07.05.2024 -
Die Bundesregierung hat mit dem Generationenkapital den Einstieg in die kapitalgedeckte Rente beschlossen - in Zeiten klammer Bundeshaushalte und schwacher Konjunktur. Und offenbar ist die FDP, die sich das Projekt Aktienrente auf die Fahnen geschrieben hatte, mit dem verabschiedeten Gesetzentwurf inzwischen selbst nicht mehr zufrieden. Dabei könnte das Generationenkapital anderweitig effizienter investiert werden.
Das grundsätzliche Problem ist schon seit Jahrzehnten bekannt: Die Umlagefinanzierung in der gesetzlichen Rentenversicherung stößt bei einer wachsenden Zahl an immer länger lebenden Rentenbeziehern an Ihre Grenzen. Ebenso bekannt ist, dass nun die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge nach und nach in Rente gehen. Keine Frage, eine Kapitaldeckung für die Rente ist sinnvoll. Die Idee: Einen Kapitalstock aufbauen, der an der Börse investiert wird und dessen Renditen künftige Rentenzahlungen finanzieren. Deshalb sind andere Länder diesen Schritt schon vor vielen Jahren gegangen: Rentenbeiträge werden am Kapitalmarkt investiert, die Renditen an der Börse lassen den Kapitalstock mit Zinseszinseffekt anwachsen und bei Renteneintritt steht ausreichend Kapital für die Finanzierung des Lebensabends zur Verfügung.
Doch die Ampel-Regierung hat anstelle einer Aktienrente das Generationenkapital beschlossen. Und das hat aus unserer Sicht etliche Mängel in der Umsetzung, so dass sich an der Situation der künftigen Rentner nichts verbessern wird.
Zunächst gibt es keinen Kapitalstock für die Rentner, sondern für die Rentenversicherung. Die Erträge am Kapitalmarkt dienen also nicht der Erhöhung der künftigen Renten, sondern nur der Beitragsstabilisierung und der Entlastung des Bundes, der schon jetzt die Rentenkasse alljährlich mit mehr als 100 Milliarden Euro unterstützen muss. Das Generationenkapital soll es so ermöglichen, dass das derzeitige Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnitteinkommens beibehalten werden kann.
Handwerkliche Mängel, wenig professionelle UmsetzungDer Umsetzung mangelt es aber noch aus weiteren Gründen an Professionalität. Der einzurichtende Stiftungsfonds soll bis 2035 alljährlich 12 Milliarden Euro aus Bundesmitteln sowie bundeseigene Aktienbestände erhalten, so dass am Ende dieser Phase 200 Milliarden Euro als Kapitalstock zur Verfügung stehen. Allerdings sollen diese 200 Milliarden zum größten Teil durch neue Bundesanleihen finanziert werden. Der Staat macht also Schulden, um die Börseninvestments für die Rentenkasse zu finanzieren. Der FDP-Parteitag vom vorigen Wochenende hat gezeigt, dass selbst die liberale Parteibasis mit der Schuldenfinanzierung alles andere als glücklich ist und deshalb Änderungen am Generationenkapital fordert. Auch Börsenprofis würden jedem Privatanleger davon abraten, denn die Kosten für die Kreditfinanzierung - aktuell etwa 2,5 bis 3,5 Prozent pro Jahr für Bundesanleihen verschiedener Laufzeiten - müssen auch bezahlt werden, wenn es an der Börse mal nicht so läuft. Die Verwaltungsgebühren für das Fondsmanagement kämen noch obendrauf.
Ab 2036 soll der geplante Stiftungsfonds dann jedes Jahr 10 Milliarden Euro an die Rentenversicherung überweisen. Das entspräche einer Rendite von fünf Prozent. Weil aber auch die Kupons der Bundesanleihen aus den Erträgen beglichen werden sollen, muss die Rendite entsprechend höher ausfallen. Muss der Kapitalstock in einem optimistischen Szenario zum Beispiel nur 7,5 Prozent Rendite bringen, ist selbst das im langjährigen Durchschnitt nur mit Aktieninvestments zu schaffen, die höhere Verlustrisiken bergen als etwa Anleihen. Fünf Prozent Netto-Rendite sind zwar im langjährigen Durchschnitt realistisch, dann allerdings mit deutlichen Schwankungen verbunden. Um eine so hohe Rendite konstant über die Jahre zu erzielen, müssen nach unserer Erfahrung auch Kursgewinne realisiert, also Aktien oder Anleihen aus dem Kapitalstock verkauft werden. In schwachen Börsenjahren dürfte es also eng werden, die Rentenkasse um 10 Milliarden zu entlasten, ohne den Kapitalstock anzugreifen.
Zu klein und zu spätDer weitaus größte Mangel des Generationenkapitals ist jedoch, dass es zu klein ist und zu spät kommt, um eine wirkliche Entlastung der Rentenkasse zu erreichen. Zehn Milliarden machen bei jährlichen Gesamtausgaben von 360 Milliarden Euro kaum einen Unterschied. Ein Kapitalstock, der mit jährlichen Ausschüttungen von 50 bis 60 Milliarden tatsächlich eine Entlastung brächte, müsste ein Volumen von 800 bis 1000 Milliarden Euro haben. 200 Milliarden Euro sind zwar ein Anfang, müssten aber in der Folge unbedingt weiter aufgestockt werden.
Nicht nur der Umfang, auch das Timing des Projekts Generationenkapital ist ungewöhnlich, zumal die FDP ihr Herzensprojekt auch schon in der Regierungszeit Angela Merkel hätte durchsetzen können. So wurde eine historische Aktienmarktrally über mehr als ein Jahrzehnt verpasst und ein Einstiegszeitpunkt gewählt, in dem Aktien bereits teuer sind und die Märkte vor einer Korrektur stehen könnten.
Die Milliarden wären in Bildung, Infrastruktur und Steuervorteile besser investiertDas Kapital für das Generationenkapital wäre aus unserer Sicht in anderer Weise besser angelegt. Ein Investitionsprogramm für Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur beispielsweise hätte in der geplanten Größenordnung sicher einen größeren Wohlstandseffekt. Oder man orientiert sich an den 401k-Konten in den USA. Dort können Arbeitnehmer schon seit Jahrzehnten einen Teil ihres Einkommens freiwillig und steuerbegünstigt mit Sparplänen an der Börse investieren und später für ihre Altersvorsorge wieder entnehmen. So profitieren Beitragszahler bei Renteneintritt direkt von den erzielten Kapitalmarktrenditen.
Ähnlich ist es in Schweden. Dort fließen 2,5 Prozent des Einkommens in eigens zugelassene Investmentfonds, entweder einen großen staatlichen Fonds oder in Hunderte privatwirtschaftliche Fondslösungen. Der Beitragszahler entscheidet dabei über das Investment, er trägt somit auch das Risiko. Der staatliche Fonds ist mit einer Rendite von 12,5 Prozent pro Jahr sehr erfolgreich, das System genießt große Akzeptanz in der Bevölkerung.
Mit dem Generationenkapital ist so eine hohe Akzeptanz unter deutschen Arbeitnehmern nicht zu erwarten. Am Investment selbst werden sie nicht beteiligt, Erfolge und Risiken sind für die Einzahler nicht spürbar. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit privater Altersvorsorge und die Chancen am Kapitalmarkt wird so jedenfalls nicht gestärkt.
Über die Autoren:
David Wehner ist Head of Liquid Assets, sein Kollege Philipp Paulus ist Research Analyst Portfoliomanagement beim unabhängigen Münchener Vermögensverwalter Do Investment.
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