BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Tür zum Club der Schwergewichte der europäischen Rechten blieb der AfD nach der Europawahl versperrt - nun hat sie sich im neuen Europaparlament eine eigene Truppe zusammengestellt, ganz rechts außen mit wenigen Mitgliedern vorrangig aus osteuropäischen Ländern. In der Diskussion über dieses Bündnis waren in den vergangenen Wochen auch schon die Begriffe "Hooligan-Truppe" oder "rechtsextreme Resterampe" gefallen. 25 Abgeordnete sollen es nun zunächst sein, 14 davon stellt die AfD, 11 kommen aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Litauen und Frankreich. Wie kam es dazu, und wo sieht sich diese neue Fraktion?
Große Rechtsparteien verschiedener Länder hatten bereits vorgelegt und sich kürzlich zu einem neuen Bündnis namens "Patrioten für Europa" im neu gewählten EU-Parlament zusammengeschlossen. Mit dabei sind unter anderem die Fidesz-Partei von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, das rechtsnationale Rassemblement National aus Frankreich, die an Italiens Regierung beteiligte nationalistische Lega, die FPÖ aus Österreich und die ANO aus Tschechien.
Chrupalla: Selfie mit Orban
Zwar steht die AfD dieser neuen Gruppe inhaltlich sehr nah. AfD-Co-Chef Tino Chrupalla hatte beim Eröffnungsspiel der Fußball-EM in München stolz ein Selfie mit Orban aus dem Stadion bei Instagram gepostet. Und der neu ins EU-Parlament gewählte AfD-Politiker Marc Jongen klang begeistert: "Wenn es nach mir ginge, dann würden wir dieser Fraktion auch sehr gerne beitreten." Chrupallas Co-Chefin Alice Weidel sagte ebenfalls, man sei in Freundschaft verbunden und habe "unglaubliche inhaltliche Schnittmengen". Trotzdem bleibt die AfD außen vor. Die Parteien des Bündnisses unterlägen außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die man momentan Rücksicht nehmen müsse, antwortete die AfD-Chefin zuletzt etwas rätselhaft auf die Frage, ob ihre Partei in der Fraktion nicht gewollt sei.
Vorgeschichte und Fall Krah
In der AfD wird die These vertreten, Orban als ungarischer Regierungschef könnte von der deutschen Regierung unter Druck gesetzt werden, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Es gibt aber auch eine Vorgeschichte: Vor der Europawahl hatten europäische Rechtsparteien wie der französische Rassemblement National von Marine Le Pen die AfD aus ihrer Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. Die Deutschen - so die Botschaft - sind der Partei, die in Frankreich nach ganz oben strebt, zu extrem. Auslöser war ein Interview von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah, der in einer italienischen Zeitung als relativierend wahrgenommene Äußerungen zur nationalsozialistischen SS gemacht hatte. Um wieder anschlussfähig zu sein, hatten die EU-Abgeordneten der AfD nach der Wahl am 10. Juni zwar beschlossen, Krah aus ihrer Delegation auszuschließen, aber auch das brachte keine Annäherung an Le Pen und ihre Verbündeten.
Krah freut sich über neue Fraktion - darf aber nicht mitmachen
Krah hatte das vorhergesagt und für mehr Eigenständigkeit der AfD plädiert. Diese solle sich nicht von einer ausländischen Partei vorschreiben lassen, mit wem sie antrete. Nun freut sich der Geschasste öffentlich darüber, dass sich die AfD stattdessen mit Parteien verbündet, die am äußersten rechten Rand stehen. Bei "Welt" sagte er, damit werde ein von ihm seit Jahren vorbereitetes Projekt umgesetzt. "Diese Fraktion ist ein wichtiger Baustein für die dringend notwendige Transformation der heutigen EU in ein zukunftsfähiges Europa." Krah allerdings darf auch hier nicht mitspielen. Die AfD-Delegation entschied sich, die Fraktionsbildung ohne ihn anzugehen. "Die Bedeutung dieses Projektes ist viel größer als meine eigene Rolle; ich bin deshalb zufrieden und ohne jeden Groll", sagte Krah.
Bündnis soll "Europa Souveräner Nationen" heißen
Mit wem tut sich die AfD da unter dem gemeinsamen Namen "Europa Souveräner Nationen" zusammen? Es sind kleine Parteien, die extrem nationalistische, Euro- und Nato-skeptische, EU-feindliche, teils prorussische und im Fall der polnischen Konfederacja sogar antisemitische Positionen vertreten. Für die Konfederacja ist auch Grzegorz Braun im EU-Parlament, der im vergangenen Dezember weltweit bekannt wurde, als er einen jüdischen Leuchter im Foyer des polnischen Parlaments mit dem Feuerlöscher löschte. Trotz der Aktion wurde er nicht aus der Partei ausgeschlossen. Braun wird nach einem Bericht der "Welt" aber nicht Teil der Fraktion. Die AfD hatte es demnach zur Bedingung gemacht, mit ihm und auch mit dem Abgeordneten Milan Mazurek der slowakischen Republika nicht zusammenzuarbeiten.
Es geht (auch) ums Geld
Weidel hatte kürzlich bei ntv gesagt, man verhandele nicht mit Extremisten und prüfe sehr genau, mit wem man in eine Fraktion gehen könne. "Bevor wir hier mit Obskuranten zusammengehen, werden wir dann doch sehr selbstbewusst auch alleine bleiben und über die nächsten Jahre dann sondieren, sollte eine vernünftige Fraktion nicht zustande kommen." Doch der Druck war groß, denn ohne Fraktion ist der politische Einfluss einer Partei im Parlament kleiner, und es gibt weniger Geld - ein Faktor der nach Angaben eines langjährigen AfD-Insiders, der nicht genannt werden möchte, entscheidend gewesen sein dürfte. Denn Fraktionen bekommen mehr Mittel etwa für Mitarbeiter, Büroräume und Veranstaltungen. Sie haben außerdem mehr Redezeit in Debatten und sind beteiligt an der Festlegung der Tagesordnung des Parlaments.
Bystron spricht von Erfolg
Der vom Bundestag ins EU-Parlament wechselnde AfD-Abgeordnete Petr Bystron, gegen den vor der Europawahl nach Berichten über mögliche Russlandverbindungen Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche aufgenommen wurden, sprach von einem "Erfolg für die AfD". Die Europawahl habe das Gleichgewicht im Europaparlament verschoben, sagte er der dpa. "Es gibt jetzt vier rechts-konservative Fraktionen. Das ist ein Rechtsruck in Europa und das Ende der linken Mehrheiten." Der ebenfalls neu ins EU-Parlament eingezogene AfD-Abgeordnete Tomasz Froelich zeigte sich auf Nachfrage "sehr zufrieden". "Das Framing wird der Fraktion nicht gerecht. Mein Eindruck ist, dass das eine weltanschaulich gefestigte Fraktion mit vielen gemeinsamen Nennern ist."/jr/DP/men