Der BHKW-Spezialist 2G Energy befindet sich auf einem dynamischen Wachstumskurs, der sich im laufenden Jahr auch in einer deutlichen Margenverbesserung niederschlagen soll. Das Unternehmen profitiert aktuell von positiven Markttrends, aber auch von der Einführung neuer Produkte. Aktien-Global hat mit Finanzvorstand Friedrich Pehle über die Geschäftslage und die weiteren Perspektiven gesprochen.
Aktien-Global: Herr Pehle, 2G Energy hat den Umsatz im letzten Jahr um 17 Prozent auf 365,1 Mio. Euro gesteigert, im ersten Quartal hat der Auftragseingang um 26 Prozent zugelegt. Was sind die Treiber hinter dieser hohen Dynamik?
Pehle: Unsere Kernregionen, also Deutschland, Europa und - ganz markant - Nordamerika, haben in der Tat je für sich ordentlich zugelegt.
Diese Regionen bewegen sich in einem Spannungsfeld: einerseits große Unsicherheit auf allen Ebenen, wie denn die Energiewende und eine Treibhausgas-Reduktion umgesetzt werden. Andererseits die Erkenntnis, dass der stark steigende Strombedarf nicht "weg gehofft" werden kann.
Wir sehen daher aktuell eine gewisse Sprunghaftigkeit. Noch nie haben wir in den Kernmärkten, aber auch weltweit, derart viele ernstgemeinte Anfragen erhalten, Stichwort "steigender Strombedarf und Dekarbonisierungserfordernisse". Gleichzeitig ziehen sich Projekte aus mannigfaltigen Gründen viel länger hin, bis sie in einer Unterschrift enden; Stichwort "Verunsicherung". In der Fußballer-Sprache heißt das wohl "Angst vor dem Elfmeter".
Aber Q1 2024 war mit +26% sicherlich ein starkes Quartal.
Ganz besonders bemerkenswert: die USA. Hier fängt nun der Inflation Reduction Act an zu greifen, was sich in der Vervierfachung des Auftragseingangs zeigte. Dieser starke Auftragseingang wird uns in den USA ganz sicher auch das Jahr über begleiten. Ein Auftragseingang in Höhe von 30 Mio. USD erscheint realistisch.
In Europa lagen Licht und Schatten dagegen nahe beieinander. Frankreich beispielsweise hat seine Versorgungsengpässe bei Strom durch Renovierung und Laufzeitverlängerung seiner Atomreaktoren überwunden. Entsprechend zurückhaltend sind die Investitionen in alternative Kraftwerke. Polen auf der anderen Seite muss weg vom Kohlestrom und darf unter der neuen Regierung wieder mit der Freigabe erheblicher EU-Hilfen rechnen.
Aktien-Global: In Deutschland haben die temporäre Preisspitze bei Erdgas nach dem russischen Überfall der Ukraine und die Pläne der Regierung für den Heizungsmarkt zwischenzeitlich für Verunsicherung und Zurückhaltung gesorgt. Inzwischen zieht ihr Auftragseingang hierzulande wieder deutlich an. Wie stufen Sie aktuell ihren Heimatmarkt ein?
Pehle: Auch - oder besser: insbesondere - Deutschland ist von der Entweder-Oder-Situation geprägt. Alle Entscheider in Industrie und Gewerbe wissen inzwischen um die sich abzeichnende Stromlücke. Und diese Lücke ist ja besorgniserregend. Andererseits sehen wir oft eine Haltung, die davon ausgeht, dass die Politik oder die großen Versorgungsunternehmen das durchaus erkannte Problem schon irgendwie lösen werden. Mit anderen Worten: in Deutschland kommen die Aufträge derzeitig schubweise. Unterschriftsreife Projekte bleiben lange liegen, bis wieder ein - möglicherweise tagesaktueller - Impuls das Angebot in einen Auftrag umwandelt.
Aktien-Global: In den Vereinigten Staaten führen Sie derzeit ein interessantes neues Produkt ein, einen Demand-Response-Motor, der Spitzenlasten abdeckt und zwischen einem klassischen BHKW und einem Notstromaggregat angesiedelt ist. Was versprechen Sie sich von dieser Innovation?
