Mainz (ots) -
Der 128. Deutsche Ärztetag, das "Parlament der Ärzteschaft", ist am vergangenen Freitag zu Ende gegangen. Vom 7. bis 10. Mai kamen 250 ärztliche Abgeordnete aus ganz Deutschland in Mainz zusammen, um gesundheitspolitische Impulse zu setzen und wichtige berufspolitische Themen zu beraten.
Eine Übersicht über die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages, Videos, Reden und Präsentationen sowie Pressefotos sind im Online-Pressezentrum der Bundesärztekammer (https://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/online-pressezentrum/128-deutscher-aerztetag) abrufbar.
Auch an seinem letzten Sitzungstag hat der Deutsche Ärztetag eine Reihe von gesundheits-, sozial- und berufspolitischen Beschlüssen gefasst.
Unter anderem hat der Ärztetag entschiedenere Maßnahmen zur Sicherheit der Arzneimittelversorgung in Deutschland gefordert. Instrumente zur Preisregulierung auf nationaler Ebene wie beispielsweise Rabattverträge und Importquoten müssten sinnvoll angepasst werden. Die Abgeordneten appellierten zudem an die Politik, den notwendigen Schritt zu wagen, die Wirkstoffherstellung in Europa und insbesondere in Deutschland nachhaltig zu etablieren. Zusätzlich sollten die begonnenen Maßnahmen zum Aufbau von Reserven sowie die Etablierung eines Frühwarnsystems intensiviert werden, betonte der Ärztetag.
Interdisziplinäre multimodale Schmerzmedizin in der Klinikreform verankern
Der Deutsche Ärztetag hat Bund und Länder aufgefordert, im Zuge der anstehenden Krankenhausreform für eine bessere und weiterhin flächendeckende Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen zu sorgen. Dazu seien die bereits bestehenden schmerztherapeutischen Versorgungsstrukturen im stationären und teilstationären Bereich zu erhalten sowie bedarfsgerecht und sektorenverbindend auszubauen. In den Plänen der Bundesregierung zur Klinikreform sei eine Förderung der spezialisierten Schmerzmedizin bisher nicht vorgesehen, kritisierte der Ärztetag.
Investorenbetriebene MVZ regulieren
Der Deutsche Ärztetag hat die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag aufgefordert, die mehrfach angekündigte gesetzliche Regulierung von investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) umzusetzen, um die Einflussnahme auf ärztliche Entscheidungen aus kommerziellen Gründen zu erschweren. Die Bundesärztekammer hatte bereits am 9. Januar 2023 die "Positionen der Bundesärztekammer zum Regelungsbedarf für Medizinische Versorgungszentren zur Begrenzung der Übernahme von MVZ durch fachfremde Finanzinvestoren und zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und umfassenden ambulanten Versorgung" (https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Politik/Programme-Positionen/Positionspapier_BAEK_Regelungsbedarf_MVZ_2023_01_09.pdf) veröffentlicht. Darin sind konkrete Formulierungsvorschläge für entsprechende gesetzliche Regelungen enthalten.
Werbeverbot für Suchtmittel erlassen und durchsetzen
Abhängigkeit und problematischer Konsum von Suchtmitteln verursachen große gesundheitliche und soziale Schäden. Der 128. Deutsche Ärztetag hat deshalb die Bundesregierung aufgefordert, endlich die im Koalitionsvertrag angekündigte Verschärfung der Regelungen für Marketing und Sponsoring von Alkohol, Tabak- und Nikotinprodukten umzusetzen. Auch Bund und Länder müssten umfassende Werbeverbote für Alkohol, für Nikotin- und Tabakprodukte und für Glücksspiele erlassen und durchsetzen. Insbesondere mit Blick auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssten die zuständigen Behörden dafür Sorge tragen, dass das Werbeverbot in den sozialen Medien eingehalten werde.
Sicherung der Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung
Der Deutsche Ärztetag hat die politisch Verantwortlichen aufgefordert, eine vollständige und hinreichende Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung sicherzustellen. Hierbei müssten sowohl die ärztliche Tätigkeit der Weiterzubildenden als auch die notwendigen zusätzlichen Kosten auskömmlich finanziert werden. Mit der Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit erfolge eine Teilnahme an der Versorgung der Bevölkerung, stellte der Ärztetag klar. Die Vergütung von ärztlichen Weiterzubildenden müsse in allen Versorgungsbereichen mit den Gehältern im stationären Bereich vergleichbar sein. Hierfür sei eine ausreichende Finanzierung zu gewährleisten.
