Berlin (ots) -
Bei diesen Bildern aus Peking dürfte Olaf Scholz im Kanzlerbüro die Fäuste ballen. Oder klopft sich der Kanzler doch heimlich auf die Schulter? Vier Wochen ist es her, dass der Kanzler nach China reiste und Präsident Xi Jinping bis zur Selbstverleugnung umwarb, damit der endlich auf ein Ende des Ukraine-Kriegs und den Abzug russischer Truppen hinwirkt. Xis Antwort: Er empfängt den russischen Kriegsherren Wladimir Putin mit größtem Pomp als alten Freund, beide demonstrieren den engen Schulterschluss - und plädieren dann vage für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg, ohne sich irgendwie festzulegen. Ist das der Kurswechsel, den Scholz erreichen wollte?
Wohl kaum. Eher ist es der Zynismus zweier Autokraten, die ein böses Spiel mit den Friedenshoffnungen in Europa treiben: Der Frieden, den sie meinen, wäre nach Lage der Dinge eine umfangreiche Verzichtslösung zulasten der Ukraine, wie Putin sie schon mehrfach ins Gespräch gebracht hat. Enttäuschend, dass Xi sich dafür hergibt. Der Kremlherrscher wusste schon, warum ihn die erste Auslandsreise seiner neuen Amtszeit nach Peking führt: China erklärt sich zwar offiziell für neutral, in Wahrheit aber ist es Russlands wichtigster Partner, ohne dessen Unterstützung Putin große Schwierigkeiten hätte, seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine durchzuhalten.
Xi hat diesen Krieg ursprünglich nicht befürwortet, er hat auch kein Interesse an einer Eskalation, schon gar nicht an einem russischen Atombombeneinsatz. Aber inzwischen hat der chinesische Präsident erkannt, wie nützlich ihm eine möglichst lange Fortsetzung des Konfliktes in Osteuropa sein kann.
Der Westen muss mit der jahrelangen Unterstützung der Ukraine enorme Lasten schultern, die Europas Einigkeit auf eine quälende Probe stellen und die die USA ablenken von ihrem strategischen Engagement in Fernost. Peking lernt aus diesem Krieg viel darüber, welche Risiken ein Angriff auf Taiwan haben könnte. Und wer weiß: Wenn die Ukraine den Krieg doch noch verlieren sollte, würde das die globale Rolle des Rivalen USA erneut schwächen. Vereint in ihrer Gegnerschaft zu Amerika stärken Xi und Putin ihre Kooperation zum gegenseitigen Nutzen: Russland verkauft China zu Schleuderpreisen Gas, Öl und andere Rohstoffe, die es anderswo wegen der Sanktionen nicht mehr los wird. China liefert dafür Putin, was er braucht: auch Industriegüter und Elektronik, die für den Waffenbau genutzt werden können. Allerdings: Die Lieferung tödlicher Waffen gehört bislang wohl nicht dazu. Grenzenlos ist die Freundschaft eben doch nicht.
Xi übt den strategischen Spagat. Er will Russland stützen, ohne es sich mit dem Westen zu verderben. Putin regiert ein Land im Niedergang, er setzt auf Destruktion - China steigt auf, es will Stabilität, es braucht den Zugang zu den Weltmärkten, zu Europa und den USA. China fürchtet eine Sanktionierung durch den Westen und reagiert deshalb durchaus sensibel auf Druck, zuletzt ging die Ausfuhr von kritischen Gütern nach Russland zurück. Darauf sollte der Westen jetzt aufbauen.
Es gilt, Pekings Doppelspiel so gut es geht einzudämmen: Mit Diplomatie, öffentlichem Drängen und eben auch mit Sanktionen gegen chinesische Firmen, die sich am militärisch nutzbaren Technologietransfer nach Russland beteiligen. Vor Illusionen aber ist zu warnen: Als Friedensvermittler im Ukraine-Krieg fällt China aus, solange ihm der Konflikt in die Karten spielt - das dürfte leider noch eine Weile der Fall sein.
