BOCHUM (dpa-AFX) - Deutschlands größter Wohnimmobilienkonzern Vonovia ist im vergangenen Jahr deutlich tiefer in die Verlustzone gerutscht. Wegen einer weiteren Abwertung des Immobilienportfolios stand unter dem Strich ein Verlust von knapp 6,8 Milliarden Euro, wie der Dax-Konzern am Donnerstag nach Börsenschluss in Bochum mitteilte. Im Vorjahr hatte Vonovia einen Verlust von rund 669 Millionen Euro ausgewiesen. Der Wert des Vermietungsportfolios lag Ende Dezember 2023 bei rund 83,9 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr ging der Wert um 6,6 Prozent zurück, im zweiten Halbjahr um 4,2 Prozent. Ein Jahr zuvor hatte Vonovia die Immobilien noch mit 94,7 Milliarden bewertet. Die Aktie gab am Freitag um mehr als fünf Prozent nach.
Der Immobilien-Branche machen die höheren Finanzierungskosten und die stark gestiegenen Bau- und Materialkosten seit längerem zu schaffen. Es werden kaum neue Wohnungen gebaut. Immobilienkonzerne wie Vonovia und LEG haben neue Bauprojekte erst einmal auf Eis gelegt. Zudem lahmt der Transaktionsmarkt - es gab seit längerem kaum noch Verkäufe von größeren Immobilienpaketen. Aufgrund der Unsicherheit sanken die Immobilienpreise. Immobilienkonzerne mussten den Wert ihrer Portfolios deutlich nach unten korrigieren und machten zum Teil kräftige Verluste. Dividenden wurden gesenkt oder sogar zusammengestrichen.
"2023 war unser Annus horribilis", sagte erst jüngst LEG-Chef Lars von Lackum. Nachdem das Unternehmen als Wohnungsvermieter vollkommen unbeschadet durch die Covid- und Energiekrise gekommen sei, habe es den Immobilienkonzern 2023 erwischt. Unter dem Strich fiel bei LEG wegen der Abwertung des Immobilienportfolios ein Verlust von 1,56 Milliarden Euro an. Auch die Konkurrenten TAG Immobilien und Grand City Properties rutschten wegen des geringeren Werts ihrer Wohnungen in die Verlustzone.
"Wir haben in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie so hohe Wertreduktionen gesehen wie 2023. Das gilt nicht nur für Vonovia, sondern für alle", sagte Unternehmenschef Rolf Buch in einer Telefonkonferenz. Der Trend habe sich im Jahresverlauf deutlich abgeschwächt. Die Werte dürfen die Talsohle bereits erreicht haben. Die erste Zinssenkung erwarteten viele Analysten noch in diesem Jahr, die Inflation liege auf dem niedrigsten Wert seit zweieinhalb Jahren. Das seien wichtige Signale.
Um die Schulden abzubauen, will Vonovia-Chef Rolf Buch das Geld weiter zusammenhalten und im laufenden Jahr Wohnungen im Wert von rund drei Milliarden Euro verkaufen. 2023 erzielte das Unternehmen durch Wohnungsverkäufe und die Veräußerung von Minderheitsanteilen an Immobilienportfolios Erlöse von rund vier Milliarden Euro. Ursprünglich wollte der Dax-Konzern im vergangenen Jahr mit den Verkäufen rund zwei Milliarden Euro erzielen. Insgesamt, so hatte der Konzern Mitte 2022 angekündigt, sollen Wohnungen und Häuser im Wert von 13 Milliarden Euro veräußert werden.
Vonovia konnte während der Niedrigzinsphase vor allem über Zukäufe im In- und Ausland kräftig wachsen. Zudem profitierte der Konzern von steigenden Mieten in den Großstädten und Neubauten. 2021 glückte Vonovia die Übernahme von Deutschlands zweitgrößtem Vermieter Deutsche Wohnen. Insgesamt besitzt Vonovia als Europas größtes privates Wohnungsunternehmen knapp 546 000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich.
Auch im Tagesgeschäft lief es für den Immobilienkonzern 2023 schlechter. Der operative Gewinn (FFO) ging um neun Prozent auf 1,8 Milliarden Euro zurück. Das hing vor allem mit den gestiegenen Zinsen zusammen. Während sich vor allem das Geschäft mit Projektentwicklung und zusätzlichen Dienstleistungen schwächer entwickelte, ging es in der Vermietung wegen der weiterhin hohen Nachfrage nach Wohnraum in Ballungsgebieten deutlich aufwärts.
Die Miete stieg per Ende Dezember im Schnitt konzernweit auf 7,74 Euro pro Quadratmeter - das waren 3,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Aktionäre sollen davon profitieren: Das Management will der Hauptversammlung eine Dividende von 90 Cent je Aktie vorschlagen. Ein Jahr zuvor hatte der Konzern von 85 Cent ausgeschüttet. Allerdings wird es eine Änderung bei der zukünftigen Grundlage für die Ausschüttung geben. Erstmalig für die Dividendenentscheidung für das Geschäftsjahr 2024 soll der Dividendenvorschlag nicht mehr an der Ergebnisgröße Group FFO (nach Minderheiten), sondern an dem bereinigten Vorsteuerergebnis (EBT) plus überschüssige Liquidität aus dem operativen freien Barmittelzufluss (Operating Free Cashflow) anknüpfen.
Laut dem Baader-Experten Andre Remke lieferte 2023 in einem schwierigen Umfeld solide operative Ergebnisse. Für Gesprächsstoff sorgte aber die angepasste Dividendenpolitik und eine Änderung der wichtigsten Kennziffer im Ausblick. Für Analyst Paul May von der britischen Investmentbank Barclays ist die Bilanzierung des Immobilienkonzerns ohnehin schon komplex, die Änderungen seien "nicht begrüßenswert".
Von 2024 an soll das bereinigte Vorsteuerergebnis - dabei werden unter anderem Wertanpassungen ausgeklammert - den FFO als zentrale Kennzahl ablösen. Für das laufende Jahr erwartet Vonovia ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 2,55 bis 2,65 Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte das Ergebnis 2,58 Milliarden Euro betragen. Der bereinigte Vorsteuergewinn soll zwischen 1,7 und 1,8 Milliarden Euro liegen. Im vergangenen Jahr hatte er bei 1,87 Milliarden Euro gelegen./mne/nas/stk