Berufsbegleitende Sprachkurse für neuapprobierte Ärztinnen und Ärzte
Öffentliche Träger und Arbeitgeber sollten ausländische Ärztinnen und Ärzte auf dem Weg zur Approbation mit geeigneten - insbesondere sprachlichen - Kursangeboten und auch nach bestandener Fachsprachenprüfung unterstützen, um das erreichte Sprachniveau sicherzustellen, forderte der Ärztetag. Ein ausreichender Sprachschatz sei deshalb wichtig, um bei der Aufnahme und Betreuung von Patientinnen und Patienten ein Verständnis für Symptomatik und Erkrankung zu erhalten, so der Ärztetag.
Zugang zu verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln kostenfrei und altersunabhängig ermöglichen
Der Deutsche Ärztetag sprach sich dafür aus, dass die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel unabhängig vom Alter von den Krankenkassen übernommen werden. Dies könne dazu beitragen, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu verringern. Im Jahr 2023 ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland mit mehr als 106 000 gemeldeten Fällen um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bereits im Jahr 2022 war mit rund 104 000 Fällen ein Anstieg um 9,9 Prozent zu verzeichnen gewesen.
Behandlung einer Geschlechtsdysphorie bei Minderjährigen
Der 128. Deutsche Ärztetag hat die Bundesregierung aufgefordert, sogenannte Pubertätsblocker, geschlechtsumwandelnde Hormontherapien oder ebensolche Operationen bei unter 18-Jährigen mit Geschlechtsinkongruenz beziehungsweise Geschlechtsdysphorie nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien und unter Hinzuziehen eines multidisziplinären Teams sowie einer klinischen Ethik-Kommission und nach abgeschlossener medizinischer und insbesondere psychiatrischer Diagnostik und Behandlung eventueller psychischer Störungen zu gestatten. Dabei müssten die Therapieergebnisse jeglicher Interventionen dieser Art soziologisch, medizinisch, kinder- und jugendpsychiatrisch, sozial und psychologisch über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren nachverfolgt werden. Die Evaluationsergebnisse sollten in die Leitlinie "Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung" einfließen.
Sonderstellung von Homöopathie in Abrechnungssystemen beenden
Der 128. Deutsche Ärztetag hat den Gesetzgeber aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, damit Homöopathie nicht als Kassenleistung abgerechnet und als Entität mit Sonderstatus in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erwähnt werden kann. Die Homöopathie-Anwendung sei nicht mit den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin vereinbar und könne keine erstattungsfähige ärztliche Leistung sein, heißt es in dem Beschluss.
Notarztindikationskatalog bundesweite anwenden
Der 128. Deutsche Ärztetag 2024 hat die Verantwortlichen in Bund und Ländern aufgefordert, die Empfehlungen der Bundesärztekammer für den "Indikationskatalog für den Notarzteinsatz - Handreichung für Disponenten in Rettungsleitstellen und Notdienstzentralen" (https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Medizin_und_Ethik/2023-11-23_Bek_BAEK_NAIK.pdf) (NAIK) zügig anzuwenden. Ziel sei es, Fehlalarmierungen zu reduzieren. NAIK trage zudem dazu bei, die Handlungsgrundlage von Rettungsleitstellen und Notdienstzentralen bundesweit weitgehend zu vereinheitlichen und die ärztlichen Kompetenzen in der präklinischen Versorgung klarzustellen.
Paradigmenwechsel in der Qualitätssicherung
Die gesetzliche Qualitätssicherung (QS) gehört nach Auffassung des Deutschen Ärztetages dringend auf den Prüfstand. Der "überbordende QS-Kontroll- und Sanktionsapparat" koste vor allem zusätzliche ärztliche Arbeitszeit, anstatt Versorgungsqualität zu fördern.
Die Abgeordneten mahnten an, dass die Qualitätssicherung evidenzbasiert erfolgen und sich am Nutzen für die Versorgung orientieren müsse. Leitmaxime müsse das Gebot der Datensparsamkeit und die Senkung der Dokumentationslast sein. Ärztinnen und Ärzte sollten Qualitätssicherung als konkrete Hilfestellung für ihre ärztliche Tätigkeit an Patientinnen und Patienten wahrnehmen.
