Berlin (ots) -
Die wortmächtige Michelle Obama hat aus ihrer Verzweiflung keinen Hehl gemacht. Sie habe "echte Angst", dass Kamala Harris die US-Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump verlieren könne, warnte sie vor einer Woche. "Wie kann es sein, dass dieses Rennen knapp ist?"
Die Sorge ist berechtigt. Harris schafft es nicht, zwei wichtige Stammwählergruppen ihrer Partei voll zu mobilisieren: Schwarze und Latinos. Vor allem schwarze Männer gehen Harris von der Fahne. Angesichts der völkisch aufgeladenen Sprache Trumps ist das überraschend. Der Republikaner wettert immer aggressiver gegen Migranten, die das "Blut des Landes vergiften". Aber Trump schadet diese Rhetorik nicht. Im Gegenteil. In wichtigen Politikbereichen stößt er mit seinen Thesen auf Resonanz. Laut Umfragen befürworten 43 Prozent der Latinos und 40 Prozent der Schwarzen den Bau einer Mauer entlang der mexikanischen Grenze.
Auch in der Wirtschaft - für die Amerikaner Thema Nummer eins - hat Harris Schwachstellen. Es gehört zu den erstaunlichsten Dingen, dass sie hier nicht punktet, obwohl Präsident Joe Biden eine ordentliche Bilanz vorweisen kann. Die Wirtschaft wächst um knapp drei Prozent - Kanzler Olaf Scholz würde bei solchen Zahlen einen Luftsprung machen. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Die Inflationsrate ist auf zuletzt 2,4 Prozent gesunken.
Doch Statistik und subjektive Wahrnehmung klaffen auseinander. Für viele US-Bürger ist die gefühlte Inflation viel höher, als es die wirtschaftlichen Makro-Daten vermuten lassen. Dies liegt daran, dass die Preise für Waren des alltäglichen Bedarfs wie Lebensmittel deutlich höher liegen als vor der Pandemie. Viele Amerikaner spüren das jeden Tag im Portemonnaie. Etliche Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen schränken sich beim Einkauf im Supermarkt ein. Und sie lassen sich von einer gefährlichen Nostalgiewelle forttragen: In den vier Jahren der Trump-Präsidentschaft bewegte sich die Inflationsrate nahe der Ein- oder Zwei-Prozent-Marke. Die Konjunktur brummte mit Ausnahme des Corona-Jahrs 2020, Amerika zettelte keine Kriege an, und die Bauzinsen waren vergleichsweise niedrig.
Trump nutzt mit seinem populistischen Killerinstinkt diese "Früher war alles besser"-Stimmung gnadenlos aus. Er schiebt die "Biden-Inflation" im Dauer-Stakkato dem Präsidenten und seiner Vize-Frau in die Schuhe. Dabei ist es Joe Bidens Verdienst, dass er die in der Coronakrise stark geschwächte US-Wirtschaft mit einem billionenschweren Konjunkturprogramm relativ schnell wieder in die Gänge gebracht hat. Allerdings für den Preis, dass viele Güter zunächst sprunghaft teurer wurden.
Der politromantische Blick in die Vergangenheit, wonach die Kaufkraft unter Trump höher war, wirkt wie süßes Gift. Nicht nur auf die eingefleischten Fans des Republikaners, sondern auch auf Wählergruppen, die Harris näherstehen sollten: Schwarze, Latinos oder Unabhängige. Dass Trump mit seiner nationalistischen Zoll-Offensive auf alle Importe viele Waren in Amerika teurer machen dürfte, geht dabei unter.
Harris muss sich vorhalten lassen, dass sie es bis heute nicht verstanden hat, ihr Konzept für Wohlstand auf die Lebenswirklichkeit der US-Bürger herunterzubrechen. Zu oft hat sie ihre Politik waschzettelartig als Aufzählung von Einzelmaßnahmen verkauft. Ihr fehlt eine Vision, wohin sie das Land führen will. Trump tritt hingegen als Systemsprenger auf, der mit einem Feuerritt "Veränderung" herbeizaubern will. Für viele Amerikaner scheint dies weniger abschreckend zu sein als für die große Mehrheit der Europäer.