Pehle: In den USA gibt es eine wachsende Anzahl von unabhängigen Energiedienstleistern, die genau in diese Kraftwerke investieren und diese dann auch betreiben. Die stehen dann oft in unmittelbarer Nähe von Rechenzentren, Krankenhäusern oder Produktionsbetrieben und haben zwei Funktionen: Zum einen decken sie die Netzersatzfunktion, denn bei zunehmender Unzuverlässigkeit der allgemeinen Stromversorgung gibt es da einen echten Bedarf. Zum anderen stellen die unabhängigen Energiedienstleister die Kapazität zu Zeiten von Spitzenbedarfen ins Netz und generieren über diese Systemdienstleistung zusätzlichen Einnahmen.
Und in dieses wachsende Marktsegment, also zwischen Netzersatzfunktion mit vielleicht jährlich hundert Betriebsstunden und einem BHKW mit vielleicht 2 bis 3 Tsd. Betriebsstunden wollen wir vorstoßen.
Der ein oder andere US-Hersteller hat jüngst genau solche Produkte angekündigt und DEUTZ zielt mit seiner US-Akquisition Blue-Star-Power genau auf dieses attraktive Segment. Wir haben das richtige Produkt in der Pipeline, das nicht nur - wie gewohnt - hoch wirtschaftlich sein wird, sondern innerhalb von 10 Sekunden 100% Leistung bereitstellen wird.
Der US-Markt, und im ersten Schritt adressieren wir als Early-Follower nur diesen Markt, ist langfristig sicherlich gut für einige hundert Einheiten made by 2G Energy.
Aktien-Global: Ein weiteres Wachstumsfeld sind Großwärmepumpen, diesen Markt haben Sie Mitte letzten Jahres mit der Akquisition der niederländischen Gesellschaft NRGTEQ erschlossen. Sie wollen in diesem Geschäft in Europa kräftig expandieren - wie ist der aktuelle Stand?
Pehle: Mit unserem Kompetenzcenter NRGTEQ haben wir uns eine Manufaktur mit Know-how, Reputation und Referenzen gekauft. Wir sind derzeitig dabei, die Produkte zu industrialisieren. Parallel runden wir das aktuelle Produktportfolio, das wie bisher bei ca. 100 kW Wärmeleistung startet, nach oben ab. Wir bieten jetzt auch eine Großwärmepumpe mit bis zu 2.600 kW Heizleistung bei 90 Grad an, in unseren Augen insbesondere in der containerisierten Variante die ideale Maschine, um im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung schnell und zuverlässig Nahwärmenetze zu realisieren.
Denn eins ist klar: Im Rahmen der Wärmewende fehlen sicherlich Handwerker, um all die Pläne umzusetzen. Was aber auch fehlen wird - und davon spricht komischerweise bisher kaum jemand - sind Planungsingenieure. Wer soll denn die kommunalen Wärmeplanungen vor Ort umsetzen? Kommunale Beamte, die sich sonst mit Schulgebäuden, Fußgängerzonen und Fahrradwegen beschäftigen?
Also: wir sind überzeugt, unsere Wärmepumpe passt - zumal als Plug & Play-Lösung in von uns mitgelieferter Gebäudehülle - ideal zu den anstehenden Erfordernissen in Deutschland. Weitere Vertriebsschwerpunkte werden aber auch die Niederlande sein, logisch, denn dort ist unser Kompetenzzentrum ja bestens etabliert, und das Vereinigte Königreich. Später werden die übrigen G7-Staaten dazu kommen.
Aktien-Global: Die Kombination aus Großwärmepumpen und BHKW scheint nahezu ideal für volatile Marktbedingungen mit Hoch- und Niedrigpreisphasen am Strommarkt. Mit der weiteren Abschaltung von Grundlastkapazitäten - Stichwort Kohleausstieg - wird in Deutschland der Bedarf für flexible Stromerzeugungskapazitäten deutlich zunehmen. Können wir da einen Auftragsschub erwarten?