Rehabilitation bedarfsdeckend in der Versorgung etablieren
Der Deutsche Ärztetag hat darauf hingewiesen, dass eine bedarfsdeckende Etablierung mobiler Rehabilitation einen wirksamen Beitrag für ein inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen leisten kann. Das Ärzteparlament hat deshalb die Weiterentwicklung der mobilen Rehabilitation durch ein Konzept der mobilen indikationsübergreifenden Rehabilitation auch für nicht geriatrische Patientinnen und Patienten gefordert. Ziel müsse es sein, alle Patientinnen und Patienten mit Rehabilitationsbedarf zu erreichen, Pflegebedürftigkeit zu vermindern, die Teilhabesicherung nachhaltig zu unterstützen und einen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit auch als Beitrag zur langfristigen Kostensenkung im Gesundheitswesen zu unterstützen. Der Ärztetag sprach sich zudem für Frührehabilitation in allen Krankenhäusern mit Versorgung komplexer Fälle aus. Für komplexe Fälle sollte frühestmöglich noch im Akutkrankenhaus die nahtlose Rehabilitationskette beginnen, betonten die Abgeordneten in einem weiteren Beschluss.
Unabhängigkeit der ethischen Bewertung von klinischen Studien sicherstellen
Bereits am Dienstag hatte der Deutsche Ärztetag den Gesetzgeber aufgefordert, im Rahmen der aktuellen parlamentarischen Beratungen für ein nationales Medizinforschungsgesetz (MFG) die Unabhängigkeit der ethischen Bewertung von klinischen Prüfungen zu erhalten und die hoch umstrittene Errichtung einer sogenannten Spezialisierten Ethik-Kommission zu stoppen. Die im Entwurf eines Medizinforschungsgesetzes vorgesehene Errichtung einer Ethik-Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als dem Bundesministerium für Gesundheit nachgeordnete und weisungsgebundene staatliche Behörde stelle die Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben grundlegend in Frage, warnte der Ärztetag.
Die Unabhängigkeit einer Ethik-Kommission sei eine zentrale Anforderung gemäß der 1964 erstmals vom Weltärztebund verabschiedeten Deklaration von Helsinki, die international anerkannte ethische Standards für die Forschung am Menschen setzt. Eine unabhängige ethische Bewertung von Forschungsvorhaben sei ein zentraler Eckpfeiler des Probandenschutzes im Kontext von klinischen Prüfungen. Der Regelungsansatz sei umso bedenklicher, als diese Kommission gerade für die komplexen und damit inhärent auch riskanten Forschungsvorhaben an hoch vulnerablen Patientengruppen zuständig sein soll.
Gegen erweiterte Einflussnahme von Landesbehörden auf Zulassungsausschüsse
Der Deutsche Ärztetag lehnt die im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) vorgesehene Ausweitung der Einflussnahme von Landesbehörden auf die Zulassungsausschüsse von Ärzteschaft und Krankenkassen entschieden ab und fordert den Gesetzgeber auf, die Regelung im Sinne des Erhalts einer funktionalen Selbstverwaltung aus dem Gesetzesentwurf zu streichen. Die Regelung, nach der Beschlüsse über zulassungsrechtliche Verfahren der Zulassungsausschüsse nur noch im Einvernehmen mit der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörde zu treffen sind, komme einer Verstaatlichung der Gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzteschaft und Krankenkassen im Bereich einer ihrer Kernkompetenzen gleich.
Einbindung in Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschuss
In einem weiteren Beschluss forderte das Ärzteparlament die Einbindung der Berufsverbände an den Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Der Gesetzgeber solle die Beteiligung der Interessenvertretungen betroffener ärztlicher Fachgruppen bei Beratungen des G-BA obligatorisch vorsehen, heißt es darin. Es sei notwendig, dass der Gemeinsame Bundesausschuss als maßgeblicher rahmenrechtlicher Gestalter der Versorgung der Patientinnen und Patienten aufgrund der zunehmenden Ambulantisierung der Versorgung und sektorübergreifenden Einrichtungen eine obligatorische Mitberatung betroffener und sachkundiger Interessenvertretungen nutzt, so das Ärzteparlament.
Mit den Beratungen am vergangenen Freitag ging der 128. Deutsche Ärztetag zu Ende. Der nächste Deutsche Ärztetag findet vom 27. bis 30. Mai 2025 in Leipzig statt.
