POTSDAM/KÖLN (dpa-AFX) - Kurz vor der Europawahl haben Grüne, Linke und die Unionsparteien ein letztes Mal um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler geworben. Der Linke-Bundesvorsitzende und Spitzenkandidat für die Europawahl am Sonntag, Martin Schirdewan, sprach am Freitag von einer Richtungswahl. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, der prognostizierte Rechtsruck sei "nicht in Stein gemeißelt".
Auch die Unionsparteien wollten noch am Freitagabend zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und CDU-Vorsitzendem Friedrich Merz in München ihren Wahlkampf abschließen. Von der Leyen hofft nach der Wahl auf eine zweite Amtszeit an der Spitze der Brüsseler EU-Kommission. Die Sozialdemokraten wollen am Samstag im Beisein von Kanzler Olaf Scholz in der Industriestadt und SPD-Hochburg ihre Abschlusskundgebung halten.
In Deutschland sind rund 65 Millionen Bürgerinnen und Bürger zur Wahl des Europäischen Parlaments aufgerufen. Insgesamt geht es um Mandate für 720 Abgeordnete - 96 von ihnen werden aus Deutschland kommen. Abgesehen von der Parlamentswahl in Indien ist die Europawahl die größte demokratische Abstimmung weltweit - und die einzige Direktwahl über Staatsgrenzen hinweg. Angetreten sind in Deutschland etwa 1400 Wahlbewerber für 35 Parteien und sonstige politische Vereinigungen.
Umfragen zufolge dürften in etlichen der 27 EU-Staaten rechte Parteien stark abschneiden, unter anderem in Österreich, Frankreich und Italien. In Deutschland können CDU und CSU laut Umfragen damit rechnen, die Europawahl mit großem Vorsprung zu gewinnen. Dahinter liegen SPD, Grüne und AfD in etwa gleichauf.
Linken-Spitzenkandidat Schirdewan mahnte in Potsdam: "Wir stehen vor der Richtungswahl, ob Ursula von der Leyen (CDU) oder auch die Ampel weiter mit ihrer Kürzungspolitik die Politik in Europa gestalten werden." Zudem stehe man "vor der Richtungswahl, ob die extreme Rechte, die Faschistinnen und Faschisten, der neue Faschismus (...) weiter erstarken oder nicht". Auch der frühere Linksfraktionschef Gregor Gysi warnte vor einer "rechten, nationalistischen und rassistischen Mehrheit" im Europaparlament.
Grünen-Chefin Lang verwies in Köln darauf, dass die Europawahl in den Niederlanden nach der ersten Prognose von einem Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten gewonnen worden sei. Die Partei des rechtsradikalen Geert Wilders komme erst auf Platz zwei.
EU-weit läuft die Wahl bereits seit Donnerstag. Den Auftakt haben die Niederlande gemacht, am Freitag wurde in Tschechien und Irland gewählt. In Tschechien, wo die Bürger auch am Samstag noch ihre Stimme abgeben können, waren mehr als acht Millionen Berechtigte aufgerufen, 21 Sitze im EU-Parlament neu zu vergeben. In Irland gab es knapp 3,6 Millionen Wahlberechtigte, die über 14 Sitze entscheiden. Am Samstag wählen unter anderem Italien und die Slowakei, bevor am Sonntag in Deutschland und den meisten anderen EU-Staaten gewählt wird./vr/DP/stw