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Chris Iggo (AXA IM): Fed hat die Inflation noch nicht besiegt - Aktuell keine Preisblase bei US-Aktien - Risikotitel entwickeln sich gut - High-Yield-Anleihen aus Asien gerade günstig

Finanznachrichten News

19.03.2024 -

Ganz bestimmt nicht, Hutch! Je mehr die Inflation fällt, desto leichter können unerfreuliche Daten irritieren. Wir sind jetzt in einer solchen Phase, wie die Reaktion auf die jüngsten US-Inflationszahlen zeigt. Am Gesamtbild hat sich aber nichts geändert. Die Inflation ist gefallen, und einer weichen Landung steht nach wie vor nichts im Wege. In den USA ging das Wachstum weniger stark zurück als erwartet, und die Inflation ist noch immer recht hartnäckig. Aber das ist nicht schlimm. Das Risiko steigender Zinsen hält sich in Grenzen, und wir sind gut darauf vorbereitet, dass die Zinsen vielleicht doch nicht so stark gesenkt werden wie erhofft (auch wenn manche Broker stärkere Senkungen in Aussicht stellen). Investoren mögen stabile Unternehmensanleihenrenditen und die damit verbundene Aussicht auf laufenden Ertrag. Bei mehr Wirtschaftswachstum kann man auch mit Aktien mehr verdienen. Für Investmentgrade-Anleihen, Titel mit hohem Beta und Wachstumsaktien bleiben die Aussichten gut.

The only way is up: Wir erleben gerade eine Hausse mit großer Kursdynamik und steigenden Bewertungen. Besonders deutlich zeigt sich das bei amerikanischen Wachstumswerten, High-Yield-Anleihen, Credits mit hohem Beta und allem, was mit Kryptowährungen zu tun hat. Möglich wurde die Hausse, weil eine weiche Landung der US-Wirtschaft als sehr viel wahrscheinlicher gilt als eine harte oder keine. Alles dreht sich um die USA. Europa versucht verzweifelt, eine Stagflation zu vermeiden, und China kämpft gegen eine neue Deflation. Entscheidend für Marktstimmung und Anlegerverhalten weltweit bleiben die USA. Und weil hier bald gewählt wird, wird sich das dieses Jahr nicht mehr ändern.

Weiche Landung: Wer mit einer weichen Landung rechnet, erwartet einen so starken Wachstumsrückgang, dass es wieder Kapazitätsüberschüsse gibt. Die Inflation könnte dann auf das 2 Prozent-Ziel der Fed fallen. Anzeichen dafür sind der leichte Anstieg der Arbeitslosenquote - vom Tiefststand von 3,4 Prozent Anfang 2023 auf 3,9 Prozent im Februar - und die fallende Inflation. Diese Woche waren die Verbraucherpreise die wichtigsten Zahlen. Demnach ist die Kerninflation im Februar von 3,9 Prozent z.Vj. auf 3,8 Prozent zurückgegangen - gegenüber 5,5 Prozent im Februar 2023 und 6,4 Prozent im Februar 2022. Kurzfristigere Indikatoren sprechen dafür, dass die Fed die Inflation noch nicht besiegt hat. Sie wird die Zinsen also noch nicht senken - aber zugleich vorsichtig signalisieren, dass es bald so weit ist.

Der Markt hat das verstanden, und die Zinserwartungen haben sich in den letzten Wochen stabilisiert. Im aktuellen Umfeld will und muss die Fed die Zinsen nicht stark senken. Einige Broker rechnen allerdings mit mehr Zinssenkungen, als in den Kursen berücksichtigt sind, vor allem im Euroraum. Letztlich heißt das, dass sie hier mit einer härteren Landung rechnen. Vielleicht hat es aber auch nur damit zu tun, dass sich die Zinserwartungen in der Zeit der unkonventionellen Geldpolitik strukturell geändert haben. Am Markt schätzt man die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung der Fed im Juni jetzt auf 60 Prozent, und zum Jahresende erwartet man um 100 Basispunkte niedrigere Leitzinsen als heute. Im Euroraum sieht es ähnlich aus.

Harte Landung: Bei einer harten Landung würde das Wirtschaftswachstum in den nächsten Monaten deutlich nachlassen - mit Disinflation, einem stärkeren Anstieg der Arbeitslosenquote und fallenden Unternehmensgewinnen. Die Zinsen würden dann stärker gesenkt, und die Finanzmärkte würden reagieren, wie man es aus Rezessionszeiten kennt. Die Risikoprämien von Aktien und Credits nähmen zu, die Zinsstrukturkurven würden rasch deutlich steiler werden. All das ist zwar möglich, aber selbst die Länder mit den größten Problemen sind einer tiefen Rezession bislang entgangen. In Europa und Großbritannien wächst die Wirtschaft weiterhin schwach, aber stetig, und China dürfte dieses Jahr erneut die 5 Prozent schaffen. In den USA käme es wohl nur bei einem Konjunkturschock oder einer drastischen Änderung der Geldpolitik zu einer harten Landung.

