DJ MARKT-AUSBLICK/Mit US-Wahl und Fed-Zinsentscheid stehen zwei Top-Events an
Von Thomas Leppert
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Wahl des Präsidenten in den USA, oder der ersten US-Präsidentin, wie auch die Zinsentscheidung der US-Notenbank, sind die Top-Themen der kommenden Woche. Während bei der Fed mehrheitlich eine Zinssenkung um 25 Basispunkte erwartet wird, ist der Wahlausgang ungewiss. Die Präsidentschaftswahl bleibt den Umfragen zufolge ein Kopf-an-Kopf-Rennen, allerdings hat Donald Trump einen Vorsprung in den Wettbüros. Einmal mehr könnte die Wahl letztlich in einem der Swing States entschieden werden, wo wenige tausend Wähler das Pendel in Richtung Kamala Harris oder Trump ausschlagen lassen könnten.
Momentan wird an der Börse verstärkt darauf gesetzt, dass Trump erneut US-Präsident wird. Doch auf der Zielgeraden kann noch viel passieren. Zudem ist für auch für die Kapitalmärkte entscheidend, ob die Republikaner im Kongress, also im Repräsentantenhaus und im Senat, die Mehrheit erringen. Im Vorfeld der Wahl nahm die Nervosität der Anleger jüngst bereits zu, begleitet von einer gewissen Unsicherheit wurde eine höhere Risikoprämie bei Risiko-Assets gefordert.
Die Wahl findet kommenden Dienstag statt, ob bereits vor Handelsbeginn in Europa am Mittwoch ein belastbares Wahlergebnis vorliegt, bleibt abzuwarten. Sollte sich das Wahlergebnis verzögern, wie dies beispielsweise im Jahr 2000 der Fall war, dürften nach Einschätzung der Strategen der LBBW die Aktienmärkte wegen erhöhter Unsicherheit nachgeben. Unabhängig davon könnte sich die Outperformance von US-Aktien nach einer Wahl von Trump zum US-Präsidenten zunächst fortsetzen, weil alle anderen Märkte unter seiner protektionistischen Agenda leiden dürften. Eine Trump-Wahl wäre keine Überraschung, im Gegensatz zu 2016, als die Aktienmärkte kräftig zulegten. Ein Sieg von Harris könnte außerhalb der USA dagegen eine kurze Erleichterungsrally auslösen.
Trumps Zölle können Deutschland in Rezession schicken
"Alles in allem droht unter dem Szenario, dass Trump seine Zollankündigungen in die Tat umsetzt, 2025 eine handfeste Rezession in Deutschland, Größenordnung bis zu minus 2 Prozent", erwartet LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer. Bekannt ist, dass Zölle zur Eindämmung der Importe in die USA ein zentrales Element in Trumps wirtschaftspolitischem Instrumentenkasten sind. Wenn Trump gewinnt, dürfte er hohe Zollmauern errichten. In seinen Wahlkampfreden kündigte er an, alle Importe in die USA mit einem generellen Zoll zwischen zehn und 20 Prozent zu belegen. Deutschland ist eine besonders offene und exportabhängige Volkswirtschaft. Mit Ausfuhren in Höhe von 158 Milliarden Euro im Jahr 2023 waren die USA das mit Abstand wichtigste Zielland der deutschen Exporte. Laut Krämer dürfte Deutschland mit einem monatlichen Exportüberschuss von 7 Milliarden Dollar einem zukünftigen Präsidenten Trump besonders sauer aufstoßen.
Kurzfristig steigende Volatilität erwartet
"Politische Börsen haben kurze Beine" ist eine Marktweisheit. Langfristig ausgerichtete Investoren sollten sich nicht durch kurzfristigen Schwankungen, die politische Ereignisse verursachen, beeinflussen lassen. "Dennoch nimmt die Nervosität der Anleger im Vorfeld einer US-Präsidentschaftswahl tendenziell zu, insbesondere wenn der Wahlkampf stark polarisierend ist und ein knappes Ergebnis erwartet wird", schreibt Tilo Wannow, Portfoliomanager bei Oddo BHF. Die Präsidentschaftswahl in den USA bewege nicht nur die Amerikaner, sondern habe weltweite Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik. Bei einem Sieg der Demokraten könnten erneuerbare Energien, Gesundheits- und Technologietitel profitieren. Fossile Brennstoffe und Finanztitel würden als Verlierer gelten. Bei einem Sieg der Republikaner würden wiederum Sektoren wie Energie, Rüstung und Finanzdienstleistungen profitieren. Erneuerbare Energien und der Einzelhandel wären mögliche Verlierer, da durch die Handelspolitik Trumps höhere Zölle erhoben werden könnten.
Neben dem Ergebnis der Präsidentschaftswahl dürfte auch der Ausgang der gleichzeitig stattfindenden Kongresswahlen die Marktentwicklung dominieren. Dies gilt vor allem im Falle eines sogenannten "Durchmarsches" der Republikaner, also einer Mehrheit im Repräsentantenhaus wie im Senat. In diesem Fall könnte Trump auch die Steuern senken und die öffentlichen Ausgaben so umgestalten. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding zufolge dürfte Trumps Politik zunächst auf Grund von Deregulierung und Steuersenkungen zu einem stärkeren US-Wachstum führen, gefolgt von einem langsameren Trendwachstum, bedingt durch höhere Zölle und weniger Einwanderung. Wenn die Republikaner den Kongress kontrollieren, würden die Haushaltsdefizite wahrscheinlich höher ausfallen und die US-Notenbank hätte weniger Spielraum für Zinssenkungen als sonst.
Fed wird senken
Wie die Mehrheit der Marktteilnehmer geht auch der DWS US-Volkswirt Christian Scherrmann davon aus, dass die US-Notenbank auf ihrer Sitzung, diesmal am Donnerstag, die Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte senkt. Abzuwarten bleibe, ob am Fed-Tag, also nur zwei Tage nach der Wahl, der neue US-Präsident bereits feststehe. Scherrmann geht davon aus, dass die US-Notenbanker weiterhin auf Sicht fliegen und die Datenabhängigkeit erneut die Kernbotschaft der Pressekonferenz sein wird - wenn auch wahrscheinlich mit einem etwas falkenhaften Unterton. Da die aktuellen Leitzinsen jedoch noch immer deutlich über ihrem neutralen Niveau lägen, habe die US-Notenbank zumindest derzeit einen gewissen Spielraum.
Nachdem sich die Renditeentwicklung bei den langlaufenden US-Treasuries jüngst von der Leitzinserwartung abgekoppelt hat, dürfte der Wahlausgang auch hier den entscheidenden Impuls liefern. Die Marktstrategen der Commerzbank gehen davon aus, dass ein Sieg von Trump die Renditen am langen Ende der US-Kurve wohl weiter steigen lassen wird. Allgemein werde erwartet, dass Trump die Staatsausgaben noch stärker erhöhen würde als Harris, was mit stark steigenden Anleiheemissionen einhergehen würde. Diese Entwicklung dürfte auch nach Europa hinüberschwappen und in der Folge auch hier die Renditen der Anleihen weiter steigen lassen.
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November 01, 2024 07:25 ET (11:25 GMT)
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