Pehle: Es ist ja nicht nur die Abschaltung der elektrischen Grundlastkapazitäten. Viele Kohlekraftwerke sind ja in irgendeiner Weise auch in lokale Wärmeversorgungsnetze eingebunden, zwar nicht mit denselben hohen Wirkungsgraden wie ein BHKW, aber immerhin. Hier entstehen also auch noch zusätzliche Lücken, über die bisher kaum gesprochen wird.
Aber man kann nicht sagen, dass die Politik nicht lernfähig sei. In der aktuellen Zeitschrift für Kommunale Wirtschaft wird die energiepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Ingrid Nestle, zitiert. Aus ihrer Sicht müsse die Kraft-Wärme-Kopplung künftig - mit Wärmespeicher und Power-to-Heat-Anlagen kombiniert - eine tragende Stabilitätssäule im Stromsektor werden; genau die Kombination, die wir als Plug-and-Play-Lösung unter dem Namen "Green Cube" vermarkten.
Auf Ihre Frage zurück: Ja, wir schauen optimistisch in die Zukunft in Punkto Absatzwachstum, weil die Energiepolitik die Ausstiegsszenarien bis zum Jahr 2030 zwar beschrieben und definiert hat. Aber die Zeit verrinnt, und es sind immer noch keine Kompensationsmaßnahmen konkret verabschiedet. Wo sollen denn der Strom und auch die Wärme im Jahr 2030 herkommen, wenn in windstillen Winternächten oder bei ruhigem und diesigem Herbst- und Winterwetter die Erneuerbaren kaum Leistung abliefern?
Denken Sie an das nasse und kalte Frühjahr, das wir gerade erlebt haben. Über Wochen waren alle Erneuerbaren nicht in der Lage den aktuellen Strombedarf zu decken. Und wie die Simulationen des Fraunhoferinstituts zeigen, wird dieses Problem auch kaum durch zusätzliche Windräder und Solaranalgen gelöst, denn zehn Windräder, die sich nicht drehen, liefern auch kaum mehr Strom als ein Windrad, das sich nicht dreht.
Ein Weiterbetrieb der noch vorhandenen Kohlekraftwerke, dann aber in Verbindung mit CCS (Anm. der Redaktion: Als CCS (Carbone Capture and Storage) werden Verfahren genannt, die Kohlenstoffemissionen abscheiden und den entsprechenden Kohlenstoff einlagern) würde die Gestehungskosten von spitzenlastfähigem Strom stark verteuern. Der dann zu erwartenden RoI von BHKW als Stand-alone-Lösung oder als Green-Cube würde zum Selbstläufer.
Aktien-Global: Nach den Plänen der Bundesregierung werden in Deutschland neue Gaskraftwerke ausgeschrieben, zunächst mit 10 GW installierter Leistung, am Ende könnten es bis zu 25 GW werden. RWE hat Pläne vorgestellt, am bisherigen AKW-Standort Gundremmingen ein wasserstofffähiges Gasmotorenkraftwerk zu realisieren. Bei dieser Technologie gehört 2G mit wasserstofffähigen BHKW zu den Pionieren in der Branche - bieten die deutschen Ausbaupläne eine große Chance für das Unternehmen?
Pehle: Ja, das ist genau der Punkt, den ich gerade beschrieben habe. Bis 2030 sind es nur noch 5 ½ Jahre. Das ist zu kurz, um konventionelle, erdgasgetriebene Großkraftwerke zu planen, zu genehmigen, durch die Bürgerbeteiligung zu bringen und letztlich zu bauen und in Betrieb zu nehmen. Wenn dann noch technische Innovationen gefragt sind, wie z. B. Wasserstofffähigkeit, kann man den Zeitplan in den Papierkorb schmeißen. In diesem Jahrzehnt wird's nichts mehr.
Mit Blick auf die anstehenden 10 GW, die die Bundesregierung ausschreiben will und muss, und den jüngst veröffentlichten RWE-Plänen, ein erstes Ex-AKW zumindest teilweise auf ein motorgetriebenes, wasserstofffähiges Kraftwerk umzubauen, sind wir sehr optimistisch: Einige der 10 GW werden unter Umständen auch an uns gehen. Wenn nicht in diesem ersten Projekt, dann aber vielleicht in einem der vielen weiteren Projekte, die in den nächsten wenigen Jahren realisiert werden müssen.
