BERLIN (dpa-AFX) - Seit zwei Monaten ist Kiffen in Deutschland für Volljährige legal - mit vielen Beschränkungen und Vorgaben, unter denen auch privater Cannabis-Anbau erlaubt ist. In der neuen Woche soll der Bundestag nun schon erste Änderungen an dem Gesetz beschließen: Nämlich strengere Regeln für Cannabis-Anbauvereine, die zum 1. Juli an den Start gehen können. Im Parlament besiegeln will die Ampel-Koalition daneben auch einen Grenzwert samt Bußgeldern für Cannabis am Steuer. Zu beiden Vorhaben melden Experten jetzt Kritik und Änderungsvorschläge an.
Der Bundestag befasst sich an diesem Montag in zwei Ausschussanhörungen mit den Plänen, die voraussichtlich am Donnerstag verabschiedet werden sollen. Zum einen geht um Nachbesserungen, die der Bund den Ländern zugesagt hat. Damit mit Anbauvereinen keine großen Plantagen entstehen, sollen Genehmigungen verweigert werden können, wenn Anbauflächen oder Gewächshäuser in einem "baulichen Verbund" oder in unmittelbarer Nähe mit denen anderer Vereine stehen. Verboten werden soll, einen gewerblichen Anbieter mit mehreren Dienstleistungen zu beauftragen, um den "nichtgewerblichen Eigenanbaucharakter" zu sichern.
Engpass bei legalem Cannabis?
Bei Befürwortern und künftigen Akteuren treffen die Pläne auf Kritik. Die Maßgaben bildeten eine Gefahr, "im Sinne der Gesundheits- und Jugendprävention sowie der Konkurrenzfähigkeit gegen den Schwarzmarkt effektiv zu handeln", erklärte der Bundesverband der Cannabis Anbauvereinigungen in einer Stellungnahme für die Anhörung. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft warnte, mit den zusätzlichen Hürden wäre es schwerer, eine Produktion aufzubauen. Dadurch käme es weiter zu Engpässen im Zugang zu legalem Cannabis. Ein Profiteur wäre der Schwarzmarkt.
Der Deutsche Hanfverband erklärte in seiner Stellungnahme, einige der Vorschläge würden dazu führen, "dass weniger Anbauvereine gegründet werden und somit ein größerer Schwarzmarktanteil verbleiben wird". Zu den größten Hürden beim Aufbau eines Vereins gehörten hohe Investitionskosten. Fachleute rechnen mit weit mehr als 100 000 Euro für Technik und sonstige Ausstattung bei einem Indoor-Anbau für 500 regelmäßig konsumierende Mitglieder. Attraktiver sei es, einen voll ausgestatteten Anbauraum zu mieten oder zu leasen. Ohne Möglichkeiten für gebündelte Angebote müssten Vereine viele Verträge mit Dienstleistern selbst aushandeln und finanzieren.
Der Bundesverband der Cannabis Anbauvereinigungen Deutschland begrüßte das Ziel, Vereine besser gegen kommerzielle Unternehmungen zu schützen und Großanbauflächen zu untersagen. Die geplanten Änderungen könnten sich aber insbesondere auf nicht kommerzielle Anbauvereinigungen negativ auswirken. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft erläuterte, dass sich kleinere Vereine gerne auf einer gemeinsamen Fläche zusammenschließen würden. Die Standortfindung sei wegen Abstandsregeln ohnehin schon mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Grenzwert für Autofahrer
In einer zweiten Ausschussanhörung geht es um das Straßenverkehrsrecht. Bisher gilt für Cannabis am Steuer die strikte Linie, dass schon beim Nachweis des Wirkstoffes THC Geldbußen oder Punkte drohen. In der Rechtsprechung hat sich ein niedriger Wert von 1 Nanogramm je Milliliter Blut etabliert.
Nun will die Koalition wie bei der 0,5-Promille-Marke für Alkohol per Gesetz einen Grenzwert festlegen, an dem die Toleranz endet: Wer mit 3,5 Nanogramm oder mehr unterwegs ist, riskiert demnach in der Regel 500 Euro und einen Monat Fahrverbot. Um riskanten "Mischkonsum" strenger zu ahnden, soll bei Cannabiskonsum ein Alkoholverbot kommen - und ein höheres Bußgeld von 1000 Euro. Außerdem soll in der Probezeit nach dem Führerscheinerwerb und für unter 21-Jährige wie bei Alkohol ein Cannabis-Verbot gelten. Sanktion: in der Regel ein Punkt und 250 Euro.
Der Autofahrerclub ADAC hält den Grenzwert in der Höhe für plausibel. "Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Verkehrssicherheit dadurch beeinträchtigt werden", heißt es in der Stellungnahme. Wichtig sei aber, keinen falschen Eindruck zu vermitteln. Nach dem Stand der Wissenschaft könnten wegen einer fehlenden Dosis-Wirkungs-Beziehung keine mit Alkohol vergleichbaren Grenzwerte festgelegt werden. "Es besteht nicht die Möglichkeit, sich an einen Grenzwert 'heranzukiffen'." Daher gelte unmissverständlich: "Wer fährt, kifft nicht!"
"Null Toleranz" für Cannabis plus Alkohol
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft mahnt Änderungen in puncto Mischkonsum an. Denn der Entwurf ermöglichte es, weiter bis zu 0,5 Promille Alkohol und bis zu 3,5 Nanogramm THC im Blut zu haben. Sobald Alkohol getrunken werde, müsse aber eine Null-Toleranz-Grenze für Cannabis gelten - und umgekehrt: "Wir brauchen im Straßenverkehr ein Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten und ein Cannabisverbot für Alkoholkonsumenten", sagte Vize-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Die Kombination von Alkohol und Cannabis sei unberechenbar.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft warnte, der vorgesehene THC-Grenzwert sei ein Schritt in die falsche Richtung. Der aktuelle Grenzwert von 1 Nanogramm sei maßvoll und hoch valide. "Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wäre vielmehr eine Anpassung der Alkoholgrenzwerte erforderlich gewesen."/sam/DP/stw