Berlin (ots) -
Leitzins-Entscheidung der EZB hat vor allem psychologische Wirkung
Während die US-Wirtschaft wieder boomt, knirscht es in Deutschland gewaltig. Zuletzt klagten viele Wirtschaftslenker nicht nur über schwierige Standortbedingungen wie die umfassende Bürokratie, sondern auch über eine deutliche Investitionszurückhaltung. Und auch deutsche Verbraucher hielten angesichts der Krisen, Kriege und Inflationssorgen ihr Geld lieber zusammen.
In dieser heiklen Lage kommt die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), die Leitzinsen um einen Viertelpunkt auf 4,25 Prozent zu senken, gerade recht. Der vorsichtige Schwenk in Richtung Zinswende hat vor allem eine psychologische Wirkung: Nach Jahren mit Energiepreisschocks, Lieferengpässen, steigenden Preisen und teuren Krediten sind sinkende Leitzinsen ein langersehnter Lichtblick. Nicht nur Unternehmen hoffen nun auf weitere schnelle Zinssenkungen. Auch Verbraucher können langfristig wieder mit günstigeren Krediten für Hauskauf oder Wohnungsbau rechnen, aber nur, wenn die Währungshüter schneller und öfter tätig werden. Doch die EZB um ihre Präsidentin Christine Lagarde will sich derzeit in dieser Hinsicht lieber noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Offen ist, wann weitere Zinssenkungsschritte folgen. Die Vorsicht der Notenbanker ist nicht unbegründet. Sinkende Zinsen sind normalerweise ein Zeichen dafür, dass die Inflation im Griff ist. Erste Anzeichen dafür gibt es zwar, doch erst im Mai hatte die Teuerungsrate im Euroraum wieder zugelegt - von 2,4 auf 2,6 Prozent. Es ist deshalb richtig, dass die Notenbanker auf Mini-Schritte bei der Leitzinsanpassung setzen und sich nicht treiben lassen von Erwartungen aus Wirtschaft, Politik und vonseiten der Verbraucher.
Die eher abwartende Haltung ist auch eine Folge der Art und Weise, wie die hohe Inflation der vergangenen Jahre entstanden ist. Zunächst war da die Corona-Pandemie. Produktionsausfälle und Lieferengpässe führten dazu, dass bestimmte Waren knapp und teuer wurden. Dann überfiel Russland die Ukraine. Was folgte, war Energieknappheit in Deutschland - mit steigenden Preisen für Strom, Gas und Öl als direkter Folge. Die EU-Notenbanker standen an der Seitenlinie und konnten nicht viel machen. Heute ist die Lage erneut unübersichtlich. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist weiter im Gange, an Konflikten ist die Welt nicht ärmer geworden. Der Nahe Osten kommt so schnell nicht zur Ruhe, auch der schon länger andauernde Zwist zwischen China und Taiwan dürfte nicht einfach beizulegen sein. Neue externe Schocks, die in der Eurozone die Preise wieder nach oben treiben, sind deshalb nicht auszuschließen. Hinzu kommt mit Blick auf die Inflationsentwicklung, dass zuletzt auch die Gehälter gestiegen sind. Laut dem Statistischen Bundesamt konnten Arbeitnehmer in Deutschland im ersten Quartal reale Lohnzuwächse in Höhe von 3,8 Prozent verbuchen. Die Notenbanker müssen nun abwarten, wie sich dieses Plus im Zusammenspiel mit den Preisen entwickelt.
Bleiben Europa und der Welt neue Unwägbarkeiten erspart, wird die EZB den Leitzins wohl weiter senken können. Ein Zurück zu den Niedrigzinsen der 2010er-Jahre wird es aber wohl nicht geben. Experten verweisen in dieser Hinsicht vor allem auf strukturelle Inflationsgefahren. Internationale Konflikte, vor allem die Handelsauseinandersetzungen zwischen China und den USA, gehören dazu, ebenso die anstehende grüne Transformation der Industrie, die zumindest zeitweise die Preise steigen lassen kann.
