Berlin (ots) -
Sind die ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes für Familien, vor allem aber für Mütter eine Herausforderung? Absolut. Brauchen Familien dabei Vater und Mutter? Unbedingt. Ich weiß, wovon ich schreibe. Meine Tochter ist elf Wochen alt. Die ersten acht Wochen habe ich zu Hause gewickelt, gekocht, gewaschen. Ich habe dafür Elternzeit genommen und einen ziemlich großen Teil meines Jahresurlaubs. Ich heule deswegen auch nicht rum. Ende des Jahres setze ich meine Elternzeit fort.
Wäre die Bundesregierung termintreu, hätte ich bis dahin noch zehn Tage Urlaub mehr. Denn seit 2019 gilt in der EU die sogenannte Vereinbarkeits-Richtlinie, die auch eine Freistellung von Vätern nach der Geburt vorsieht. Eigentlich hätte ich nach der Geburt meiner Tochter Anspruch auf zehn bezahlte freie Arbeitstage gehabt. Die Frist für die Umsetzung in nationales Recht ist 2022 abgelaufen. Deutschland hat es versäumt, die EU hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Als Begründung beruft sich das Familienministerium auf eine Ausnahmeregelung für Deutschland. Weil es mit der Elternzeit und dem Elterngeld bereits andere umfassende Leistungen für Eltern gebe. Das klingt nach einer Ausrede. Und es ist auch eine. Die Umsetzung hakt, weil sich die Parteien der Ampel mal wieder uneins sind.
Die zwei Vaterschaftswochen in Form einer sogenannten Familienstartzeit stehen im Koalitionsvertrag. Erklärtes Ziel des geplanten Gesetzes ist es, Anreize zu schaffen, Väter frühzeitig in die Sorgearbeit einzubinden. "Das Wochenbett sollte nicht allein als Angelegenheit der Mutter betrachtet werden, die das Kind zur Welt bringt", heißt es im Referentenentwurf des Familienministeriums. Das wird von einer Grünen geführt, Lisa Paus. Auch die SPD ist für die Familienstartzeit.
Das neue Gesetz soll aber nicht nur helfen, alte Rollenbilder aufzuweichen, es soll Familien entlasten. Dass es bisher nicht verabschiedet worden ist, liegt - zumindest auf den ersten Blick - am Geld. Denn die Väterfreistellung soll durch eine Umlage finanziert werden, die Arbeitgeber laut Berechnungen des Familienministeriums eine halbe Milliarde Euro pro Jahr kosten könnte. Die Arbeitgeber finden das schlecht, und mit ihnen die FDP.
Ob nun tatsächlich die hohen Kosten für das Zögern verantwortlich sind oder doch eher das Festhalten an lieb gewonnenen Rollenbildern, ist egal: Unterm Strich zeigt die Politik einmal mehr eine bemerkenswerte Familienfeindlichkeit. Denn eine gewollte Veränderung, die gesellschaftspolitisch modern wäre, ist immer durchsetzbar. Vielleicht müsste dazu Geld umgeschichtet werden, im Haushalt wie in Unternehmen. Möglich ist das.
Vielleicht liegt es ja auch an einer solchen Politik, die Bedürfnisse und Nöte von Familien wenig versteht und sieht, dass die Geburtenrate sinkt. Eine Politik im Übrigen, die Familien seit Jahren nicht priorisiert. Das war bei den Schul- und Kita-Schließungen während der Corona-Pandemie so, und das gilt auch für die fehlenden Lösungen von Betreuungsnot und Bildungsmisere. Dass Familieninteressen dabei oft gegen die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgespielt werden, ist bitter. Diese sind in einer funktionierenden Gesellschaft nicht zu trennen. Vielleicht ist es für Familien an der Zeit, mal auf den Putz zu hauen. Und im Fall des Familienzeitgesetzes gilt das neben den Vätern auch für die Mütter, die es entlasten könnte. Diese sind erstaunlich ruhig. Wahrscheinlich fehlt ihnen die Kraft für den Protest. Sie bräuchten eine Partei, die sie dabei unterstützt.
