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FRANKFURT/MAILAND (dpa-AFX) - Die italienischen Großbank Unicredit hat sich im großen Stil an der Commerzbank beteiligt und schürt damit Spekulationen über eine Übernahme des Frankfurter Geldhauses. Die Italiener schlugen bei dem angekündigten Verkauf von Aktien durch den Bund zu und kauften zudem Anteile am Markt, wie die Unicredit am Mittwoch in Mailand mitteilte. In Summe halten die Italiener bereits rund neun Prozent der Commerzbank-Aktien. An der Börse kam die Nachricht gut an. Der Kurs der im Dax gelisteten Commerzbank-Anteile legte zweistellig zu.
Die Gewerkschaft Verdi kündigte Widerstand gegen eine mögliche Übernahme der zweitgrößten privaten Bank in Deutschland an. Sie verlangte Unterstützung vom Bund, der gerade erst mit seinem Ausstieg aus der Commerzbank begonnen hat. Die italienische Bank ließ offen, ob sie bei der Commerzbank weiter aufstocken will. Um flexibel entscheiden zu können, will sie sich aber bei den Aufsehern die Genehmigung holen, den Anteil auch auf mehr als 9,9 Prozent aufstocken zu können. "Mit der heutigen Meldung ist die Commerzbank unseres Erachtens wieder ein potenzielles Übernahmeziel", schrieb Philipp Häßler, Analyst bei der DZ-Bank.
Der Kauf von rund neun Prozent der Commerzbank-Aktien durch die Unicredit habe ihn überrascht. "Der Anteilserwerb der UniCredit ist unseres Erachtens ein geschickter Schachzug, da sie sich so entweder für eine spätere Übernahme positioniert, oder bei einer Übernahme durch einen Dritten, zumindest mitreden kann." Die Tatsache, dass sie einen 4,5-prozentigen Anteil vom Bund erworben hat, interpretiert er so, dass dieser keine Einwände gegen die Unicredit als neuen Großaktionär hat.
Finanzpolitiker der Ampelkoalition reagierten gelassen auf den Einstieg. "Der Bund bleibe auch nach dem ersten Verkaufsschritt größter Einzelaktionär der Commerzbank, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi, dem "Handelsblatt". "Eine Übernahme durch die Unicredit anzunehmen, ist daher aktuell nicht angezeigt." Allerdings betonte der SPD-Finanzpolitiker, dass die Ampelkoalition bei möglichen weiteren Veräußerungen Rücksicht auf die Interessen der Beschäftigten nehmen werde.
Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Markus Herbrand, begrüßte der Anteilskauf durch die italienische Großbank. "Anstatt dies als Startschuss für eine feindliche Übernahme zu intonieren, sollten Management und Mitarbeitende stolz darauf sein, dass sich ihre harte Arbeit auszahlt und die Aktien für ein lohnendes Investment gehalten werden", sagte er dem "Handelsblatt". Befürchtungen vor einer Übernahme durch Konkurrenten seien aktuell fehl am Platz.
Die Commerzbank betonte angesichts der Nachricht aus Mailand, Vorstand und Aufsichtsrat würden weiter im "besten Interesse" aller Anteilseigner sowie von Mitarbeitern und Kunden handeln. Die Beteiligung der Unicredit bezeichnete das Institut mit rund 42.000 Beschäftigten als "Beleg für den Stellenwert der Commerzbank".
Alarmiert zeigten sich hingegen die Arbeitnehmervertreter. Verdi-Gewerkschaftssekretär und Commerzbank-Aufsichtsrat Stefan Wittmann sagte dem "Handelsblatt", man werde sich mit "mit allen Mitteln" wehren. Er verwies auf die Übernahme der Münchener Hypovereinsbank durch die Unicredit. Dort seien Tausende Arbeitsplätze gestrichen und viele Kompetenzen nach Mailand abgezogen worden. Von der Bundesregierung verlangte Wittmann Hilfe. "Der Bund muss jetzt klare Kante zeigen und seine verbliebene Beteiligung von zwölf Prozent nutzen, um eine schädliche Übernahme der Commerzbank zu verhindern."
Rund die Hälfte des 9-prozentigen Pakets erwarb die Unicredit vom Bund. Er verkaufte im Rahmen seines jüngst angekündigten Ausstiegs aus der Commerzbank knapp 4,5 Prozent im Paket an die Italiener. Sie waren bereit, mehr zu zahlen, als die Papiere am Dienstagabend an der Börse wert waren, erklärte die Finanzagentur des Bundes. Alle vom Bund offerierten Aktien seien "infolge einer deutlichen Überbietung aller übrigen Angebote" an die Unicredit zugeteilt worden.
Der Bund nahm durch den Verkauf der gut 53 Millionen Aktien etwas mehr als 700 Millionen Euro ein. Der Anteil des deutschen Staats sinkt damit auf 12 Prozent, trotzdem bleibt er vorerst der größte Anteilseigner der seit der Finanzkrise teilverstaatlichten Commerzbank. Der Bund hatte zuletzt allerdings angekündigt, die Beteiligung Schritt für Schritt abbauen zu wollen.
