21.06.2024 -
Die überraschend angesetzten Parlamentswahlen in Frankreich ziehen die Kapitalmärkte in Mitleidenschaft. Noch am Abend der Europawahl, am Sonntag, 9. Juni, hatte Staatspräsident Emmanuel Macron das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Am 30. Juni wird der erste Wahlgang erfolgen, am 7. Juli der zweite. Aktuellen Umfragen zufolge ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das rechte Wahlbündnis unter Führung des Rassemblement National (RN, Nationale Sammlung) von Marine Le Pen als stärkster Block aus der Wahl hervorgehen und den künftigen Premierminister stellen wird. Die damit verbundenen Unsicherheiten haben zu deutlichen Kursverlusten des französischen Aktienmarktes und einer kräftigen Ausweitung des Renditeunterschieds zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen geführt.
Schwierige politische Konstellation
Es ist müßig darüber zu diskutieren, wie zwingend die Auflösung des Parlaments war. Fakt ist, dass Macrons Regierungen aus einer Minderheitsposition heraus regieren mussten und immer seltener eine Mehrheit für ihre Gesetzesvorhaben in der Assemblée nationale (Nationalversammlung) fanden. Stets blieb die Sorge, durch ein Misstrauensvotum zu Fall gebracht zu werden. Dass Macron das Parlament aufgelöst hat, zeigt zumindest Mut. Möglicherweise hat er eine Strategie im Hinterkopf wie die von Charles de Gaulle im Jahr 1968. Dieser hatte mitten in der Studentenrevolte das Parlament aufgelöst. Er hatte dies mit der klaren Botschaft verbunden: Ihr habt die Wahl zwischen mir, de Gaulle, und dem Chaos. De Gaulles Kalkül ging damals auf. Doch kann Macron ein ähnliches Husarenstück gelingen? Die ersten Wahlumfragen zeigen den Rassemblement National mit dem potenziellen Premierminister Jordan Bardella weit vor Macrons Bewegung Renaissance.
Allerdings ist eine verlässliche Vorhersage, wie sich das Parlament künftig zusammensetzen wird, kaum möglich. Denn das französische Wahlrecht sieht in den 577 Wahlkreisen eine reine Mehrheitswahl vor. Falls einer der Kandidaten nicht auf Anhieb mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht, müssen sich die beiden stärksten Kandidaten einer Stichwahl stellen. Somit sind jene Parteien im Vorteil, die regional fest verankerte Kandidaten aufstellen können. Parteien, die keine regionale Basis haben - wie liberale oder umweltpolitische Parteien - sind durch dieses Wahlrecht strukturell benachteiligt. Bisher hat dieses Wahlsystem auch den Einfluss rechtsextremer Parteien in der Assemblée Nationale begrenzt. So stellt der Rassemblement National aktuell nur etwas mehr als 15 Prozent der Abgeordneten, obwohl er in Umfragen seit Jahren deutlich über diesem Wert liegt. 2022 hatte Marine Le Pen im ersten Wahlgang zur Präsidentschaftswahl 23,15 Prozent der Stimmen bekommen. Doch dieses Mal könnte der Rassemblement National auch die Mehrheit in der Assemblée Nationale erringen, vor allem, wenn sich die anderen Parteien in den Wahlkreisen gegenseitig die Stimmen wegnehmen. Die Stärke der Rechtsextremen zwingt ihre Gegner dazu, die Kräfte schon vor dem ersten Wahlgang zu bündeln.
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