei Raketen sind schon weg und haben eine 30-Millionen-Euro-Drohne der Amerikaner nur durch Zufall nicht getroffen.
Auch an Geld fehlt es Pistorius. Im Verteidigungshaushalt klafft absehbar eine Lücke von 56 Milliarden Euro. Niemand weiß, wie das Loch gestopft werden kann. Der Litauen-Einsatz mit 5000 Mann und Frau, von Pistorius forsch präsentiert, wird immer mehr zum Problem. Es fehlt an Geld, Motivation und nötiger Geschwindigkeit. Die Brigade soll eine robuste Antwort auf Putins Überfall auf die Ukraine sein. Einsatzbereitschaft? Frühestens Ende 2027. So weit reichen die Terminplaner im Kreml gar nicht. Vielleicht nutzt man dort die dreieinhalb Jahre Zeit, um den sensiblen Auftrag lückenlos auszuspionieren. Auch in Vilnius gibt es schließlich löcheriges Hotel-Wlan.
Auch die Stimmung in der Truppe ist trotz "Zeitenwende" steigerungsfähig. Es fehlt an vielen Stellen noch das Nötigste. Das ist im Jahresbericht der Wehrbeauftragten nachzulesen, der druckfrisch auf Auslieferung wartet. Pistorius hat noch viel zu tun, um seinem guten Ruf nachhaltig gerecht zu werden. Schafft er es, kann er vielleicht Kanzler werden. Bleibt es bei eklatanten Sicherheitslücken und Ankündigungen, gilt für den Umfrageliebling der alte Spruch: Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.
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