Berlin (ots) -
Mit dem Schwerpunktthema "Rückenschmerz: gestern - heute - morgen" beginnt heute der Deutsche Schmerz- und Palliativtag 2024. Der in Deutschland größte digitale Kongress zum Thema "Schmerzmedizin" findet bis zum 16. März statt. Zum Auftakt forderte Dr. Johannes Horlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) und einer der beiden Kongresspräsidenten, eine rechtssichere Bedarfsplanung, die derzeit nicht existiert, da der Facharzt für Schmerzmedizin bisher nicht eingeführt wurde. Die DGS verfolgt das Ziel, die schmerzmedizinische Versorgung nachhaltig zu verbessern.
"Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich die schmerzmedizinische Versorgung in Deutschland weiter verschlechtern", warnt Horlemann. Als Gründe führt der DGS-Präsident unter anderem den zunehmenden Mangel an Schmerzmedizinern an. Aktuell können die knapp 1.400 schmerzmedizinisch tätigen Spezialisten nur 10 % der schwerst schmerzerkrankten Betroffenen versorgen. Diese Situation wird sich unter anderem dadurch verschärfen, dass rund die Hälfte der Schmerzspezialisten in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht.
Eine Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin existiert derzeit nicht. Und so ist auch die Nachbesetzung der Arztsitze mit schmerzmedizinischer Spezialisierung unsicher. Dabei befürwortet bereits ein im Jahr 2018 vom G-BA angenommenes Gutachten eine Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin.[i] Aufgrund des Krankenhaustransparenzgesetzes ist zudem mit der Schließung weiterer stationärer schmerzmedizinischer Einrichtungen zu rechnen, was die Mangelversorgung zusätzlich verschärft. "Wir brauchen aber schmerzmedizinisch tätige Einrichtungen in allen deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern", fordert Horlemann konkret.
Die Einführung eines "Facharztes für Schmerzmedizin" könnte helfen, die Versorgung zu verbessern. Dafür sprach sich auch die Mehrheit der Teilnehmer des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2023 aus. Und auch ein Eckpunktepapier, das gemeinsam mit Vertretern des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, unterstützt diese Forderung.
Qualität schmerzmedizinischer Behandlungen sicherstellen und erhöhen
Neben der Unterversorgung beklagte Horlemann die Fehlversorgung. Beispielsweise würden viel zu oft Rückenoperationen durchgeführt, die nicht indiziert seien. Die Evaluation von 9.701 Patientinnen und Patienten, die vor einer elektiven Wirbelsäulenoperation zur Linderung ihrer Kreuz-/Rückenschmerzen ein Zweitmeinungsangebot in Anspruch genommen hatten, ergab nur in 4,5 % der Fälle eine Bestätigung der OP-Indikation.[ii] Die DGS setzt sich daher für eine Berücksichtigung schmerzmedizinischer Aspekte vor jeder Entscheidung für eine Rückenoperation ein. Diese Expertise sollte bei Operateuren verbessert werden und kann in einer vernetzten Zusammenarbeit mit Schmerzmedizinern dargestellt werden.
Als weitere Maßnahmen für eine qualitativ angemessene schmerzmedizinische Versorgung nennt Horlemann die Förderung des schmerzmedizinischen Nachwuchses sowie die Etablierung von Schmerzkonferenzen als Plattform für alle Berufsgruppen, die chronischen Schmerz behandeln. Bei bestimmten akuten Schmerzzuständen, wie dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS), akuten Clusterkopfschmerzen, akuten neuropathischen Schmerzen und Tumorschmerzen sollten Patienten möglichst binnen fünf Tagen von einem schmerzkompetenten Arzt gesehen werden.
Kongressschwerpunkt Rückenschmerz als Beispiel für Unter- und Fehlversorgung
Ein Beispiel für die Unter- und Fehlversorgung ist der chronische Rückenschmerz - Schwerpunktthema beim diesjährigen Kongress: Im Jahr 2021 waren 26,2 Millionen Menschen in Deutschland wegen Rückenschmerzen in Behandlung.[iii] Inklusive der Folgekosten fielen im Jahr 2020 in Deutschland Kosten in Höhe von 11,6 Milliarden Euro für Rückenschmerzen an.[iv] "Das Hauptproblem sind chronische Rückenschmerzen, die durch unzureichend behandelte akute Schmerzen entstehen", sagt Dr. Heinrich Binsfeld, Vizepräsident der DGS und ebenfalls Kongresspräsident, zu der Situation. Die DGS möchte dazu beitragen, die Versorgung von Menschen mit Rückenschmerzen zu verbessern und so auch die Kosten zu reduzieren. Ein Ansatz dafür ist eine frühere Diagnostik, um die Chronifizierung zu vermeiden. Dabei müssen neben körperlichen Ursachen auch psychologische und soziale Faktoren des Rückenschmerzes berücksichtigt werden. Aufgrund der langen Wartezeiten für psychotherapeutische Behandlungen empfiehlt Binsfeld den Einsatz Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) zur Überbrückung.