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Leitzins-Entscheidung der EZB hat vor allem psychologische Wirkung
Während die US-Wirtschaft wieder boomt, knirscht es in Deutschland gewaltig. Zuletzt klagten viele Wirtschaftslenker nicht nur über schwierige Standortbedingungen wie die umfassende Bürokratie, sondern auch über eine deutliche Investitionszurückhaltung. Und auch deutsche Verbraucher hielten angesichts der Krisen, Kriege und Inflationssorgen ihr Geld lieber zusammen.
In dieser heiklen Lage kommt die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), die Leitzinsen um einen Viertelpunkt auf 4,25 Prozent zu senken, gerade recht. Der vorsichtige Schwenk in Richtung Zinswende hat vor allem eine psychologische Wirkung: Nach Jahren mit Energiepreisschocks, Lieferengpässen, steigenden Preisen und teuren Krediten sind sinkende Leitzinsen ein langersehnter Lichtblick. Nicht nur Unternehmen hoffen nun auf weitere schnelle Zinssenkungen. Auch Verbraucher können langfristig wieder mit günstigeren Krediten für Hauskauf oder Wohnungsbau rechnen, aber nur, wenn die Währungshüter schneller und öfter tätig werden. Doch die EZB um ihre Präsidentin Christine Lagarde will sich derzeit in dieser Hinsicht lieber noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Offen ist, wann weitere Zinssenkungsschritte folgen. Die Vorsicht der Notenbanker ist nicht unbegründet. Sinkende Zinsen sind normalerweise ein Zeichen dafür, dass die Inflation im Griff ist. Erste Anzeichen dafür gibt es zwar, doch erst im Mai hatte die Teuerungsrate im Euroraum wieder zugelegt - von 2,4 auf 2,6 Prozent. Es ist deshalb richtig, dass die Notenbanker auf Mini-Schritte bei der Leitzinsanpassung setzen und sich nicht treiben lassen von Erwartungen aus Wirtschaft, Politik und vonseiten der Verbraucher.
Die eher abwartende Haltung ist auch eine Folge der Art und Weise, wie die hohe Inflation der vergangenen Jahre entstanden ist. Zunächst war da die Corona-Pandemie. Produktionsausfälle und Lieferengpässe führten dazu, dass bestimmte Waren knapp und teuer wurden. Dann überfiel Russland die Ukraine. Was folgte, war Energieknappheit in Deutschland - mit steigenden Preisen für Strom, Gas und Öl als direkter Folge. Die EU-Notenbanker standen an der Seitenlinie und konnten nicht viel machen. Heute ist die Lage erneut unübersichtlich. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist weiter im Gange, an Konflikten ist die Welt nicht ärmer geworden. Der Nahe Osten kommt so schnell nicht zur Ruhe, auch der schon länger andauernde Zwist zwischen China und Taiwan dürfte nicht einfach beizulegen sein. Neue externe Schocks, die in der Eurozone die Preise wieder nach oben treiben, sind deshalb nicht auszuschließen. Hinzu kommt mit Blick auf die Inflationsentwicklung, dass zuletzt auch die Gehälter gestiegen sind. Laut dem Statistischen Bundesamt konnten Arbeitnehmer in Deutschland im ersten Quartal reale Lohnzuwächse in Höhe von 3,8 Prozent verbuchen. Die Notenbanker müssen nun abwarten, wie sich dieses Plus im Zusammenspiel mit den Preisen entwickelt.
Bleiben Europa und der Welt neue Unwägbarkeiten erspart, wird die EZB den Leitzins wohl weiter senken können. Ein Zurück zu den Niedrigzinsen der 2010er-Jahre wird es aber wohl nicht geben. Experten verweisen in dieser Hinsicht vor allem auf strukturelle Inflationsgefahren. Internationale Konflikte, vor allem die Handelsauseinandersetzungen zwischen China und den USA, gehören dazu, ebenso die anstehende grüne Transformation der Industrie, die zumindest zeitweise die Preise steigen lassen kann.
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