DJ MARKT-AUSBLICK/Nach US-Arbeitsmarktbericht ist vor EZB-Zinsentscheid
Von Thomas Leppert
FRANKFURT (Dow Jones)--Highligt der kommenden Börsenwoche ist die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag. Dazu dürften sich die Märkte mit den Nachwehen des US-Arbeitsmarktberichts vom Freitag befassen. Erneut fiel der Stellenzuwachs niedriger als gedacht aus, die Abkühlung am lange Zeit überhitzten US-Arbeitsmarkt wird also immer deutlicher. Nun gilt es abzuwarten, ob die Angst vor einer Rezession an den Finanzmärkten die Oberhand gewinnt, oder die Hoffnung auf sinkende Zinsen. Letztere ist allerdings schon weit gediehen, aktuell wird eine große Zinssenkung beim Zinsentscheid der US-Notenbank am 18. September mit 49-prozentiger Wahrscheinlichkeit eingepreist.
Im Hinterkopf haben dürften die Akteure an den Aktienmärkten vor diesem Hintergrund das Thema "Carry-Trades". Dabei handelt es sich um im niedrig verzinsten Yen aufgenommene Gelder, die global in Aktien und Anleihen angelegt wurden. Die Frage ist, ob die vor rund einem Monat zu beobachtende massive Auflösung dieser Carry Trades wirklich beendet ist oder hier weiter Potenzial schlummert. Anfang August hatten diese Auflösungen im Anschluss an den unter Erwarten ausgefallenen Arbeitsmarktbericht für Juli weltweit an den Börsen für schwere Turbulenzen gesorgt, unter anderem für starke Verluste bei Technologieaktien. Hintergrund ist, dass die Bank of Japan inzwischen auf einen Zinserhöhungstrend umgeschwenkt ist, während zugleich in den USA die Zeichen auf Zinssenkungen stehen.
Die EZB dürfte die Karten indes nicht neu mischen, mithin kaum für einen frischen Impuls am Aktienmarkt sorgen. Denn mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird damit gerechnet, dass die EZB die Leitzinsen um 25 Basispunkte senken wird. Dafür spricht sowohl die Entwicklung von Inflations- und Wachstumsausblick als auch die Kommunikation von EZB-Ratsmitgliedern
Ob sich EZB-Chefin Christine Lagarde über den Zinssenkungspfad in die Karten schauen lässt, darf bezweifelt werden. Sie dürfte wie zuletzt immer wieder die Datenabhängigkeit der Zinsentscheidungen betonen. Nachdem in der Vergangenheit die Sätze für die Einlagefazilität, die Spitzenrefinanzierung sowie die Haupfinanzierung im Gleichklang angepasst worden sind, gelten unterdessen seit März diesen Jahres neue Spielregeln. Sie sollen ermöglichen, dass sich die kurzfristigen Geldmarktsätze eng an den geldpolitischen Beschlüssen des EZB-Rats orientieren.
Die Zinsstrategen der NordLB gehen in ihrem Basisszenario, wie die Mehrzahl der Marktteilnehmer davon aus, dass die EZB den Zinssatz für die Einlagefazilität von 3,75 auf 3,5 Prozent senken wird. Dann fiele der Satz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte von 4,25 auf 3,65 Prozent, um die neuen Bedingungen des Korridors zu erfüllen. Der Satz der Spitzenrefinanzierungsfazilität würde von 4,5 ebenfalls um 60 Basispunkte auf 3,9 Prozent abgesenkt werden.
DAX bleibt erste Wahl
Wer in Deutschland am Aktienmarkt investieren will, kommt derweil am DAX nicht vorbei. Während MDAX und SDAX seit Jahren darben, liefern die Aktienkurse der Unternehmen aus der ersten Reihe eine ansehnliche Performance. Und es sieht nicht danach aus, dass sich an dieser Zweiklassengesellschaft so schnell etwas ändern wird. Hintergrund ist, dass kleineren Unternehmen stärker national aufgestellt sind, Deutschland sich aber in den Fängen der Stagnation befindet.
Die DAX-Unternehmen sind dagegen weltweit aufgestellt und profitieren stärker vom globalen Wachstum. Auch die milliardenschweren Rückkaufprogramme sind ein Argument für internationale Investoren, zuerst bei DAX-Unternehmen zuzugreifen.
Die maue Konjunktur dürfte Deutschland noch einige Zeit begleiten. Dies ist die Botschaft der drei Wirtschaftsforschungsinstitute, die kein oder allenfalls minimales Wachstum erwarten. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung nahm seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr zurück und erwartet ein "Nullwachstum". Ähnlich sieht das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung die Zukunft. Derweil stellte der Bundesverband der Deutschen Industrie in seinem Bericht ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent in Aussicht, aber einen Rückgang der Industrieproduktion um 3 Prozent. Auch laut Michael Herzum, Chefvolkswirt bei Union Investment, kommt die deutsche Wirtschaft mit Blick auf den schwachen Auftragseingang nicht in Schwung.
Weiter gute Chancen für Gold
Das Gold profitiert doppelt von der aktuellen Politik der Notenbanken. Zum einen gilt das "zinslose" Edelmetall als Gewinner sinkender Zinsen, zum anderen gelten die Notenbanken als direkte Käufer. Nachdem lange Zeit jene in Asien als Käufer genannt wurden, beobachtet Ulrich Stephan, Chefanlagestratege bei der Deutschen Bank, steigende Nachfrage aus Indien - auch als Folge einer steuerlichen Begünstigung.
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September 06, 2024 09:20 ET (13:20 GMT)
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