DGS trägt schmerzmedizinische Kompetenz durch Kooperationen in die Breite
"Da beinahe jeder Arzt und jede Ärztin im Praxisalltag regelmäßig mit dem Symptom Schmerz und auch mit chronischen Schmerzen konfrontiert ist, ist es der DGS ein großes Anliegen, das schmerzmedizinische Wissen sowie Kompetenzen in Diagnostik und Therapie in die Breite zu tragen", so DGS-Vorstandsmitglied Dr. Thorsten Luecke. Für eine bessere interdisziplinäre Versorgung kooperiert die DGS mit anderen Fachgesellschaften. Dazu zählen die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die Deutsche Gesellschaft für Osteopathische Medizin (DGOM) und die Deutsche Gesellschaft für Neuromodulation (DGNM). Gemeinsam mit diesen Partnern gestaltet die DGS spezifische Fortbildungen und Symposien - auch auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2024. Zudem beinhaltet die Kooperation, gemeinsame PraxisLeitlinien und -Leitfäden zu veröffentlichen und curriculare Angebote zu entwickeln.
Vielfältiges Kongressprogramm soll Unter- und Fehlversorgung entgegenwirken
Das Kongressprogramm des Deutschen Schmerz- und Palliativtags 2024 beinhaltet eine Vielzahl an Fortbildungsveranstaltungen, um die schmerzmedizinische Kompetenz in der breiten Ärzteschaft zu erhöhen. Eines der Highlights und gleichzeitig Kongressabschluss ist das gesundheitspolitische Symposium am Samstag, den 16. März, von 12:00 - 13:30 Uhr. Gemeinsam mit Vertretern der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien will der Vorstand der DGS dabei den schmerzmedizinischen Versorgungsnotstand diskutieren und Lösungswege aufzeigen.
[i] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Abnahme des Endberichts "Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung i.S.d. §§ 99 ff. SGB V zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung" vom 20. September 2018. https://ots.de/CWXXBN.
[ii] Überall M. et al. Die interdisziplinäre Zweitmeinung. Ergebnisse einer Evaluation von 9.701Patienten. Posterpräsentation im Rahmen des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2023. https://www.imc-de.de/wp-content/uploads/2023/04/Poster-72-IVZ.pdf.
[iii] Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO): Gesundheitsatlas Deutschland Rückenschmerzen. Berlin, November 2023.
[iv] Stegmaier, P.: ",Rücken' kostet pro Jahr 11,6 Milliarden Euro", in "Monitor Versorgungsforschung" (01/24), S. 28. http://doi.org/10.24945/MVF.01.24.1866-0533.2573.
Pressekontakt:
Monika Funck
eickhoff kommunikation GmbH
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Mit dem Schwerpunktthema "Rückenschmerz: gestern - heute - morgen" beginnt heute der Deutsche Schmerz- und Palliativtag 2024. Der in Deutschland größte digitale Kongress zum Thema "Schmerzmedizin" findet bis zum 16. März statt. Zum Auftakt forderte Dr. Johannes Horlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) und einer der beiden Kongresspräsidenten, eine rechtssichere Bedarfsplanung, die derzeit nicht existiert, da der Facharzt für Schmerzmedizin bisher nicht eingeführt wurde. Die DGS verfolgt das Ziel, die schmerzmedizinische Versorgung nachhaltig zu verbessern.
"Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich die schmerzmedizinische Versorgung in Deutschland weiter verschlechtern", warnt Horlemann. Als Gründe führt der DGS-Präsident unter anderem den zunehmenden Mangel an Schmerzmedizinern an. Aktuell können die knapp 1.400 schmerzmedizinisch tätigen Spezialisten nur 10 % der schwerst schmerzerkrankten Betroffenen versorgen. Diese Situation wird sich unter anderem dadurch verschärfen, dass rund die Hälfte der Schmerzspezialisten in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht.
Eine Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin existiert derzeit nicht. Und so ist auch die Nachbesetzung der Arztsitze mit schmerzmedizinischer Spezialisierung unsicher. Dabei befürwortet bereits ein im Jahr 2018 vom G-BA angenommenes Gutachten eine Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin.[i] Aufgrund des Krankenhaustransparenzgesetzes ist zudem mit der Schließung weiterer stationärer schmerzmedizinischer Einrichtungen zu rechnen, was die Mangelversorgung zusätzlich verschärft. "Wir brauchen aber schmerzmedizinisch tätige Einrichtungen in allen deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern", fordert Horlemann konkret.
Die Einführung eines "Facharztes für Schmerzmedizin" könnte helfen, die Versorgung zu verbessern. Dafür sprach sich auch die Mehrheit der Teilnehmer des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2023 aus. Und auch ein Eckpunktepapier, das gemeinsam mit Vertretern des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, unterstützt diese Forderung.
