ARLINGTON/TOULOUSE (dpa-AFX) - Der US-Flugzeugbauer Boeing fällt angesichts seiner Krise immer weiter hinter den Marktführer Airbus zurück. Im März lieferte der europäische Hersteller Airbus 63 Verkehrsflugzeuge aus und damit mehr als doppelt so viele wie sein Rivale aus den USA, wie aus Mitteilungen beider Unternehmen vom Dienstag hervorgeht. Für sein Ziel von 800 Flugzeug-Auslieferungen in diesem Jahr muss sich Airbus-Chef Guillaume Faury zwar noch strecken - nach den ersten drei Monaten des Jahres sind erst 142 Stück geschafft. Boeing kämpft nach dem Beinahe-Unglück eines Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max jedoch mit ganz anderen Problemen.
So steht der US-Konzern seit Januar unter verschärfter Aufsicht der Behörden und darf die Produktion seiner Mittelstreckenjets aus der 737-Max-Reihe vorerst nicht mehr ausweiten. Im ersten Quartal warfen die staatlichen Kontrollen den Konzern stark zurück. So lieferte Boeing nur 66 Exemplare seines meistgefragten Flugzeugtyps aus und damit rund 60 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Airbus kam mit seinen Konkurrenzmodellen A320neo und A321neo auf 116 Stück.
Boeing übergab im ersten Quartal über alle Typen hinweg 83 Passagier- und Frachtflugzeuge an seine Abnehmer, davon 29 im März. Abseits der 737 Max entfiel der Großteil der Auslieferungen im ersten Jahresviertel mit 13 Jets auf das Langstreckenmodell 787 "Dreamliner". Die Produktion der noch größeren 777-Reihe steht still, weil der Hersteller seine Kapazitäten wegen zahlreicher Probleme an anderen Stellen benötigt.
Unterdessen holte Boeing Bestellungen über 131 neue Flugzeuge herein, musste aber auch fünf Stornierungen hinnehmen. Der Dax-Konzern Airbus erhielt Neuaufträge über 170 Maschinen - und kam ohne Stornierungen davon.
Boeing steckt seit mehr als fünf Jahren in der schwersten Krise seiner Geschichte. Nach zwei tödlichen Abstürzen musste sein Mittelstreckenmodell 737 Max ab März 2019 weltweit mehr als 20 Monate lang weltweit am Boden bleiben, bevor die Behörden es nach technischen Verbesserungen nach und nach wieder für den Flugbetrieb freigaben.
Die Nachwirkungen halten Boeing bis heute im Griff, weitere Probleme und Qualitätsmängel kamen hinzu. Am 5. Januar 2024 entgingen mehr als 170 Insassen einer 737 Max von Alaska Airlines nur knapp einem Unglück, als im Steigflug ein türgroßes Teil des Rumpfs herausbrach. Die Experten der Unfalluntersuchungsbehörde NTSB gehen nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass an dem Rumpf-Fragment vier Befestigungsbolzen gefehlt hatten. Die US-Luftfahrtbehörde FAA nimmt die Produktion von Boeing nun genau unter die Lupe.
Inzwischen haben Boeing-Chef Dave Calhoun und Verwaltungsratschef Larry Kellner ihren Rückzug angekündigt. Der bisherige Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal, gab seinen Posten im März mit sofortiger Wirkung an Stephanie Pope ab.
Seine Position als weltgrößter Flugzeughersteller hatte Boeing schon 2019 an seinen Rivalen Airbus verloren. Nach einem Geschäftseinbruch in der Corona-Krise bereitet sich der europäische Konzern inzwischen auf eine Rekordproduktion vor. Bis zum Jahr 2026 soll die Herstellung der Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo von derzeit etwa 50 auf dann 75 Maschinen pro Monat wachsen. Ob das gelingt, hängt nicht zuletzt von den Zulieferern ab. Engpässe in den Lieferketten begrenzen auch für Airbus die Möglichkeiten.
Boeing hatte für sein Konkurrenzmodell 737 Max für den Zeitraum 2025/2026 eigentlich die Marke von monatlich 50 Maschinen ins Auge gefasst. Auf Geheiß der FAA darf der Hersteller das Ende 2023 erreichte Niveau von 38 Jets pro Monat wegen der entdeckten Qualitätsmängel aber bis auf Weiteres nicht überschreiten./stw/ck/he