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Der 128. Deutsche Ärztetag, das "Parlament der Ärzteschaft", ist am vergangenen Freitag zu Ende gegangen. Vom 7. bis 10. Mai kamen 250 ärztliche Abgeordnete aus ganz Deutschland in Mainz zusammen, um gesundheitspolitische Impulse zu setzen und wichtige berufspolitische Themen zu beraten.
Eine Übersicht über die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages, Videos, Reden und Präsentationen sowie Pressefotos sind im Online-Pressezentrum der Bundesärztekammer (https://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/online-pressezentrum/128-deutscher-aerztetag) abrufbar.
Auch an seinem letzten Sitzungstag hat der Deutsche Ärztetag eine Reihe von gesundheits-, sozial- und berufspolitischen Beschlüssen gefasst.
Unter anderem hat der Ärztetag entschiedenere Maßnahmen zur Sicherheit der Arzneimittelversorgung in Deutschland gefordert. Instrumente zur Preisregulierung auf nationaler Ebene wie beispielsweise Rabattverträge und Importquoten müssten sinnvoll angepasst werden. Die Abgeordneten appellierten zudem an die Politik, den notwendigen Schritt zu wagen, die Wirkstoffherstellung in Europa und insbesondere in Deutschland nachhaltig zu etablieren. Zusätzlich sollten die begonnenen Maßnahmen zum Aufbau von Reserven sowie die Etablierung eines Frühwarnsystems intensiviert werden, betonte der Ärztetag.
Interdisziplinäre multimodale Schmerzmedizin in der Klinikreform verankern
Der Deutsche Ärztetag hat Bund und Länder aufgefordert, im Zuge der anstehenden Krankenhausreform für eine bessere und weiterhin flächendeckende Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen zu sorgen. Dazu seien die bereits bestehenden schmerztherapeutischen Versorgungsstrukturen im stationären und teilstationären Bereich zu erhalten sowie bedarfsgerecht und sektorenverbindend auszubauen. In den Plänen der Bundesregierung zur Klinikreform sei eine Förderung der spezialisierten Schmerzmedizin bisher nicht vorgesehen, kritisierte der Ärztetag.
Investorenbetriebene MVZ regulieren
Der Deutsche Ärztetag hat die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag aufgefordert, die mehrfach angekündigte gesetzliche Regulierung von investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) umzusetzen, um die Einflussnahme auf ärztliche Entscheidungen aus kommerziellen Gründen zu erschweren. Die Bundesärztekammer hatte bereits am 9. Januar 2023 die "Positionen der Bundesärztekammer zum Regelungsbedarf für Medizinische Versorgungszentren zur Begrenzung der Übernahme von MVZ durch fachfremde Finanzinvestoren und zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und umfassenden ambulanten Versorgung" (https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Politik/Programme-Positionen/Positionspapier_BAEK_Regelungsbedarf_MVZ_2023_01_09.pdf) veröffentlicht. Darin sind konkrete Formulierungsvorschläge für entsprechende gesetzliche Regelungen enthalten.
Werbeverbot für Suchtmittel erlassen und durchsetzen
Abhängigkeit und problematischer Konsum von Suchtmitteln verursachen große gesundheitliche und soziale Schäden. Der 128. Deutsche Ärztetag hat deshalb die Bundesregierung aufgefordert, endlich die im Koalitionsvertrag angekündigte Verschärfung der Regelungen für Marketing und Sponsoring von Alkohol, Tabak- und Nikotinprodukten umzusetzen. Auch Bund und Länder müssten umfassende Werbeverbote für Alkohol, für Nikotin- und Tabakprodukte und für Glücksspiele erlassen und durchsetzen. Insbesondere mit Blick auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssten die zuständigen Behörden dafür Sorge tragen, dass das Werbeverbot in den sozialen Medien eingehalten werde.
Sicherung der Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung
Der Deutsche Ärztetag hat die politisch Verantwortlichen aufgefordert, eine vollständige und hinreichende Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung sicherzustellen. Hierbei müssten sowohl die ärztliche Tätigkeit der Weiterzubildenden als auch die notwendigen zusätzlichen Kosten auskömmlich finanziert werden. Mit der Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit erfolge eine Teilnahme an der Versorgung der Bevölkerung, stellte der Ärztetag klar. Die Vergütung von ärztlichen Weiterzubildenden müsse in allen Versorgungsbereichen mit den Gehältern im stationären Bereich vergleichbar sein. Hierfür sei eine ausreichende Finanzierung zu gewährleisten.