Qualität schmerzmedizinischer Behandlungen sicherstellen und erhöhen
Neben der Unterversorgung beklagte Horlemann die Fehlversorgung. Beispielsweise würden viel zu oft Rückenoperationen durchgeführt, die nicht indiziert seien. Die Evaluation von 9.701 Patientinnen und Patienten, die vor einer elektiven Wirbelsäulenoperation zur Linderung ihrer Kreuz-/Rückenschmerzen ein Zweitmeinungsangebot in Anspruch genommen hatten, ergab nur in 4,5 % der Fälle eine Bestätigung der OP-Indikation.[ii] Die DGS setzt sich daher für eine Berücksichtigung schmerzmedizinischer Aspekte vor jeder Entscheidung für eine Rückenoperation ein. Diese Expertise sollte bei Operateuren verbessert werden und kann in einer vernetzten Zusammenarbeit mit Schmerzmedizinern dargestellt werden.
Als weitere Maßnahmen für eine qualitativ angemessene schmerzmedizinische Versorgung nennt Horlemann die Förderung des schmerzmedizinischen Nachwuchses sowie die Etablierung von Schmerzkonferenzen als Plattform für alle Berufsgruppen, die chronischen Schmerz behandeln. Bei bestimmten akuten Schmerzzuständen, wie dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS), akuten Clusterkopfschmerzen, akuten neuropathischen Schmerzen und Tumorschmerzen sollten Patienten möglichst binnen fünf Tagen von einem schmerzkompetenten Arzt gesehen werden.
Kongressschwerpunkt Rückenschmerz als Beispiel für Unter- und Fehlversorgung
Ein Beispiel für die Unter- und Fehlversorgung ist der chronische Rückenschmerz - Schwerpunktthema beim diesjährigen Kongress: Im Jahr 2021 waren 26,2 Millionen Menschen in Deutschland wegen Rückenschmerzen in Behandlung.[iii] Inklusive der Folgekosten fielen im Jahr 2020 in Deutschland Kosten in Höhe von 11,6 Milliarden Euro für Rückenschmerzen an.[iv] "Das Hauptproblem sind chronische Rückenschmerzen, die durch unzureichend behandelte akute Schmerzen entstehen", sagt Dr. Heinrich Binsfeld, Vizepräsident der DGS und ebenfalls Kongresspräsident, zu der Situation. Die DGS möchte dazu beitragen, die Versorgung von Menschen mit Rückenschmerzen zu verbessern und so auch die Kosten zu reduzieren. Ein Ansatz dafür ist eine frühere Diagnostik, um die Chronifizierung zu vermeiden. Dabei müssen neben körperlichen Ursachen auch psychologische und soziale Faktoren des Rückenschmerzes berücksichtigt werden. Aufgrund der langen Wartezeiten für psychotherapeutische Behandlungen empfiehlt Binsfeld den Einsatz Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) zur Überbrückung.
DGS trägt schmerzmedizinische Kompetenz durch Kooperationen in die Breite
"Da beinahe jeder Arzt und jede Ärztin im Praxisalltag regelmäßig mit dem Symptom Schmerz und auch mit chronischen Schmerzen konfrontiert ist, ist es der DGS ein großes Anliegen, das schmerzmedizinische Wissen sowie Kompetenzen in Diagnostik und Therapie in die Breite zu tragen", so DGS-Vorstandsmitglied Dr. Thorsten Luecke. Für eine bessere interdisziplinäre Versorgung kooperiert die DGS mit anderen Fachgesellschaften. Dazu zählen die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die Deutsche Gesellschaft für Osteopathische Medizin (DGOM) und die Deutsche Gesellschaft für Neuromodulation (DGNM). Gemeinsam mit diesen Partnern gestaltet die DGS spezifische Fortbildungen und Symposien - auch auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2024. Zudem beinhaltet die Kooperation, gemeinsame PraxisLeitlinien und -Leitfäden zu veröffentlichen und curriculare Angebote zu entwickeln.
Vielfältiges Kongressprogramm soll Unter- und Fehlversorgung entgegenwirken
Das Kongressprogramm des Deutschen Schmerz- und Palliativtags 2024 beinhaltet eine Vielzahl an Fortbildungsveranstaltungen, um die schmerzmedizinische Kompetenz in der breiten Ärzteschaft zu erhöhen. Eines der Highlights und gleichzeitig Kongressabschluss ist das gesundheitspolitische Symposium am Samstag, den 16. März, von 12:00 - 13:30 Uhr. Gemeinsam mit Vertretern der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien will der Vorstand der DGS dabei den schmerzmedizinischen Versorgungsnotstand diskutieren und Lösungswege aufzeigen.
[i] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Abnahme des Endberichts "Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung i.S.d. §§ 99 ff. SGB V zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung" vom 20. September 2018. https://ots.de/CWXXBN.
[ii] Überall M. et al. Die interdisziplinäre Zweitmeinung. Ergebnisse einer Evaluation von 9.701Patienten. Posterpräsentation im Rahmen des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2023. https://www.imc-de.de/wp-content/uploads/2023/04/Poster-72-IVZ.pdf.
[iii] Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO): Gesundheitsatlas Deutschland Rückenschmerzen. Berlin, November 2023.
[iv] Stegmaier, P.: ",Rücken' kostet pro Jahr 11,6 Milliarden Euro", in "Monitor Versorgungsforschung" (01/24), S. 28. http://doi.org/10.24945/MVF.01.24.1866-0533.2573.
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