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Edouard Carmignac (Carmignac): Brief von Edouard Carmignac vom 08.10.2024

Finanznachrichten News

08.10.2024 -

Seit Anfang 2023 vertrete ich eine gemäßigt optimistische Haltung, die die Aktienmärkte bisher nicht widerlegt haben. Der Anstieg der globalen Aktienmärkte beträgt nach ihrem leichten Plus im vergangenen Quartal nun über 17% seit Jahresanfang. Bieten risikoreiche Anlagen zu den aktuellen Bewertungen immer noch attraktives Aufwärtspotenzial? Die Entwicklung der wichtigsten Unsicherheitsfaktoren stützt unsere langfristigen Einschätzungen, die aus unserer Sicht auch weiterhin bestehen bleiben werden.

Der Zinsrückgang hat begonnen. Angesichts der anhaltend hohen globalen Verschuldung ist eine gewisse Besorgnis durchaus angebracht. Allerdings ist es, wie ich wiederholt betont habe, aufgrund der minimalen Resilienz des Westens gegenüber wirtschaftlichen Problemen undenkbar, dass die Realzinsen (d. h. die Zinsen oberhalb der Inflationsrate) auf dem aktuell hohen Niveau verharren werden. Daher ist es kein Wunder, dass Jerome Powell und Christine Lagarde die Zinsen senken und signalisieren, dass sie an ihrem Kurs festhalten werden, auch wenn die Inflationsraten beiderseits des Atlantiks immer noch über dem Zielwert liegen. Diese Haltung der Zentralbanken treibt nicht nur den Wert der Anlagevermögen, sondern kurbelt auch die Konjunktur an. Geldpolitische Anreize sind angesichts des begrenzten haushaltspolitischen Spielraums nach den Exzessen der "Whatever it takes"-Phase umso notwendiger. Mehrere europäische Länder - darunter auch Frankreich - sind sogar zur Senkung ihrer Haushaltsdefizite verpflichtet.

Der Stillstand Europas. Die Ergebnisse der letzten Europawahlen haben schonungslos deutlich gemacht, dass der Führungswille der Europäischen Union infolge der Krise des deutsch-französischen Duos abnimmt. In meinem letzten Schreiben habe ich meine Hoffnung geäußert, dass Mario Draghi - dessen intellektuelle Autorität und Verhandlungsgeschick unbestreitbar sind - zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt wird. Nachdem sein Plan zur Stärkung der Eurozone in der Presse diskutiert worden war, ist die Wiederernennung Ursula von der Leyens eine Enttäuschung, auch wenn sie offenbar bemüht war, Kommissionsmitglieder zu ernennen, die nicht so sehr auf uneingeschränkte Regulierung setzen. Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, müssen die Arbeitskosten sinken und die Industriepolitik muss darauf ausgerichtet werden, den wachsenden Rückstand bei der Entwicklung disruptiver Technologien, beispielsweise der Künstlichen Intelligenz und der Biotechnologie, zu verringern.

US-Wahlen und Geopolitik. Ich werde nicht darüber spekulieren, wer die US-Präsidentschaftswahl gewinnen wird, denn das Rennen verspricht knapp zu werden und birgt immer noch viele Unsicherheiten. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass die Rentabilität der US-Unternehmen von den fiskalpolitischen Divergenzen zwischen den Wahlprogrammen beeinträchtigt würde. Analysten sind sich einig, dass eine neue Trump-Regierung einen Anstieg der Gewinnerwartungen um 5% zur Folge hätte, während unter Kamala Harris ein Rückgang um rund 5% zu erwarten wäre. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass einer der beiden Kandidaten in der Lage sein wird, größere Reformen umzusetzen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten oder die Republikaner die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus zugleich erringen, ist gering. Die geopolitischen Auswirkungen könnten aber größer sein. Der Isolationismus, den Donald Trump vertritt, würde die Unterstützung für die Ukraine unterminieren und den Handelskrieg mit China anheizen, während die bedingungslose Unterstützung Israels die Spannungen im Nahen Osten und auf dem Rohölmarkt verschärfen würde. Es ist offensichtlich, dass Europa unter diesen Szenarien in eine schwierige Lage geraten wird. Trotzdem bin ich weiterhin der Meinung, dass die gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Parteien uns vor einem größeren Konflikt bewahren wird.

Und der Marktausblick? Der Zinsrückgang ist eindeutig positiv, aber die Bewertungsniveaus und die genannten Unsicherheiten erfordern ein sehr spezifisches Anlageportfolio. Denn die Zinssenkungen durch die Zentralbanken werden sich womöglich erst dann in den langfristigen Zinssätzen widerspiegeln, wenn der Inflationsdruck deutlicher zurückgeht, und sie werden nicht ausreichen, um Enttäuschungen bei Unternehmen auszugleichen, die empfindlich auf eine Abschwächung der globalen Nachfrage reagieren. Wir bevorzugen daher nach wie vor Aktien mit hoher Prognosesicherheit und besitzen eine wesentliche Allokation in den Schlüsselakteuren auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Ausserdem halten wir uns fern von langlaufenden festverzinslichen Anleihen. Zuletzt profitiert unser Exposure in Gold von den akkommodierenden Geldpolitiken und der Zunahme der geopolitischen Risiken.

Mit dieser Mahnung zur Vorsicht möchte ich schließen. Vielen Dank für Ihr Interesse.

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