Berufsbegleitende Sprachkurse für neuapprobierte Ärztinnen und Ärzte
Öffentliche Träger und Arbeitgeber sollten ausländische Ärztinnen und Ärzte auf dem Weg zur Approbation mit geeigneten - insbesondere sprachlichen - Kursangeboten und auch nach bestandener Fachsprachenprüfung unterstützen, um das erreichte Sprachniveau sicherzustellen, forderte der Ärztetag. Ein ausreichender Sprachschatz sei deshalb wichtig, um bei der Aufnahme und Betreuung von Patientinnen und Patienten ein Verständnis für Symptomatik und Erkrankung zu erhalten, so der Ärztetag.
Zugang zu verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln kostenfrei und altersunabhängig ermöglichen
Der Deutsche Ärztetag sprach sich dafür aus, dass die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel unabhängig vom Alter von den Krankenkassen übernommen werden. Dies könne dazu beitragen, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu verringern. Im Jahr 2023 ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland mit mehr als 106 000 gemeldeten Fällen um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bereits im Jahr 2022 war mit rund 104 000 Fällen ein Anstieg um 9,9 Prozent zu verzeichnen gewesen.
Behandlung einer Geschlechtsdysphorie bei Minderjährigen
Der 128. Deutsche Ärztetag hat die Bundesregierung aufgefordert, sogenannte Pubertätsblocker, geschlechtsumwandelnde Hormontherapien oder ebensolche Operationen bei unter 18-Jährigen mit Geschlechtsinkongruenz beziehungsweise Geschlechtsdysphorie nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien und unter Hinzuziehen eines multidisziplinären Teams sowie einer klinischen Ethik-Kommission und nach abgeschlossener medizinischer und insbesondere psychiatrischer Diagnostik und Behandlung eventueller psychischer Störungen zu gestatten. Dabei müssten die Therapieergebnisse jeglicher Interventionen dieser Art soziologisch, medizinisch, kinder- und jugendpsychiatrisch, sozial und psychologisch über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren nachverfolgt werden. Die Evaluationsergebnisse sollten in die Leitlinie "Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung" einfließen.
Sonderstellung von Homöopathie in Abrechnungssystemen beenden
Der 128. Deutsche Ärztetag hat den Gesetzgeber aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, damit Homöopathie nicht als Kassenleistung abgerechnet und als Entität mit Sonderstatus in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erwähnt werden kann. Die Homöopathie-Anwendung sei nicht mit den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin vereinbar und könne keine erstattungsfähige ärztliche Leistung sein, heißt es in dem Beschluss.
Notarztindikationskatalog bundesweite anwenden
Der 128. Deutsche Ärztetag 2024 hat die Verantwortlichen in Bund und Ländern aufgefordert, die Empfehlungen der Bundesärztekammer für den "Indikationskatalog für den Notarzteinsatz - Handreichung für Disponenten in Rettungsleitstellen und Notdienstzentralen" (https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Medizin_und_Ethik/2023-11-23_Bek_BAEK_NAIK.pdf) (NAIK) zügig anzuwenden. Ziel sei es, Fehlalarmierungen zu reduzieren. NAIK trage zudem dazu bei, die Handlungsgrundlage von Rettungsleitstellen und Notdienstzentralen bundesweit weitgehend zu vereinheitlichen und die ärztlichen Kompetenzen in der präklinischen Versorgung klarzustellen.
Paradigmenwechsel in der Qualitätssicherung
Die gesetzliche Qualitätssicherung (QS) gehört nach Auffassung des Deutschen Ärztetages dringend auf den Prüfstand. Der "überbordende QS-Kontroll- und Sanktionsapparat" koste vor allem zusätzliche ärztliche Arbeitszeit, anstatt Versorgungsqualität zu fördern.
Die Abgeordneten mahnten an, dass die Qualitätssicherung evidenzbasiert erfolgen und sich am Nutzen für die Versorgung orientieren müsse. Leitmaxime müsse das Gebot der Datensparsamkeit und die Senkung der Dokumentationslast sein. Ärztinnen und Ärzte sollten Qualitätssicherung als konkrete Hilfestellung für ihre ärztliche Tätigkeit an Patientinnen und Patienten wahrnehmen.