Keine Landung: In diesem Szenario ginge das Wachstum nicht ausreichend zurück, damit wieder Überkapazitäten entstehen oder die Inflation noch stärker fällt. Wegen der hartnäckigen Dienstleistungspreisinflation und des Wachstums dicht am Langfristtrend könnte die Fed mit Zinssenkungen noch länger warten. Manche Beobachter meinen sogar, dass sie die Zinsen dieses Jahr überhaupt nicht senkt. Eine Zinserhöhung ist zwar extrem unwahrscheinlich, doch könnten die Finanzbedingungen auch dann straffer werden, wenn mit unveränderten Zinsen gerechnet wird. Unverändertes Wachstum ohne eine höhere Inflation und steigende Renditen käme nämlich einem Wunder gleich. Voraussetzung wäre ein massiver Produktivitätsanstieg in den USA. Viele hoffen ja, dass Künstliche Intelligenz (KI) die Produktivität steigern kann. Noch ist sie aber wohl noch nicht so weit, dass sie volkswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten auf den Kopf stellen kann.

Bereit für Ertrag: Unser Hauptszenario, eine weiche Landung, ist gut für die Märkte. Weltweit rechnet man mit Zinssenkungen (außer in Japan), und wenn eine Rezession ausbleibt, können risikobehaftete Titel weiter zulegen. Vor allem für Credits ist das Umfeld sehr gut. 2022 und 2023 fielen die Bewertungen aufgrund der steigenden Zinsen, sodass die Ertragserwartungen jetzt positiv sind. Investmentgrade-Anleihen sind fundamental stabil und ihre laufenden Erträge decken die Zahlungsverpflichtungen der Investoren besser ab als in der Niedrigzinsphase. Insgesamt hat man mit Investmentgrade-Anleihen seit Jahresbeginn zwar kaum etwas verdient, doch hat das viel mit den steigenden Zinserwartungen im Januar zu tun. Seit Mitte Februar sind die Gesamterträge wieder positiv, und die laufenden Erträge betragen monatlich etwa 50 Basispunkte in den USA und 20 bis 25 Basispunkte im Euroraum. Bei einer weichen Landung ist das attraktiv, und wenn die Zinsen gesenkt werden, sind auch die Gesamterträge wieder besser.

Credits mit Beta und kürzere Duration: Gut sind die Zeiten auch für Credits mit einem hohen Beta. Alternative Titel haben meist eine kurze Duration und variable, vom Geldmarktsatz abhängige Zinsen. Man profitiert also von attraktiven Spreads und stabilen Geldmarktzinsen. Einige Credits mit hohem Beta sind zurzeit günstig bewertet - asiatische High-Yield-Anleihen etwa, spekulative US-Titel mit CCC-Rating, Leveraged Loans und Emerging-Market-Credits. Sie alle haben sich dieses Jahr sehr gut entwickelt, ebenso wie geldmarktnähere, variabel verzinsliche Asset-Backed Securities. Die Verschuldung der Emittenten scheint kein Problem zu sein. Es gibt einzelne Hinweise, dass hohe Investitionen in Private Debt und Private Equity stärker verschuldeten Unternehmen zurzeit sehr helfen und sie deshalb anders als in früheren Konjunkturzyklen nur wenig unter der strafferen Geldpolitik der letzten zwei Jahre leiden. Alles in allem bedeutet eine weiche Landung, dass die Zinsstrukturkurven noch länger invers bleiben. Das macht Kurzläuferstrategien gegenüber einer langen Duration interessanter.

Wachstumsaktien: Auch Aktien profitieren davon. Die Gewinne am US-Markt waren zuletzt sehr konzentriert. Die Einjahres-Gesamterträge von Informationstechnologie- und Kommunikationsdienstleistungswerten betrugen am 12. März jeweils 58 Prozent. Aber auch mit Industrie-, Finanz- und Konsumgebrauchsgütertiteln hat man zweistellig verdient. Auf Länderebene haben nur China, einige von China abhängige asiatische Märkte und Großbritannien enttäuscht. Bei den Gewinnern ging es stets um Wachstum und hier vor allem um Technologie. Bloomberg hat die Unternehmensberichte ausgewertet. Demnach betrug die durchschnittliche Gewinnmarge im IT-Sektor 24 Prozent gegenüber nur 12 Prozent beim S&P 500 Index insgesamt. Der IT-Sektor ist nur wenig verschuldet, profitiert von revolutionären Produkten, starkem Gewinnwachstum und gut gefüllten Kassen (mit durchschnittlich 18 Prozent Anteil an den Aktiva). Die steigenden Zinsen haben nicht wirklich geschadet, und fallende Zinsen werden dem Wirtschaftsklima insgesamt nützen. US-Unternehmen werden dann weiter viel in Technologie investieren.

