DJ MARKT-AUSBLICK/Wirtschaft läuft besser - Weg frei zu Allzeithoch
Von Michael Denzin
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Weg für weiter steigende Kurse an den Aktienbörsen scheint nun frei zu sein. Neue Allzeithochs im DAX geraten für den Herbst in Sichtweite. Der Ausverkaufsmontag wegen der Auflösung von Yen-Krediten hat sich nicht als der befürchtete Vorbote eines Börsen-Crashs erwiesen. Als professionelle Handelstechnik blieb er begrenzt auf Hedge Fonds und ihre Anlagen im Tech-Sektor, eine marktbreite Ansteckung und Ausdehnung auf andere Sektoren blieb aus.
Als sehr hilfreich erwies sich die gleichzeitig laufende Berichtssaison. Sie führte dem Markt mit besseren Ergebnissen vor Augen, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Vor allem die blitzschnellen US-Anleger merkten das sofort und kauften wieder ein. Die jüngsten Daten vom US-Anlegerverband AAII zeigen, dass das Lager der Bären an Wall Street in nur einer Woche von 37,5 Prozent auf nur noch 28,9 Prozent zusammenschmolz.
Berichtssaison auf ganzer Breite gut - Zinsfantasie sinkt
In der US-Berichtssaison haben rund 80 Prozent der Unternehmen im S&P500-Index positiv überrascht, stellt Thomas Grüner vom Vermögensverwalter Grüner Fisher Investments fest. In die Schlagzeilen hätten es dann aber vor allem "Schreckensmeldungen" über die Unternehmen geschafft, bei denen es nicht läuft. Die Realität ist also tendenziell besser als die Stimmung, stellt Grüner fest.
Aber erst die besseren Daten vom US-Einzelhandel sorgten dann für marktbreit bessere Laune und trieben den DAX über die 18.000er-Marke. Von einer US-Rezession ist weit und breit nichts zu sehen - was allerdings auch heißt, dass sich die Hoffnung auf einen großen Zinsschritt von 50 Basispunkten durch die US-Notenbank in Luft auflöst. Gerade einmal 27 Prozent des US-Bond-Marktes rechnen nun noch damit, die anderen setzen auf nur 25 Basispunkte.
Inflation dank China im Griff
Vorsichtig sollten Anleger bloß beim Thema Inflation sein: Ihre Auswirkung wird wieder einmal drastisch unterschätzt. So sorgten die jüngsten US-Verbraucherpreise zwar für optische Entspannung, beim Lesen der Begründungen konnte einem aber schwindelig werden: Unter anderem wurden dann Rabatte am Amazon Prime Day als Grund für die niedrige Inflationsrate genannt. Unbeantwortet blieb dabei die Frage, inwiefern dies Einfluss auf die Preissteigerungen eines gesamten Jahres haben soll.
Fakt ist, dass der nachlassende Preisdruck zum Teil China zu verdanken ist. So weist Eckhard Schulte von MainSky Asset Management darauf hin, dass die US-Inflation sogar bei -1,5 Prozent gelegen hätte, wenn man den fiktiven Beitrag einer "Miete" für selbstgenutzten Wohnraum aus der Gleichung herausnimmt. Die Ursache für das Minus: "Über eine schwache Rohstoffnachfrage, wenig inländische Güternachfrage und tiefe Exportpreise exportiert China diese negativen Wachstums- und Inflationsimpulse in den Rest der Welt".
Belebung in Europa wird Inflation wieder treiben
Sobald sich Chinas Wirtschaft belebt, wird also auch die US-Inflation wieder steigen. Dasselbe gilt für Europa: Hier bremst nur die extreme Schwäche Deutschlands. Eine deutsche Genesung würde auch Europas Preise wieder treiben - und dass, lange bevor das Inflationsziel der EZB erreicht sein wird. Ein Blick auf die Revision der EU-Inflation am Dienstag dürfte daher interessant sein. Für 2025 erwartet Jörg Krämer, Chef-Volkswirt der Commerzbank, dann mit einer Inflationsrate um 2,5 Prozent im Euroraum. Die Anleiherenditen dürften tendenziell steigen, sobald klar wird, dass die EZB ihr Inflationsziel verfehlt.
Kurzfristig werden zins-interessierte Marktteilnehmer zunächst nach Jackson Hole blicken. Dort findet am letzten August-Wochenende wieder das berüchtigte Symposium der internationalen Zentralbanker statt. Strategen wie vom schweizerischen Vermögensverwalter Union Bancaire Privee erwarten, dass die Fed dort Klarheit über den Zeitpunkt und den Umfang ihres bevorstehenden Zinssenkungs-Zyklus schafft. Einen ersten Blick in das Gefühlsleben der US-Notenbanker gibt am Mittwoch das Fed-Protokoll der Sitzung vom 30./31.Juli.
Am Donnerstag steht dann alles im Zeichen der Konjunktur - mit den neuen Einkaufsmanager-Indizes (PMIs) rund um den Globus. Spannend werden vor allem die Daten für Europa, da sie sich messerscharf am Rande des Abschwungs befinden: Der kombiniert Euroraum-PMI für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor dürfte im Juli auf 50,0 Punkte gefallen sein, befürchtet Volkswirt Vincent Stamer von der Commerzbank. Damit befände er sich genau an der Grenze zu dem Bereich, in dem die Wirtschaft in der Vergangenheit geschrumpft ist.
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August 16, 2024 07:22 ET (11:22 GMT)
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