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Julian Marx (Flossbach von Storch): Wenn das (Prognose-)Vertrauen wackelt

Finanznachrichten News

26.07.2024 -

Nach Rekordinflation und Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) gibt es aus unserer Sicht durchaus die berechtigte Hoffnung auf ein baldiges Erreichen des Inflationsziels der Notenbank. In weniger als zwei Jahren hat die EZB die Teuerungsraten von zeitweise zehn auf unter drei Prozent gedrückt. Und nach vorne schauend deuten Unternehmensumfragen darauf hin, dass sich der erhöhte Lohndruck etwas abschwächen dürfte. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Euro-Währungshüter im Rahmen ihrer Kommunikation neuerdings wieder auf die mittelfristigen Inflationsprojektionen zurückgreifen - ging das in der jüngeren Vergangenheit doch gehörig schief.

So ist es gerade einmal gut zwei Jahre her, dass die EZB zu lange auf die hauseigenen Inflationsprojektionen vertraute. Damals schnellte die Teuerungsrate im Zuge pandemiebedingter Lieferengpässe und erheblicher Energiepreisanstiege infolge des Ukraine-Kriegs hoch. Rückblickend wissen wir, dass die damaligen EZB-Projektionen deutlich zu optimistisch waren. Noch im März 2022 ging die EZB beispielsweise davon aus, dass die Eurozonen-Inflation im Jahr 2023 bei durchschnittlich 2,1 Prozent liegen würde. Tatsächlich sollten es 5,4 Prozent werden.

Diesen Fehler, viel zu lange an den eigenen Projektionen festgehalten zu haben, musste die EZB-Präsidentin Christine Lagarde später sogar explizit einräumen. So sagte sie im August 2022 in einem Interview mit "Madame Figaro", einer Beilage der französischen Tageszeitung "Le Figaro", dass "wir uns nicht mehr ausschließlich auf die Prognosen unserer Modelle verlassen können - sie mussten in den letzten zwei Jahren immer wieder nach oben korrigiert werden."

Prognosen prominent zitiert

Doch im Juni begründete EZB-Präsidentin Christina Lagardedie erste Zinssenkung der Notenbank seit fünf Jahren wieder mit einem Verweis auf die EZB-Inflationsprognosen für das vierte Quartal 2025, also mit den mittelfristigen Vorhersagen der Notenbank: "Wenn man sich die Projektionen für das vierte Quartal 2025 ansieht - September 2023, Dezember 2023, März 2024, Juni 2024 -, dann gibt es zwischen diesen Projektionen eine Abweichung von 0,10 Prozentpunkten. […] Und auf der Grundlage dieser verlässlichen, robusten Prognosen haben wir die Entscheidung getroffen, die Zinsen zu kürzen."

Diese Aussage stimmt bedenklich, auch wenn die EZB-Mitarbeiter im Juni dieses Jahres schätzten, das Inflationsziel im Schlussquartal 2025 wieder erreichen zu können. Denn wie verlässlich sind die Inflationsprognosen der EZB, die doch beim Einsetzen der Rekordinflation so schmählich versagt hatten?

Bedenkliche Prognoseergebnisse

Vor allem die Aussagekraft der hier zitierten Mittelfristprojektionen sollte auf den Prüfstand: Zwar lässt sich einwenden, dass die vergangenen Jahre außergewöhnlich waren und die Mittelfristprojektionen unter normalen Umständen eine höhere Aussagekraft besitzen. Doch die Wahrheit ist, dass die mittelfristig angelegten EZB-Inflationsprojektionen über sechs, sieben oder acht Quartale nahezu keinen Informationsgehalt besitzen.

(...)

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