BERLIN (dpa-AFX) - Weniger, dafür aber profitablere Neukunden: Der Kochboxenversender Hellofresh rückt in seinem Übergangsjahr von seiner aggressiven Wachstumsstrategie ab und will sich künftig mehr auf Profitabilität konzentrieren. Nach einem unerwartet guten dritten Quartal nahm sich Konzernchef Dominik Richter die Jahresziele vor. 2024 dürfte nun der Gewinnrückgang im schlimmsten Fall etwas kleiner ausfallen als bislang kommuniziert. Allerdings erwartet der Manager nur noch ein minimales Umsatzwachstum. Anleger zeigten sich dennoch beeindruckt: Die Hellofresh-Aktie legte kurz nach Bekanntwerden der neuen Prognose um mehr als 10 Prozent zu.
2024 dürfte der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) auf 360 bis 400 Millionen Euro zurückgehen, teilte der MDax -Konzern überraschend am Freitag in Berlin mit. Bislang standen am unteren Ende der Spanne 10 Millionen Euro weniger auf dem Zettel. Allerdings geht Konzernchef Richter nun von deutlich weniger Umsatzwachstum aus: Der Erlös dürfte währungsbereinigt um 1 bis 1,7 Prozent zulegen. Bislang hatte der Manager noch 2 bis 8 Prozent in Aussicht gestellt.
2023 lag der Konzernerlös auf Basis konstanter Wechselkurse bei 7,8 Milliarden Euro, ausgewiesen waren es 7,6 Milliarden. Der bereinigte operative Gewinn (Ebitda) lag bei knapp 448 Millionen Euro.
Hellofresh begründete die angepassten Jahresziele mit einer neuen Ausrichtung bei seinen Werbemitteln: So wurden diese bereits im dritten Quartal zurückgefahren, was üblicherweise die Neukundengewinnung belastet. Künftig zielt Hellofresh auf profitablere Kunden ab und verweist in diesem Kontext auch darauf, dass dafür ein geringeres Wachstum in Kauf genommen wird. Auch zum Jahresabschluss sollen die Ausgaben heruntergefahren werden.
Konzernchef Richter hatte zuletzt bereits in Telefonkonferenzen angekündigt, von den früheren aggressiven Werbekampagnen abzurücken. Hellofresh hatte in der Vergangenheit Kunden mit satten Rabatten für die ersten Lieferungen oder auch Gratis-Kochboxen angelockt. Einige davon gewöhnten sich allerdings zu stark an die Promotionen und bestellten nur noch unter Verwendung von Gutscheinen. Richter zufolge soll das ein Ende haben, Hellofresh will künftig eher mit Gratis-Zugaben werben.
Die Marketingausgaben waren kritischen Aktionären stets ein Dorn im Auge, sie monierten, dass sie zu hoch sind und an der Profitabilität zehren. In den ersten sechs Monaten des Jahres gab der Konzern noch rund ein Fünftel des Umsatzes für Werbemittel aus.
Auf Basis vorläufiger Zahlen lief es für die Berliner im dritten Quartal besser als gedacht: im Tagesgeschäft verdienten sie - auch wegen geringerer Marketingausgaben - bereinigt um Sonderposten 72 Millionen Euro nach 69 Millionen ein Jahr zuvor. Branchenkenner hatten mit einem rapiden Gewinnrückgang gerechnet. Der Umsatz kletterte im dritten Quartal bei konstanten Wechselkursen um fast zwei Prozent auf rund 1,83 Milliarden Euro. Damit hatten Analysten laut Unternehmen in etwa gerechnet. Die vollständigen Zahlen will der Vorstand an diesem Dienstag (29. Oktober) veröffentlichen.
Seit drei Monaten hat die Aktie um fast zwei Drittel zugelegt. Neben Konzernchef Richter als einer der größten Aktionäre freut sich vor allem der Investor Active Ownership über die Entwicklung - er war Mitte August bei Hellofresh eingestiegen. Wer allerdings die Aktie schon länger hält, hat das Nachsehen. Seit dem Jahreswechsel hat sie sich immer noch um rund 35 Prozent verbilligt - und wer vor drei Jahren zugegriffen hat, muss sich mit einem Kursverlust von fast 90 Prozent arrangieren.
Auch Aktionäre, die vor der Gewinnwarnung und dem Streichen der Mittelfristziele Anfang März eingestiegen sind, haben das Nachsehen. Mit gleich mehreren schlechten Nachrichten hatte Hellofresh im Frühjahr Anleger verschreckt. An nur einem Tag brach der Kurs um mehr als 40 Prozent ein und Analysten warnten vor verlorener Glaubwürdigkeit der Unternehmensführung./ngu/jsl/jha/