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Sind die ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes für Familien, vor allem aber für Mütter eine Herausforderung? Absolut. Brauchen Familien dabei Vater und Mutter? Unbedingt. Ich weiß, wovon ich schreibe. Meine Tochter ist elf Wochen alt. Die ersten acht Wochen habe ich zu Hause gewickelt, gekocht, gewaschen. Ich habe dafür Elternzeit genommen und einen ziemlich großen Teil meines Jahresurlaubs. Ich heule deswegen auch nicht rum. Ende des Jahres setze ich meine Elternzeit fort.
Wäre die Bundesregierung termintreu, hätte ich bis dahin noch zehn Tage Urlaub mehr. Denn seit 2019 gilt in der EU die sogenannte Vereinbarkeits-Richtlinie, die auch eine Freistellung von Vätern nach der Geburt vorsieht. Eigentlich hätte ich nach der Geburt meiner Tochter Anspruch auf zehn bezahlte freie Arbeitstage gehabt. Die Frist für die Umsetzung in nationales Recht ist 2022 abgelaufen. Deutschland hat es versäumt, die EU hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Als Begründung beruft sich das Familienministerium auf eine Ausnahmeregelung für Deutschland. Weil es mit der Elternzeit und dem Elterngeld bereits andere umfassende Leistungen für Eltern gebe. Das klingt nach einer Ausrede. Und es ist auch eine. Die Umsetzung hakt, weil sich die Parteien der Ampel mal wieder uneins sind.
Die zwei Vaterschaftswochen in Form einer sogenannten Familienstartzeit stehen im Koalitionsvertrag. Erklärtes Ziel des geplanten Gesetzes ist es, Anreize zu schaffen, Väter frühzeitig in die Sorgearbeit einzubinden. "Das Wochenbett sollte nicht allein als Angelegenheit der Mutter betrachtet werden, die das Kind zur Welt bringt", heißt es im Referentenentwurf des Familienministeriums. Das wird von einer Grünen geführt, Lisa Paus. Auch die SPD ist für die Familienstartzeit.
Das neue Gesetz soll aber nicht nur helfen, alte Rollenbilder aufzuweichen, es soll Familien entlasten. Dass es bisher nicht verabschiedet worden ist, liegt - zumindest auf den ersten Blick - am Geld. Denn die Väterfreistellung soll durch eine Umlage finanziert werden, die Arbeitgeber laut Berechnungen des Familienministeriums eine halbe Milliarde Euro pro Jahr kosten könnte. Die Arbeitgeber finden das schlecht, und mit ihnen die FDP.
Ob nun tatsächlich die hohen Kosten für das Zögern verantwortlich sind oder doch eher das Festhalten an lieb gewonnenen Rollenbildern, ist egal: Unterm Strich zeigt die Politik einmal mehr eine bemerkenswerte Familienfeindlichkeit. Denn eine gewollte Veränderung, die gesellschaftspolitisch modern wäre, ist immer durchsetzbar. Vielleicht müsste dazu Geld umgeschichtet werden, im Haushalt wie in Unternehmen. Möglich ist das.
Vielleicht liegt es ja auch an einer solchen Politik, die Bedürfnisse und Nöte von Familien wenig versteht und sieht, dass die Geburtenrate sinkt. Eine Politik im Übrigen, die Familien seit Jahren nicht priorisiert. Das war bei den Schul- und Kita-Schließungen während der Corona-Pandemie so, und das gilt auch für die fehlenden Lösungen von Betreuungsnot und Bildungsmisere. Dass Familieninteressen dabei oft gegen die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgespielt werden, ist bitter. Diese sind in einer funktionierenden Gesellschaft nicht zu trennen. Vielleicht ist es für Familien an der Zeit, mal auf den Putz zu hauen. Und im Fall des Familienzeitgesetzes gilt das neben den Vätern auch für die Mütter, die es entlasten könnte. Diese sind erstaunlich ruhig. Wahrscheinlich fehlt ihnen die Kraft für den Protest. Sie bräuchten eine Partei, die sie dabei unterstützt.
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