Mit einem Anteil von neun Prozent ist die Unicredit nun der zweitgrößte Aktionär. Die Unicredit hatte schon vor knapp 20 Jahren im deutschen Bankenmarkt zugeschlagen. 2005 kaufte sie die deutsche Hypovereinsbank für rund 15 Milliarden Euro und ist seitdem vor allem im deutschen Privatkundenmarkt stark vertreten, auch wenn sie die Zahl der Mitarbeiter und Filialen seit der Übernahme deutlich abgebaut hat.
Ende Juni hatte die Bank nach Unicredit-Angaben in Deutschland noch circa 260 Filialen und rund 9.700 Vollzeitstellen. Die Commerzbank kam Ende Juni laut Halbjahresbericht auf fast 39.000 Vollzeitkräfte; etwas mehr als 25.000 davon arbeiten im Inland. Die Zahl der Filialen lag Ende 2023 bei rund 400 im Inland.
Die Commerzbank selbst hielt sich am Mittwoch bedeckt. Man habe die Mitteilung der Unicredit zur Kenntnis genommen, hieß es in einer Mitteilung. Zu möglichen Folgen und Details wollte sich die Bank nicht äußern. Nach Informationen der "Financial Times" ist die Bank offen für Fusionsgespräche mit den Italienern. Dies berichtete die Zeitung am Mittwoch unter Berufung auf mit den Gesprächen vertraute Personen.
Die Unicredit und die Commerzbank gehörten in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und in der EU-Schuldenkrise zu den größten Verlierern am Aktienmarkt. Die Aktienkurse beider Institute waren zeitweise um mehr als 90 Prozent gefallen. Inzwischen hat sich die Lage für beide Häuser unter anderem wegen der zuletzt wieder deutlich höheren Zinsen massiv verbessert. Bei der Unicredit fiel die Erholung allerdings deutlich stärker aus.
Der Kurs der Unicredit-Aktie hat sich seit dem Rekordtief im Frühjahr 2020, als der Kurs im Corona-Crash bis auf fast sechs Euro gefallen war, in mehr als versechsfacht. Die Bank ist inzwischen fast 60 Milliarden Euro wert und könnte sich damit eine Übernahme der Commerzbank leisten. Die Marktkapitalisierung der Deutschen Bank zog seit März 2020 zwar auch um mehr als 400 Prozent an - liegt aber mit rund 17,5 Milliarden Euro deutlich unter derjenigen der Unicredit.
An der Börse kam die Nachricht bei Commerzbank-Investoren hervorragend an. Der Kurs der Aktie zog am Nachmittag rund 18 Prozent auf 14,83 Euro an. Damit näherte sich das Papier wieder dem Mehrjahreshoch von 15,825 Euro an, das es im Mai infolge guter Zahlen für die ersten drei Monaten des Jahres erreicht hatte. Nach der Bekanntgabe der Zahlen für das zweite Quartal sackte der Kurs dann bis auf fast 12 Euro ab. Gründe dafür waren unter anderem die Sorgen vor den Auswirkungen von wieder sinkenden Zinsen auf die Erträge der Bank sowie die hohen Kosten.
Mit dem Anstieg am Mittwoch nach Bekanntgabe des Einstiegs der Italiener merzt die Aktie ihren August-Rückschlag wieder aus. Der Kurs der Unicredit profitierte dagegen nur zeitweise von der Nachricht. Nach einem zwischenzeitlichen Plus von mehr als drei Prozent fiel das Papier am Nachmittag wieder auf das Niveau vom Dienstagabend zurück. Die Experten der Investmentbank Keefe, Bruyette & Woods (KBW) schrieben in einer Studie, dass eine vollständige Übernahme der Commerzbank für die UniCredit finanziell und strategisch sinnvoll sein könnte.
Unterdessen steht auch in der Chefetage der Commerzbank ein Umbruch bevor: Konzernchef Manfred Knof wird seinen Ende 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern, hatte der Konzern am Dienstagabend mitgeteilt. Der Auswahlprozess für die Nachfolge soll umgehend beginnen. Der Manager, der private Gründe für den Schritt andeutete, führt die Bank seit 2021 und hatte den Sparkurs des Geldhauses verschärft: Tausende Stellen fielen weg, das Filialnetz schrumpfte deutlich. Mit dem Umbau und dank gestiegener Zinsen schaffte die Commerzbank die Trendwende.
Als aussichtsreichste Kandidatin für die Nachfolge gilt die Commerzbank-Finanzchefin und Vize-Vorstandsvorsitzende Bettina Orlopp (54). Ihr werden schon länger Ambitionen auf den Chefposten nachgesagt. Bei der Frage, wer die Frankfurter Bank künftig führt, hatte zuletzt Unruhe bei dem Institut erzeugt. Die Rede war auch von einem Machtkampf./zb/als/DP/zb