BERLIN (dpa-AFX) - Eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen läuft die Diskussion über eine künftige Zusammenarbeit von Union und Grünen auf Hochtouren. Die Union zeigt sich nach wie vor gespalten. Vertreter aus dem Osten und Bayern lehnen eine Kooperation ab. Westdeutsche CDU-Regierungschefs stehen den Grünen offen gegenüber. Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schloss eine Koalition seiner Partei mit der Union nach der nächsten Bundestagswahl nicht aus.
Habeck gilt als wahrscheinlicher Kanzlerkandidat seiner Partei bei der für den 28. September 2025 angesetzten nächsten Bundestagswahl.
Kretschmer: Grünen-Regierungsbeteiligung kommt nicht mehr infrage
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) versuchte, sich hart von den Grünen abzugrenzen. Vor dem Hintergrund der Debatte über eine schwarz-grüne Zusammenarbeit im Bund sagte er der "Bild"-Zeitung: "Eine Regierungsbeteiligung der Grünen kommt für die CDU nicht mehr infrage." Die grüne Partei sei gescheitert, "und zwar an sich selbst". Eine grüne Regierungsbeteiligung hätte nach seinen Worten helfen sollen, den Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie zu versöhnen. Das Gegenteil sei passiert.
Ob Kretschmer seine Äußerungen auf die Grünen im Bund oder im Land bezog, wurde nicht deutlich. Die Aussagen dürften auch vor dem Hintergrund zu sehen sein, dass es gerade in Ostdeutschland wie in Bayern scharfe Kritik an den Grünen gibt. Dies spielt im Wahlkampf in Sachsen und Thüringen eine große Rolle, wo am 1. September neue Landtage gewählt und es anschließend schwierige Regierungsbildungen geben dürfte.
Günther: Koalitionen ausschließen wäre unglaubwürdig
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warnte die Union davor, eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl auszuschließen. "Wir können den Menschen nicht erzählen, dass Schwarz-Grün generell nicht funktioniert, wenn CDU und Grüne in mehreren Ländern, unter anderem dem bevölkerungsreichsten, sehr erfolgreich zusammen regieren. Das wäre völlig unglaubwürdig", sagte er der Funke Mediengruppe.
Man könne auf keinen Fall Koalitionen ausschließen. "Alle demokratischen Parteien sollten es sich offenhalten, miteinander zu reden", sagte Günther. "Ich würde nicht offensiv dafür werben, dass nur Schwarz-Grün im Bund eine Option ist. Aber ich würde der Union auch nicht empfehlen, sich schon jetzt festzulegen oder einen Koalitionswahlkampf zu führen."
Günther regiert in Schleswig-Holstein in einer schwarz-grünen Koalition. Sein bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) hatte sich zuletzt entschieden gegen eine Koalition mit den Grünen auf Bundesebene ausgesprochen.
Wüst: Auf allen Ebenen gesprächs- und koalitionsfähig sein
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte kürzlich der "Süddeutschen Zeitung" gesagt: "Bei uns in Nordrhein-Westfalen und andernorts zeigt sich, wie vertrauensvoll und politisch erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen CDU und Grünen funktionieren kann." Die Union sei "gut beraten, auf allen politischen Ebenen mit den demokratischen Parteien der Mitte gesprächs- und koalitionsfähig zu sein". Was mit wem gehe, müsse "nach den Wahlen sondiert und verhandelt werden".
Habeck: "Die halbe Republik ist schwarz-grün regiert"
Vizekanzler Habeck schloss eine Koalition der Grünen mit der Union nicht aus. "Vielleicht lernt die Union, dass nicht die Grünen ihre Hauptgegner sind, sondern dass wir ganz andere Feinde haben, die im Moment nicht nur den Rechtsstaat, sondern eine konstruktive Stimmung im Land zerstören wollen, und besinnt sich und stellt manche scharfe Töne ein. Wir suchen die Gemeinsamkeiten und nicht das Trennende", sagte er im ARD-"Interview der Woche". Es sei immer sein Projekt gewesen, die Grünen zu einer Partei zu machen, die aus der Mitte heraus agiert und mit verschiedenen Parteien koalitionsfähig sei.
"Die halbe Republik ist schwarz-grün regiert", sagte Habeck. Auf Landesebene regieren Grüne und CDU in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein in einer Zweierkoalition, in Brandenburg und Sachsen im Dreierbündnis mit der SPD.
Trotz der zahlreichen Auseinandersetzungen innerhalb der Ampel-Koalition sieht Habeck nicht die Gefahr eines Koalitionsbruchs. "Im Moment würde man sagen, okay, diese Regierung macht das noch vernünftig zu Ende. Dafür ist sie gewählt." Die Koalition mache ihre Arbeit, "aber wahrscheinlich würde jetzt niemand sehr viel Geld darauf wetten, dass die Ampel so eine zweite Legislaturperiode hat". Er schob nach: "Aber weiß man es?"/bk/DP/mis