01.07.2024 -
"Politische Märkte haben kurze Beine": Diese Binsenweisheit der Finanzmarktwelt kennt wohl jeder - was auch daran liegen dürfte, dass sie sich mit hoher Verlässlichkeit immer wieder bewahrheitet hat. Zu schnelllebig ist die Welt der Kapitalmärkte, zu wenig bedeutsam oft ein Wahl- im Vergleich zu einem bombastischen Unternehmensergebnis.
Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass sich in diesem Jahr - das Jahr 2024, in dem 63% des globalen Bruttoinlandsprodukts wählen - die Politik merklicher in den Vordergrund drängt. Wachsen der Politik nun also doch "längere Beine"?
Fest steht: Es ist weniger die Ballung an wichtigen Wahlen, welche die Märkte beschäftigt, als es vielmehr die Ergebnisse der Wahlen sind, die in diesen "Zeitenwende-Zeiten" enorme Verschiebungen bedeuten und viele Demokratien an den Rand ihrer Belastbarkeit bringen.
Die Wahl in Frankreich, die in diesen Tagen die Gemüter erhitzt, steht dabei exemplarisch für eine erodierende politische Mitte, die sich stärkeren populistischen Rändern gegenübersieht und der vermutlich nur noch eine Gnadenfrist an der Macht eingeräumt wird. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung in Europa und den USA hat tiefgründige Ursachen, die aber häufig mit einer Art von Angst vor Bedeutungsverlust zu tun haben. Die Antwort der Politik ist immer öfter ein "unser Land zuerst!". Wachsender Protektionismus etwa in Form neuer Zölle oder Einwanderungsbeschränkungen ist nicht erst seit gestern en vogue - nur leider langfristig auch ein Wachstumskiller.
Jetzt könnten Sie sagen: "Moment! An den Aktienmärkten ist doch alles gut!" In der Tat lassen die politischen Entwicklungen den Markt vordergründig kalt: Neue Allzeithochs sind auch in Q2 wieder an der Tagesordnung gewesen und auch für das zweite Halbjahr erwarten wir freundliche Märkte, da sich das globale Konjunkturbild weiter aufhellt. Sind die Märkte also politikagnostisch? Wohl kaum. So ist bspw. der Preis für Gold - das angeblich sicherste Asset der Welt - im ersten Halbjahr um satte 13% gestiegen. Zudem werden die Auswirkungen der veränderten politischen Plattentektonik wohl weniger kurzfristig als vielmehr über Zeit so richtig sichtbar:
Unternehmen werden ihre Investitionen entweder in politisch stabile oder aber in solche Regionen verlagern, die historisch stark privatwirtschaftlich geprägt sind (wie etwa die USA). Soll heißen: Politik wird mehr denn je ein Standortfaktor und instabile Regionen dürften von Investoren immer öfter abgestraft werden.