11.04.2024 -
Es klingt schon ein wenig paradox: Eilte der Markt zu Jahresbeginn der Fed noch voraus und überbot sich mit Zeit und Tempo der Zinssenkungen für 2024, hat sich das Bild in den vergangenen drei Monaten komplett gedreht. Eine weiterhin robuste US-Wirtschaft und ein etwas ins Stocken geratener Inflationsrückgang lässt viele Marktteilnehmer am baldigen Beginn des Fed- Zinssenkungszyklus zweifeln. Einige Stimmen sehen sogar noch eine Zinserhöhung im Bereich des Möglichen. Wir erwarten unverändert, dass die Fed in diesem Jahr die Zinsen senken wird. Ohnehin überlagert die Diskussion um das Timing der Fed-Zinssenkung die Tatsache, dass mit der SNB die erste G10-Notenbank im März den Zinssenkungszyklus gestartet hat und fast alle wichtigen Notenbanken mit Ausnahme der Bank of Japan Zinssenkungen angekündigt haben. Die EZB sollte im Juni ihren Zinssenkungszyklus starten, die Fed dann im Juli oder spätestens im September. Die Kombination aus globalem Zinssenkungszyklus und weiter hohem Nominalwachstum ist unverändert positiv für die Aktienmärkte und spricht für eine breite Aufwärtsbewegung auch außerhalb von US Big Tech.
Der langsamere Inflationsfortschritt in den USA ändert nichts an einem weiter intakten Disinflationstrend. Noch entscheidender aber ist, dass sich die US-Notenbank Fed selbst die Latte für Zinssenkungen auf ihrer letzten Sitzung tiefer gelegt hat. Die Prognosen für die Kerninflation von 2,6 Prozent in diesem und 2,2 Prozent im nächsten Jahr sind gut genug für Zinssenkungen von 75 Basispunkten 2024 und noch einmal 50 Basispunkten 2025. Die Fed geht weiter davon aus, dass ihre Geldpolitik sehr restriktiv ist und somit ist ungeachtet höherer Wachstums- und Inflationsprognosen genug Platz, die Zinsen zu senken. Selbst mit Zinssenkungen von 75 Basispunkten in diesem Jahr wäre sie immer noch restriktiv, deshalb wird sie diese auch bei einer langsameren Disinflation vornehmen.
Geldpolitische Wege von Fed und EZB trennen sich
Auch wir haben unsere Prognose für die US-Wirtschaft für 2024 nach oben korrigiert und erwarten nun, dass sich das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte zwar in Richtung zwei Prozent verlangsamt, eine Rezession dürfte aber vermieden werden. Mit dieser Aufwärtsrevision des US- Wachstums verstärkt sich die Wachstumsdivergenz zwischen Europa und den USA weiter. Zudem ist der Disinflationstrend in Europa in den vergangenen Monaten deutlich stärker ausgeprägt als in den USA. Die Euro-Inflation ist im März bereits mit 2,4 Prozent nah an das EZB-Ziel herangerückt. Im Spätsommer sollte die Zwei-Prozent-Marke unterschritten werden. Es bleibt eine unserer Grundüberzeugungen, dass sich die geldpolitischen Wege von Fed und EZB in den kommenden 24 Monaten deutlich stärker trennen werden als derzeit vom Markt angenommen, was insbesondere auf dem Euro lasten sollte. Die EZB dürfte die Leitzinsen in den kommenden 24 Monaten um rund 150 Basispunkte stärker senken als die Fed - dies wäre dann mit einer Parität im Wechselkurs kompatibel.
Keine Aktienblase wie zur Jahrtausendwende
Die Kombination aus fallender Inflation bzw. Zinssenkungen und robustem Nominalwachstum bleibt eine unverändert günstige Konstellation für Risiko-Assets. Das hohe Nominalwachstum stützt die Unternehmensgewinne und die Zinssenkungsperspektive bzw. die niedrige Zinsvolatilität untermauert die Bewertungen an den Aktienmärkten. Gerade für das Segment US Big Tech/Growth bleiben wir sehr positiv; das beschriebene zyklische Umfeld ist weiter unterstützend und die KI- Fantasie in Verbindung mit den angebotsseitigen, disinflationären Verbesserungen der US- Wirtschaft schafft strukturell ein sehr attraktives Investitionsumfeld. Die überragende Margen- und Gewinnstärke unterscheidet die heutige Bewegung klar von der IT-Blase Anfang der 2000er Jahre.
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