Alles hat ein Ende: Kein Szenario hält ewig. Keine Landung heute führt zu einer harten Landung morgen, weil die Finanzbedingungen dann noch länger straff bleiben. Irgendwann wird es so weit sein. Auch eine weiche Landung geht irgendwann zu Ende, weil man schließlich Übertreibungen, eine wieder steigende Verschuldung, fallende Gewinne oder Haushaltsprobleme fürchtet. Harte Landungen enden, weil die Notenbanken die Zinsen senken, die Bewertungen mancher Assetklassen fallen und Geschäftsmodelle überdacht werden. Einstweilen dürfte es aber bei einer weichen Landung bleiben, mindestens bis zu den US-Wahlen gegen Ende des Jahres. Vielleicht spielt hier auch die Psychologie eine Rolle. Der gute Zustand von Wirtschaft und Märkten macht eine Revolution unnötig. Warum sollte man dann wieder Trump wählen? Den Märkten kann das nur nützen.

Wer aber auf Gewinne mit Anleihen hofft, möchte eine harte Landung. Eine längere Duration würde sich dann auszahlen, und es würde sich lohnen, auf eine steilere Zinsstrukturkurve zu setzen. Aber das ist jetzt nicht zu haben. Wenn die Anleihen-Bullen irgendwann recht bekommen und die Notenbanken die Zinsen tatsächlich massiv senken, dann wohl, weil nicht nur die Inflation wieder auf den Zielwert gefallen ist, sondern auch das Wachstum nachgelassen hat. Das wäre aber schlecht für Unternehmen und ihre Cashflows. Was gut für Staatsanleihen ist, ist nicht unbedingt gut für Credits und Aktien. Irgendwann könnte sich eine lange Duration bei geringen Risiken lohnen. Aber noch ist es nicht so weit.

Hausse ja, aber keine Preisblase: Alles dreht sich um Kursdynamik und Bewertungen. Das Momentum ist hoch, und immer häufiger ist von Preisblasen die Rede. Die meisten Risikotitel entwickeln sich gut, und die Credit Spreads haben sich ebenso verengt wie die Spreads europäischer Peripherieländeranleihen. Die Aktienerträge sind hoch. Gold und Bitcoin steigen. Aber wir erleben keine übertriebene Euphorie, einmal abgesehen von NVIDIA und ausgewählten KI-Aktien - und es spricht auch wenig dafür, dass Anleger sich verschulden, um noch mehr zu verdienen. Manches davon mag hier und da vorkommen, aber alles in allem sind wir von einer Preisblase weit entfernt. Dennoch müssen Anleger die Bewertungen genau im Blick behalten. Kürzlich schrieb ich schon einmal, dass die amerikanischen Credit Spreads heute so eng sind wie nur selten in den letzten zehn Jahren. Technisch stehen Unternehmensanleihen aber sehr gut da. Angebot und Nachfrage sind hoch, und im High-Yield-Segment werden die hohen Rückflüsse aus Coupons und Endfälligkeiten wieder angelegt. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse amerikanischer Aktien sind zwar hoch, aber das hat viel mit dem IT-Sektor zu tun. Außerdem beginnen die Gewinnwachstumserwartungen wieder zu steigen, vielleicht, weil man glaubt, dass Industrie und Welthandel ihren Tiefpunkt erreicht haben. Amerikanische Aktien werden zurzeit zum 18,5-Fachen der für 2025 erwarteten Gewinne gehandelt. Offensichtlich ist man optimistisch, dass die Gewinne nach einigen mäßigen Jahren wieder stärker steigen können.

Allerdings waren risikobehaftete Titel seit Oktober sehr ertragreich. Ein recht simpler Indikator, das Kursmomentum des S&P 500, kann kaum weiter steigen. Entweder wird es etwas nachlassen (mit der Folge kurzfristiger Kursvolatilität), oder es kommt eine echte Wende. Das Zinsmomentum ist neutral, doch könnte der Anleihenmarkt von schwächeren Konjunkturdaten profitieren, weil man dann mit fallenden Kurzfristzinsen und Anleihenrenditen rechnen würde. Bleibt es aber bei einer weichen Landung, würden Anleger auf fallende Kurse risikobehafteter Titel meiner Meinung nach mit Käufen reagieren. Die Kurse könnten dann auf breiterer Front steigen, und vielleicht kauft dann sogar irgendwer britische Aktien. Bis zu echten irrationalen Übertreibungen muss noch viel passieren.

© 2024 Asset Standard
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