BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts der umfangreichen Nutzung von Drohnen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sieht ein Experte noch großen Nachholbedarf bei der Bundeswehr und ihren Partnern. "Die wenigsten Armeen auf der Welt sind gerüstet für so einen Fall", sagte Fabian Hinz von der Denkfabrik IISS in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. "Die Bundeswehr wird sicherlich auch Probleme haben, einfach, weil das, was wir jetzt in der Ukraine sehen, der massive Einsatz von kleinen, kommerziell verfügbaren Drohnen, eine neue Erfahrung ist."
Heron als erster, wichtiger Schritt
Den Flugbetrieb der neuen und mit Raketen bestückbaren Aufklärungsdrohne Heron TP lobte Hinz als wichtigen Schritt. Bisher habe die Bundeswehr Drohnen nur im Ausland genutzt. "Der Einsatz innerhalb Deutschlands ist mit gewissen bürokratischen Hindernissen verbunden, die durchaus gravierend sein können", sagte Hinz. Dass sich das geändert habe, sei ein wichtiger Meilenstein. Doch gebe es grundsätzlich noch viel Luft.
"Prinzipiell ist die große Herausforderung, zu wissen, was überhaupt die Lehren aus der Ukraine sind", sagte Hinz. Unterschiedliche Systeme seien in verschiedenen Phasen nützlich gewesen. "Die Regeln für die moderne Drohnenkriegsführung werden erst jetzt geschrieben. Deswegen ist es sehr, sehr schwierig, die richtigen Lehren aus dem Krieg zu ziehen und zu antizipieren, was in ein paar Jahren kommen wird und mit welchen Bedrohungen man konfrontiert sein wird."
Entwicklung verschlafen
Hinz kritisierte, dass Deutschland längere Zeit die Entwicklung verschlafen habe. Dabei sei das Design für eine der ersten sogenannten Selbstmord-Drohnen, die Drohne Anti-Radar zum Einsatz gegen gegnerische Radarstellungen, Ende der 1980er Jahre von Dornier entwickelt worden. Sie sei aber in Deutschland nie in Produktion gegangen. "Dann hat das Design irgendwie seinen Weg nach Israel gefunden. Die Israelis haben diese Drohnen dann gebaut als Harpy und weiterentwickelt in die Harop." Die Iraner wiederum hätten die Harpy kopiert, vergrößert und die Steuerung angepasst. "Daraus wurde dann die Shahed-136." Diese Drohne wird auch in der Ukraine häufig von russischen Truppen eingesetzt.
"Wäre Deutschland diesen Weg damals weitergegangen, dann wäre man jetzt natürlich sehr, sehr viel weiter und hätte auch tatsächlich sehr, sehr schlagkräftige Waffen, die man auch an seine Partner mit der Ukraine liefern könnte", sagte Hinz. Auch aus anderer Forschung sei kein wirklich einsatzfähiges Produkt entstanden. "Das ist das prinzipielle Problem. Man hat Forschung, man hat technologische Entwicklung, man hat dann teilweise Prototypen. Aber es war einfach nicht der politische Wille dahinter, die Technologie, die man hat, in ein einsatzfähiges Produkt zu übersetzen." Grund sei das Ende des Kalten Kriegs gewesen. Damals habe Verteidigung als schmutziges Geschäft gegolten. "Und Drohnen sind natürlich deutlich "schmutziger"."/bvi/DP/he