23.09.2024 -
Deutschlands Wirtschaft schwächelt bereits seit einigen Jahren, während die der USA weiter voranschreitet. Entwickelt sich der ehemalige Wachstumsmotor Europas nun zu einer Wachstumsbremse?
"Deutschland überholt Japan als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt", titelten Anfang des Jahres mehrere Medien. Eine Schlagzeile, die so gar nicht in die Zeit zu passen schien. Denn beim ehemaligen Exportweltmeister läuft es wirtschaftlich gerade überhaupt nicht rund.
So war Deutschland die einzige G7-Nation, deren reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr schrumpfte - und Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Nach den jüngsten Wachstumsprognosen wird die Bundesrepublik auch in diesem Jahr das Schlusslicht unter den G7-Staaten sein.
Dass Deutschland dennoch an Japan "vorbeiziehen" konnte, war einzig auf die spürbare Abwertung des japanischen Yen zurückzuführen. Japans Wirtschaftsleistung brach ein, weil das BIP bei internationalen Vergleichen in US-Dollar gemessen wird. So gesehen ist Deutschlands dritter Platz in der Weltrangliste also allenfalls ein Prestigeerfolg.
Damit nicht genug. Einige Stimmen argumentieren sogar, dass Deutschlands Wirtschaftsmodell irreparabel beschädigt sei. Dass das starke Wachstum der vergangenen Jahrzehnte auf dem Import von billigem russischem Gas basierte, was die äußerst wettbewerbsfähigen deutschen Exportindustrien entscheidend unterstützte. Jetzt aber, wo dieses billige Gas nicht mehr zur Verfügung steht, funktioniere das deutsche Erfolgsmodell eben nicht mehr. Sind also womöglich Sorgen um eine mögliche Deindustrialisierung unseres Wirtschaftsstandorts berechtigt?
Tatsächlich lag das reale BIP Deutschlands im zweiten Quartal 2024 weniger als ein Prozent höher als im vierten Quartal 2019. Die reale US-Wirtschaftsleistung konnte im gleichen Zeitraum um knapp zehn Prozent zulegen. Eine Entwicklung, die so manchem Wirtschaftsvertreter hierzulande Schweißperlen auf die Stirn treibt. Wie gut oder schlecht stehen wir also tatsächlich da?
Industriestandort Deutschland am PrangerGrundsätzlich ist das Wohlergehen am Wirtschaftsstandort Deutschland eng mit dem Erfolg im Verarbeitenden Gewerbe verknüpft. Hierzulande liegt der Anteil dieses Sektors an der gesamten Wirtschaftsleitung spürbar höher als in den meisten anderen Industrienationen. Rund 20 Prozent trägt dieser Bereich zum BIP bei. Im Vereinigten Königreich beispielsweise ist der Anteil nicht einmal halb so hoch.
Bemerkenswert ist zudem, dass dieser Anteil in Deutschland seit den 1990er-Jahren weitgehend stabil geblieben ist, während dieser in den übrigen Industrienationen nennenswert zugunsten des Dienstleistungssektors zurückging.
Und in diesem für Deutschland so relevanten Wirtschaftszweig drückt bereits seit einigen Jahren der Schuh: Die Industrieproduktion schwächelt und energieintensive Industrien drohen seit dem Energiepreisschock im Jahr 2022 abzuwandern.
Ein erster Blick auf die besonders energieintensiven Chemie-, Metall- und Papierindustrien lässt nichts Gutes erahnen. So liegen die Beschäftigtenzahlen in diesen Bereichen heute spürbar unter den Vor-Pandemie-Niveaus. Auch zeigt die jüngere Dynamik dort keine Erholung der Beschäftigtenzahlen an. Dennoch wäre es übertrieben, hieraus eine breit angelegte Deindustrialisierung Deutschlands abzuleiten.
Zwar sind diese energieintensiven Bereiche in der jüngeren Vergangenheit leicht geschrumpft. Gleichzeitig stehen sie aber nur für rund vier Prozent der Wirtschaftsleistung. Zudem hat sich die Beschäftigungssituation im übrigen Verarbeitenden Gewerbe von den Tiefständen der vergangenen Jahre etwas erholt (vgl. Grafik 1).
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