DJ IWF: Kurzfristige Stabilitätsrisiken haben sich verringert
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die kurzfristigen Risiken für die Stabilität des weltweiten Finanzsystems haben sich aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) seit Herbst 2023 verringert. In seinem aktuellen Finanzstabilitätsbericht weist der IWF allerdings darauf hin, dass auf der "letzten Meile" des Rückgangs der Inflation in den Zielbereich einige auffällige Stabilitätsrisiken lauerten. Besonders prominent: Der Gewerbeimmobiliensektor. "Obwohl die Banken gut aufgestellt zu sein scheinen, diese Verluste insgesamt aufzufangen, könnten bestimmte Länder stärker belastet werden, da ihre Banken große Mengen an Gewerbeimmobilienkrediten halten", schreibt der IWF.
Unter den großen Industrieländern sind das laut einer vom IWF gezeigten Grafik vor allem Japan und Deutschland, in denen über 10 Prozent der ausgereichten Kredite auf diesen Sektor entfallen. Die stärkste Exponierung weisen im Euroraum Zypern (28 Prozent) und Lettland (22 Prozent) auf. Innerhalb eines Bankensystems könnten laut IWF bestimmte Banken größere Verluste erleiden, in einigen Fällen verschärft durch Probleme wie eine weniger stabile Finanzierung.
Die Volatilität ist für die meisten Asset-Klassen auf mehrjährige Tiefstände gesunken. Grund ist, dass Anleger zunehmend der Ansicht sind, dass keine weiteren Zinserhöhungen mehr drohen. Der IWF warnt aber: "Diese niedrige Volatilität verdeckt die Tatsache, dass die Finanzierungsbedingungen in diesem Straffungszyklus anfälliger als früher für Datenveröffentlichungen geworden sind, vor allem für Inflationsdaten."
Vor allem Inflationsüberraschungen könnten schlagartig die Stimmung unter den Investoren verändern, zu einer höheren Volatilität, Preisrückgängen bei verbundenen Asset-Klassen und damit einer starken Straffung der Finanzierungsbedingungen führen. "Plötzliche Änderungen in der Politik, ein Aufflammen geopolitischer Spannungen und Unterbrechungen der Rohstoff- und Lieferketten sind einige Beispiele für Katalysatoren, die die derzeitigen Erwartungen an die Inflationsentwicklung und damit auch an die Geldpolitik zunichte machen könnten", schreibt Tobias Adrian, Finanzberater und Direktor der Abteilung Geld- und Kapitalmärkte des IWF, in einem Blog-Beitrag.
Die zuständigen Behörden könnten dagegen angehen, in dem sie die Investoren vor zu viel Optimismus hinsichtlich der bevorstehenden Zinssenkungen warnten. "Trotz einer Reihe von Inflationsüberraschungen in den USA wird für die Federal Reserve (in diesem Jahr) immer noch mit Zinssenkungen um 50 Basispunkte gerechnet", merkt Adrian an. Wenn aber die Inflation hoch bleibe, könnte das zu einem breiten Ausverkauf bei Assets von der Aktie bis zum Krypto-Asset kommen.
Als ein mittelfristiges Stabilitätsrisiko hat der IWF die hohe Staatsverschuldung identifiziert. "Sowohl die öffentliche als auch die private Verschuldung nimmt in den Industrie- und Schwellenländern zu, und das könnte Schocks verstärken und die Abwärtsrisiken für späteres Wirtschaftswachstum verstärken", heißt es dazu. Zentralbanken verkleinerten ihre Staatsanleihebestände und andere Käufer wie Hedge Fonds seien sehr viel preissensitiver geworden. "Das deutet auf eine mittelfristig höhere Volatilität an diesem Markt hin."
Der IWF rät den Zentralbanken von einer vorzeitigen Lockerung ihrer Geldpolitik ab. Wo die Inflation dauerhaft in den Zielbereich zurückzugehen verspreche, könnten Zentralbanken aber zu einer neutraleren Ausrichtung umschwenken.
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