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Bei diesen Bildern aus Peking dürfte Olaf Scholz im Kanzlerbüro die Fäuste ballen. Oder klopft sich der Kanzler doch heimlich auf die Schulter? Vier Wochen ist es her, dass der Kanzler nach China reiste und Präsident Xi Jinping bis zur Selbstverleugnung umwarb, damit der endlich auf ein Ende des Ukraine-Kriegs und den Abzug russischer Truppen hinwirkt. Xis Antwort: Er empfängt den russischen Kriegsherren Wladimir Putin mit größtem Pomp als alten Freund, beide demonstrieren den engen Schulterschluss - und plädieren dann vage für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg, ohne sich irgendwie festzulegen. Ist das der Kurswechsel, den Scholz erreichen wollte?
Wohl kaum. Eher ist es der Zynismus zweier Autokraten, die ein böses Spiel mit den Friedenshoffnungen in Europa treiben: Der Frieden, den sie meinen, wäre nach Lage der Dinge eine umfangreiche Verzichtslösung zulasten der Ukraine, wie Putin sie schon mehrfach ins Gespräch gebracht hat. Enttäuschend, dass Xi sich dafür hergibt. Der Kremlherrscher wusste schon, warum ihn die erste Auslandsreise seiner neuen Amtszeit nach Peking führt: China erklärt sich zwar offiziell für neutral, in Wahrheit aber ist es Russlands wichtigster Partner, ohne dessen Unterstützung Putin große Schwierigkeiten hätte, seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine durchzuhalten.
Xi hat diesen Krieg ursprünglich nicht befürwortet, er hat auch kein Interesse an einer Eskalation, schon gar nicht an einem russischen Atombombeneinsatz. Aber inzwischen hat der chinesische Präsident erkannt, wie nützlich ihm eine möglichst lange Fortsetzung des Konfliktes in Osteuropa sein kann.
Der Westen muss mit der jahrelangen Unterstützung der Ukraine enorme Lasten schultern, die Europas Einigkeit auf eine quälende Probe stellen und die die USA ablenken von ihrem strategischen Engagement in Fernost. Peking lernt aus diesem Krieg viel darüber, welche Risiken ein Angriff auf Taiwan haben könnte. Und wer weiß: Wenn die Ukraine den Krieg doch noch verlieren sollte, würde das die globale Rolle des Rivalen USA erneut schwächen. Vereint in ihrer Gegnerschaft zu Amerika stärken Xi und Putin ihre Kooperation zum gegenseitigen Nutzen: Russland verkauft China zu Schleuderpreisen Gas, Öl und andere Rohstoffe, die es anderswo wegen der Sanktionen nicht mehr los wird. China liefert dafür Putin, was er braucht: auch Industriegüter und Elektronik, die für den Waffenbau genutzt werden können. Allerdings: Die Lieferung tödlicher Waffen gehört bislang wohl nicht dazu. Grenzenlos ist die Freundschaft eben doch nicht.
Xi übt den strategischen Spagat. Er will Russland stützen, ohne es sich mit dem Westen zu verderben. Putin regiert ein Land im Niedergang, er setzt auf Destruktion - China steigt auf, es will Stabilität, es braucht den Zugang zu den Weltmärkten, zu Europa und den USA. China fürchtet eine Sanktionierung durch den Westen und reagiert deshalb durchaus sensibel auf Druck, zuletzt ging die Ausfuhr von kritischen Gütern nach Russland zurück. Darauf sollte der Westen jetzt aufbauen.
Es gilt, Pekings Doppelspiel so gut es geht einzudämmen: Mit Diplomatie, öffentlichem Drängen und eben auch mit Sanktionen gegen chinesische Firmen, die sich am militärisch nutzbaren Technologietransfer nach Russland beteiligen. Vor Illusionen aber ist zu warnen: Als Friedensvermittler im Ukraine-Krieg fällt China aus, solange ihm der Konflikt in die Karten spielt - das dürfte leider noch eine Weile der Fall sein.
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