Die Differenz zwischen den von der Bundesnetzagentur empfohlenen 25 GW Gaskraftwerkskapazität und den nun konkret ausgeschriebenen 10 GW lassen überdies Platz für dezentrale, mittelgroße Anlagen, die sich ideal mit den dezentralen PV-Anlagen kombinieren. Das von der Bundesregierung gewählte stufenweise Ausschreibungsverfahren ist zeitintensiv und erhöht nochmal den Zeitdruck und wird sicherlich diese Option, nämlich Solar-Parks in Kombination mit einem mittelgroßen BHKW, weiter fördern. Denn BHKW können vergleichsweise sehr schnell ans Netz gebracht werden.
Aktien-Global: Kommen wir abschließend noch zu den Zahlen. Für das aktuelle Geschäftsjahr erwarten Sie einen Umsatz von 360 bis 390 Mio. Euro, 2025 sollen es dann schon 390 bis 450 Mio. Euro werden. Wie gut ist das durch bestehende Aufträge bereits abgesichert?
Pehle: Das laufende Jahr ist abgesichert, auch wenn wir wieder zunehmende Verwerfungen auf der Kundenseite wahrnehmen. So werden beispielsweise bei fast allen Energie-Infrastrukturprojekten Transformatoren benötigt, um verschiedene Spannungsniveaus miteinander verknüpfen zu können. Diese Transformatoren sind - wenig überraschend - weltweit Mangelware, wovon auch unsere Kunden betroffen sein können. Zudem wird es schwieriger und langwieriger, die notwendigen Genehmigungen zu erhalten, für Netzverknüpfungen beispielsweise, denn wirklich überall fehlen qualifizierte Mitarbeiter.
Generell haben wir aber weiter mit dem bekannten Phänomen zu kämpfen, dass nämlich die Inbetriebnahme und damit die Schlussrechnung von gelieferten BHKW doch sehr in der Hand des Kunden liegt. Also: Aufträge haben wir. Aber wie jedes Jahr müssen wir uns zum Jahresende sehr strecken. Von unserer Seite wird alles getan, damit der Kunde sein BHKW rechtzeitig in Betrieb nehmen kann und wir den entsprechenden Umsatz buchen können.
Aber mit Blick auf die verschiedenen politischen Tendenzen, die ich ja gerade beschrieben habe, bleiben wir sehr, sehr positiv, auch weil unser Partnerkonzept weltweit Früchte trägt. So betrübt uns beispielsweise aktuell der schwache Yen, andererseits laufen Ost- und Südost-Europa sehr gut.
Aktien-Global: Im laufenden Jahr wollen Sie auch ihre EBIT-Marge deutlich verbessern, von 7,6 Prozent in 2023 auf 8,5 bis 10 Prozent. Was begünstigt die positive Entwicklung der Profitabilität - und können wir weitere Fortschritte in 2025 erwarten?
Pehle: Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Effizienzsteigerung durchgeführt, die verhindert haben, dass wir in der Covid-Pandemie und der Beschaffungskrise bei der Wirtschaftlichkeit Abstriche machen mussten. Nun sehen wir aber, dass sich die Beschaffungsseite beruhigt hat, so dass wir zuversichtlich sind, dass die vielen Einzelmaßnahmen jetzt erst ihre volle Wirkung zeigen werden. Von daher können wir sagen: ja, es wird weitere Verbesserungen geben.
Auf der anderen Seite launchen wir mit der Wärmepumpe und dem Demand-Response recht anspruchsvolle neue Produkte, die viel Ressourcen und Aufmerksamkeit absorbieren werden. Zusammenfassend meine ich, dass wir weiterhin die 10% EBIT-Marge anstreben. Ob mehr drin ist, werden wir sehen, wenn der Marktanlauf in Deutschland bei Wärmpumpen und in den USA beim Demand-Response geschafft ist.
Aktien-Global: Herr Pehle, herzlichen Dank für diese spannenden Einblicke und das interessante Gespräch!
(aktien-global.de, 04.07.2024, 7:40)