(neu: Opferzahl)
POLTAWA (dpa-AFX) - Bei einem der folgenreichsten russischen Raketenangriffe seit Kriegsbeginn sind in der zentralukrainischen Stadt Poltawa nach offiziellen Angaben mindestens 49 Menschen getötet worden. Die Zahl der Verletzten habe sich auf 219 erhöht, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Dmytro Lasutkin, im ukrainischen Fernsehen. Zuvor hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj auf seinem Telegramkanal von 41 Toten und 180 Verletzten geschrieben.
Der Schlag gilt mit Blick auf die Zahl der Opfer als einer der schlimmsten, seit Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor mehr als zweieinhalb Jahren begonnen hat. Die etwa 280 Kilometer östlich von Kiew gelegene Großstadt Poltawa ist nur etwas über 110 Kilometer von der russischen Grenze entfernt.
Ein Gebäude des Instituts für Kommunikation sei stark zerstört worden. Selenskyj erneuerte die Aufforderung an die westlichen Verbündeten, schnell Waffen zur Raketenabwehr zu liefern. "Flugabwehrsysteme und zugehörige Raketen sind in der Ukraine erforderlich und nicht irgendwo in einem Lager", unterstrich der Staatschef.
Selenskyj fordert vom Westen reichweitenstarke Waffen
Erneut betonte er auch, dass es reichweitenstarke Raketen brauche, um Schläge auf militärische Ziele im russischen Hinterland auszuführen. "Schläge mit großer Reichweite, die den russischen Terror abwehren können, werden jetzt gebraucht, nicht irgendwann später. Jeder Tag der Verzögerung ist leider ein Verlust an Menschenleben", sagte Selenskyj.
Der Angriff ereignete sich laut Behörden am Morgen gegen 9.10 Uhr Ortszeit, als die Soldaten sich versammelt hatten. Zwischen dem Ertönen des Luftalarms und dem Einschlag der Raketen soll nur sehr wenig Zeit gelegen haben. Viele Rekruten befanden sich zu der Zeit auf der Straße. "Poltawa erlebt einen schrecklichen Tag. Der russische Aggressor hat einer der Bildungseinrichtungen der Stadt einen barbarischen Schlag versetzt", teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit.
Auf zunächst nicht überprüfbaren Bildern in sozialen Netzwerken waren Leichen vor einem stark zerstörten mehrstöckigen Gebäude zu sehen. Es soll sich dabei um das Militärinstitut für Telekommunikation und Informatisierung der Kiewer Polytechnischen Hochschule in Poltawa handeln. Angaben von Innenminister Ihor Klymenko zufolge wurden mindestens 25 Menschen aus den Trümmern gerettet.
Im angrenzenden Wohngebiet seien durch die Druckwelle Fenster zerstört und Fassaden beschädigt worden, hieß es. In der Stadt meldeten sich laut Behörden spontan viele Menschen, um Blut zu spenden. Gouverneur Filip Pronin setzte für das gesamte Gebiet Poltawa eine dreitägige Trauer an. "Eine große Tragödie für die Region Poltawa und das ganze Land. Der heimtückische Schlag des Feindes kostete 41 Menschen das Leben. Mehr als 180 Menschen wurden verwundet. Aufrichtiges Beileid für Verwandte und Freunde", schrieb Pronin in seinem Telegram-Kanal.
Auch Tote in anderen Teilen der Ukraine durch russische Angriffe
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren gegen die russische Invasion auch mit westlicher Militärhilfe. Selenskyj fordert fast täglich eine bessere Flugabwehr zum Schutz der Städte und reichweitenstarke Raketen, um auch Ziele weit im russischen Landesinneren zu treffen.
Schon am Dienstagmorgen hatten Behörden russische Luft- und Artillerieangriffe auf ukrainisches Gebiet sowie Tote und Verletzte gemeldet. In der Stadt Saporischschja schlugen nach einem Besuch von Selenskyj am Montagabend Geschosse ein und töteten zwei Menschen. Ein Opfer sei ein achtjähriger Junge, schrieb Gebietsgouverneur Iwan Fedorow auf Telegram.
In der Großstadt Dnipro wurden durch Raketenbeschuss ein Mann getötet und sechs Menschen verletzt, wie die dortige Verwaltung mitteilte. In der Region gab es Berichten zufolge einen Treffer auf ein Umspannwerk. Im nordöstlichen Gebiet Sumy schlugen seit Montag in zahlreichen Orten russische Fliegerbomben und Artilleriegeschosse ein. Es gebe drei Verletzte. Durch die Region Sumy an der Grenze zu Russland läuft der Nachschub für die ukrainischen Truppen bei ihrer Offensive im russischen Gebiet Kursk./ast/DP/jha