FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Aktionäre von Flatexdegiro haben der langjährigen Führungsriege des Online-Brokers eine deutliche Klatsche verpasst. Auf der Online-Hauptversammlung verweigerten die Anteilseigner dem abgetretenen Vorstandschef Frank Niehage, dem früheren Vize-Chef Muhamad Chahrour und Aufsichtsratschef Martin Korbmacher am Dienstag die Entlastung. Korbmacher entging jedoch seiner Abberufung aus dem Kontrollgremium, die Großaktionär Bernd Förtsch beantragt hatte.
Zwar waren fast zwei Drittel der Aktionärsstimmen für diesen Antrag. Es wäre jedoch eine Mehrheit von drei Vierteln nötig gewesen, damit Korbmacher hätte abtreten müssen.
Unterdessen wählten die Aktionäre Förtsch als neues Mitglied in den Aufsichtsrat. Den Platz hatte Herbert Seuling freigemacht, der auch Förtschs Gesellschaft Heliad angehört. Förtsch hatte den Vorläufer von Flatexdegiro 1999 gegründet. Heute hält er direkt und indirekt gut 19 Prozent der Anteile des Unternehmens, das im Kleinwerte-Index SDax gelistet ist.
Die Nichtentlastung durch die Anteilseigner hat für Korbmacher, Niehage und Chahrour keine direkten Folgen. Sie gilt jedoch als Ausdruck des Misstrauens. Die Aktionäre lehnten auch den Vergütungsbericht und das Vergütungssystem für den Vorstand ab, die Flatexdegiro ihnen zur Abstimmung vorgelegt hatte.
Förtsch hatte die Führungsriege des Unternehmens seit März harsch kritisiert. In einem Interview und einem langen Brief ging es um eine Sonderprüfung der Finanzaufsicht Bafin, die Kommunikation des Unternehmens mit den Finanzmärkten, das laufende Geschäft und die Entwicklung des Aktienkurses.
Niehage war daraufhin im April von seinem Posten zurückgetreten. Chahrour hatte das Unternehmen schon im vergangenen Jahr verlassen, nachdem er kurz zuvor zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden befördert worden war.
Derzeit läuft die Suche nach einem neuen Vorstandschef. Laut Korbmacher kommt das Unternehmen damit voran und will internen Kandidaten den Vorzug geben. Der Aufsichtsrat gehe davon aus, zeitnah eine Auswahl zu treffen und dann in den Austausch mit den Aufsichtsbehörden zu gehen, sagte Korbmacher.
Aktionärsvertreter kritisierten das Unternehmen auf der Hauptversammlung, die Veranstaltung erneut nur virtuell statt in Präsenz durchzuführen. "Sie verweigern uns Aktionären mit dieser Form, uns zu versammeln und uns nicht nur mit Ihnen, sondern uns auch untereinander auszutauschen", sagte Christiane Hölz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Zudem werfe der Vergütungsbericht von Flatexdegiro "mehr Fragen auf, als er Antworten liefert".
Sie und Christian Retkowski von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger bemängelten zudem die fehlende Dividendenpolitik des Online-Brokers. Zwar schüttet das Unternehmen für 2023 erstmals Geld an seine Anteilseigner aus, doch handelt es sich dabei nur um die gesetzliche Mindestdividende von 4 Cent je Aktie.
Retkowski wünscht sich hingegen, dass Flatexdegiro wie viele andere Unternehmen regelmäßig einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns als Dividende auszahlt. Flatexdegiro will nun allerdings Geld für den Rückkauf eigener Aktien ausgeben. Die Aktionäre machten mit einem Beschluss den Weg dafür frei.
Kritik gab es auch am laufenden Geschäft des Unternehmens, dem die Begeisterung vieler Anleger für den Aktienhandel während der Corona-Krise einen Boom beschert hatte. Schon Großaktionär Förtsch hatte jüngst bemängelt, dass Flatexdegiro den Aufschwung der Kryptowährungen verschlafen habe.
DSW-Vertreterin Hölz kann sich nach eigener Aussage bei Flatexdegiro nicht an wesentliche Innovationen in den vergangenen Jahren erinnern und verwies auf den Konkurrenten Trade Republic, der jetzt mit einem verzinsten Girokonto für seine Kunden an den Start geht./stw/men