KEHL (dpa-AFX) - In der Debatte um eine bundesweit geltende Pflichtversicherung gegen Hochwasser- und andere Elementarschäden werben Verbraucherschützer aus dem Südwesten dafür, sich am französischen Modell zu orientieren. "98 Prozent der französischen Haushalte sind versichert", sagte der Vizevorstand des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV), Jakob Thevis, im baden-württembergischen Kehl.
Jeder Haushalt im Nachbarland zahle im Durchschnitt 26 Euro im Jahr, um Haus, Hausrat und Auto gegen Elementarschäden zu versichern. Das sei günstig, sagte Thevis. Der Beitrag werde allerdings im kommenden Jahr auf durchschnittlich 40 Euro steigen, kündigte der Vorstandschef des staatlichen Rückversicherers Caisse Centrale de Réassurance (CCR), Édouard Vieillefond, an. Grund dafür seien unter anderem höhere Aufwendungen in Folge von Naturkatastrophen. Die CCR ist ein zentraler Baustein des französischen Systems.
Kombination von privater Versicherung und staatlichem System
Die Kombination von privaten Versicherungen und einem staatlich kontrollierten Rückversicherungssystem funktioniere im Nachbarland seit über 40 Jahren, sagte Thevis. Der französische Staat sei bisher nur einmal mit 263 Millionen Euro eingesprungen. Das ZEV berät Menschen im oberrheinischen Grenzgebiet und wird von öffentlichen Institutionen aus Deutschland und Frankreich unterstützt.
Nur rund die Hälfte der privaten Gebäude in Deutschland sind gegen Elementarschäden abgesichert. Die Länder dringen auf eine Versicherungspflicht, doch die Bundesregierung lehnt diese ab. "Die aus dem Länderkreis geforderte Pflichtversicherung würde das Wohnen in Deutschland teurer machen, eine große Bürokratie nach sich ziehen und den Staat nicht aus der finanziellen Haftung nehmen", hatte der federführend zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag gesagt.
"Wir haben bei der Wohngebäudeversicherung eine Abdeckung von 97 bis 98 Prozent", sagte CCR-Chef Vieillefond mit Blick auf sein Land. Dieses sei überhaupt die Basis dafür, die obligatorische Ergänzung zum Absichern gegen Elementarschäden zu haben.
Einheitlicher Beitragssatz dank Solidaritätsprinzip
In Frankreich umfasst der Begriff der Naturkatastrophe unter anderem Überschwemmungen, Schlammlawinen, Bodenbewegungen, Flutwellen und besonders heftige Stürme. Blitzschlag und Hagel sind nicht inbegriffen. Der CCR-Chef machte deutlich, dass es wegen des Solidaritätsprinzips einen einheitlichen Beitragssatz gibt - es sind bisher zwölf Prozent der gesamten Versicherungsprämie. "Jeder zahlt denselben Satz - ob auf Guadeloupe, in Bordeaux oder Paris."
Nach Ansicht der deutschen Versicherungswirtschaft ist das System à la française keine Blaupause für Deutschland. "Das System ist defizitär, das System ist nicht stabil", hatte die Vize-Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands GDV, Anja Käfer-Rohrbach, zu Monatsbeginn gesagt.
Auch das Bundesjustizministerium sieht darin keinen gangbaren Weg. "Das Modell setzt auf einen staatlichen Rückversicherer und damit auf die "staatliche Haftungsübernahme"", teilte es am Sonntag mit. Risikobasierte Prämien seien aber ein wichtiger Präventionsanreiz. "Eine Einheitsprämie hingegen führt dazu, dass Personen, die risikoangemessen bauen, diejenigen mitfinanzieren, die in Hochrisikogebieten bauen. Das ist nicht fair und setzt falsche Anreize." Auch die Bundesländer hätten sich bisher nicht für eine Pflichtversicherung unter staatlicher Beteiligung ausgesprochen.
Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner verteidigte hingegen bei einer Fachtagung in der zurückliegenden Woche das Modell des großen EU-Partners: "In Frankreich sieht man, dass man Starkwetterereignisse und die Schäden, die dadurch drohen, günstig versichern kann. Da müssen wir in Deutschland das Rad nicht neu erfinden", sagte der Bundestagsabgeordnete. Er hatte sich bereits zuvor für einen stärkeren Versicherungsschutz gegen die Folgen von Unwettern ausgesprochen./cb/DP/he