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Die wortmächtige Michelle Obama hat aus ihrer Verzweiflung keinen Hehl gemacht. Sie habe "echte Angst", dass Kamala Harris die US-Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump verlieren könne, warnte sie vor einer Woche. "Wie kann es sein, dass dieses Rennen knapp ist?"
Die Sorge ist berechtigt. Harris schafft es nicht, zwei wichtige Stammwählergruppen ihrer Partei voll zu mobilisieren: Schwarze und Latinos. Vor allem schwarze Männer gehen Harris von der Fahne. Angesichts der völkisch aufgeladenen Sprache Trumps ist das überraschend. Der Republikaner wettert immer aggressiver gegen Migranten, die das "Blut des Landes vergiften". Aber Trump schadet diese Rhetorik nicht. Im Gegenteil. In wichtigen Politikbereichen stößt er mit seinen Thesen auf Resonanz. Laut Umfragen befürworten 43 Prozent der Latinos und 40 Prozent der Schwarzen den Bau einer Mauer entlang der mexikanischen Grenze.
Auch in der Wirtschaft - für die Amerikaner Thema Nummer eins - hat Harris Schwachstellen. Es gehört zu den erstaunlichsten Dingen, dass sie hier nicht punktet, obwohl Präsident Joe Biden eine ordentliche Bilanz vorweisen kann. Die Wirtschaft wächst um knapp drei Prozent - Kanzler Olaf Scholz würde bei solchen Zahlen einen Luftsprung machen. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Die Inflationsrate ist auf zuletzt 2,4 Prozent gesunken.
Doch Statistik und subjektive Wahrnehmung klaffen auseinander. Für viele US-Bürger ist die gefühlte Inflation viel höher, als es die wirtschaftlichen Makro-Daten vermuten lassen. Dies liegt daran, dass die Preise für Waren des alltäglichen Bedarfs wie Lebensmittel deutlich höher liegen als vor der Pandemie. Viele Amerikaner spüren das jeden Tag im Portemonnaie. Etliche Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen schränken sich beim Einkauf im Supermarkt ein. Und sie lassen sich von einer gefährlichen Nostalgiewelle forttragen: In den vier Jahren der Trump-Präsidentschaft bewegte sich die Inflationsrate nahe der Ein- oder Zwei-Prozent-Marke. Die Konjunktur brummte mit Ausnahme des Corona-Jahrs 2020, Amerika zettelte keine Kriege an, und die Bauzinsen waren vergleichsweise niedrig.
Trump nutzt mit seinem populistischen Killerinstinkt diese "Früher war alles besser"-Stimmung gnadenlos aus. Er schiebt die "Biden-Inflation" im Dauer-Stakkato dem Präsidenten und seiner Vize-Frau in die Schuhe. Dabei ist es Joe Bidens Verdienst, dass er die in der Coronakrise stark geschwächte US-Wirtschaft mit einem billionenschweren Konjunkturprogramm relativ schnell wieder in die Gänge gebracht hat. Allerdings für den Preis, dass viele Güter zunächst sprunghaft teurer wurden.
Der politromantische Blick in die Vergangenheit, wonach die Kaufkraft unter Trump höher war, wirkt wie süßes Gift. Nicht nur auf die eingefleischten Fans des Republikaners, sondern auch auf Wählergruppen, die Harris näherstehen sollten: Schwarze, Latinos oder Unabhängige. Dass Trump mit seiner nationalistischen Zoll-Offensive auf alle Importe viele Waren in Amerika teurer machen dürfte, geht dabei unter.
Harris muss sich vorhalten lassen, dass sie es bis heute nicht verstanden hat, ihr Konzept für Wohlstand auf die Lebenswirklichkeit der US-Bürger herunterzubrechen. Zu oft hat sie ihre Politik waschzettelartig als Aufzählung von Einzelmaßnahmen verkauft. Ihr fehlt eine Vision, wohin sie das Land führen will. Trump tritt hingegen als Systemsprenger auf, der mit einem Feuerritt "Veränderung" herbeizaubern will. Für viele Amerikaner scheint dies weniger abschreckend zu sein als für die große Mehrheit der Europäer.
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