Rehabilitation bedarfsdeckend in der Versorgung etablieren
Der Deutsche Ärztetag hat darauf hingewiesen, dass eine bedarfsdeckende Etablierung mobiler Rehabilitation einen wirksamen Beitrag für ein inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen leisten kann. Das Ärzteparlament hat deshalb die Weiterentwicklung der mobilen Rehabilitation durch ein Konzept der mobilen indikationsübergreifenden Rehabilitation auch für nicht geriatrische Patientinnen und Patienten gefordert. Ziel müsse es sein, alle Patientinnen und Patienten mit Rehabilitationsbedarf zu erreichen, Pflegebedürftigkeit zu vermindern, die Teilhabesicherung nachhaltig zu unterstützen und einen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit auch als Beitrag zur langfristigen Kostensenkung im Gesundheitswesen zu unterstützen. Der Ärztetag sprach sich zudem für Frührehabilitation in allen Krankenhäusern mit Versorgung komplexer Fälle aus. Für komplexe Fälle sollte frühestmöglich noch im Akutkrankenhaus die nahtlose Rehabilitationskette beginnen, betonten die Abgeordneten in einem weiteren Beschluss.
Unabhängigkeit der ethischen Bewertung von klinischen Studien sicherstellen
Bereits am Dienstag hatte der Deutsche Ärztetag den Gesetzgeber aufgefordert, im Rahmen der aktuellen parlamentarischen Beratungen für ein nationales Medizinforschungsgesetz (MFG) die Unabhängigkeit der ethischen Bewertung von klinischen Prüfungen zu erhalten und die hoch umstrittene Errichtung einer sogenannten Spezialisierten Ethik-Kommission zu stoppen. Die im Entwurf eines Medizinforschungsgesetzes vorgesehene Errichtung einer Ethik-Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als dem Bundesministerium für Gesundheit nachgeordnete und weisungsgebundene staatliche Behörde stelle die Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben grundlegend in Frage, warnte der Ärztetag.
Die Unabhängigkeit einer Ethik-Kommission sei eine zentrale Anforderung gemäß der 1964 erstmals vom Weltärztebund verabschiedeten Deklaration von Helsinki, die international anerkannte ethische Standards für die Forschung am Menschen setzt. Eine unabhängige ethische Bewertung von Forschungsvorhaben sei ein zentraler Eckpfeiler des Probandenschutzes im Kontext von klinischen Prüfungen. Der Regelungsansatz sei umso bedenklicher, als diese Kommission gerade für die komplexen und damit inhärent auch riskanten Forschungsvorhaben an hoch vulnerablen Patientengruppen zuständig sein soll.
Gegen erweiterte Einflussnahme von Landesbehörden auf Zulassungsausschüsse
Der Deutsche Ärztetag lehnt die im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) vorgesehene Ausweitung der Einflussnahme von Landesbehörden auf die Zulassungsausschüsse von Ärzteschaft und Krankenkassen entschieden ab und fordert den Gesetzgeber auf, die Regelung im Sinne des Erhalts einer funktionalen Selbstverwaltung aus dem Gesetzesentwurf zu streichen. Die Regelung, nach der Beschlüsse über zulassungsrechtliche Verfahren der Zulassungsausschüsse nur noch im Einvernehmen mit der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörde zu treffen sind, komme einer Verstaatlichung der Gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzteschaft und Krankenkassen im Bereich einer ihrer Kernkompetenzen gleich.
Einbindung in Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschuss
In einem weiteren Beschluss forderte das Ärzteparlament die Einbindung der Berufsverbände an den Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Der Gesetzgeber solle die Beteiligung der Interessenvertretungen betroffener ärztlicher Fachgruppen bei Beratungen des G-BA obligatorisch vorsehen, heißt es darin. Es sei notwendig, dass der Gemeinsame Bundesausschuss als maßgeblicher rahmenrechtlicher Gestalter der Versorgung der Patientinnen und Patienten aufgrund der zunehmenden Ambulantisierung der Versorgung und sektorübergreifenden Einrichtungen eine obligatorische Mitberatung betroffener und sachkundiger Interessenvertretungen nutzt, so das Ärzteparlament.
Mit den Beratungen am vergangenen Freitag ging der 128. Deutsche Ärztetag zu Ende. Der nächste Deutsche Ärztetag findet vom 27. bis 30. Mai 2025 in Leipzig statt.
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