06.11.2024 -
Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers: Trump 2.0 treibt Anleiherenditen und Aktienkurse (Neuauflage von 2016)
"Die erwartete Marktreaktion auf einen Sieg von Donald Trump ist eingetreten: höhere Renditen bei Staatsanleihen, stabilere Aktienkurse und ein stärkerer Dollar - den Entwicklungen von 2016 sehr ähnlich."
"Im Juli 2016 erreichten die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen ihren Tiefpunkt und stiegen dann wieder vor der Wahl um 50 Basispunkte. Etwa einen Monat nach der Wahl erhöhten sich die Renditen um weitere 90 Basispunkte und erreichten 2,65 Prozent (verglichen mit 1,85 Prozent am Tag der Wahl). Anschließend bewegten sich die Renditen zunächst seitwärts und leicht abwärtsgerichtet, bevor sie von Ende 2017 bis November 2018 erneut anstiegen und mit 3,20 Prozent ihren Höchststand erreichten. Insgesamt stiegen die Renditen auf Nettobasis nach dem Tiefststand bis zum Höchststand zwei Jahre später um 180 Basispunkte."
"In diesem Jahr erreichten die Renditen im September ihren Tiefpunkt und stiegen bis zum gestrigen Wahltag bereits um 62 Basispunkte. Sollte sich das Muster von 2016 wiederholen, könnten die Renditen in den nächsten ein bis zwei Jahren um weitere 100 Basispunkte zulegen, was eine nominale Rendite von etwa 5,5 Prozent bedeuten würde. Allerdings zeigte die Entwicklung von 2016, dass die Renditen nach dem anfänglichen Anstieg unmittelbar nach den Wahlen nur noch moderat weiter nach oben gingen. Zwischen Ende November 2016 und November 2017 betrug die Gesamtrendite des ICE BofA US Treasury Index lediglich plus zwei Prozent, wobei die Renditen in dieser Phase sogar zeitweise zurückgingen."
"Die größte Brisanz liegt wohl in Trumps mutmaßlicher Neigung zu einer fiskalisch expansiven und inflationären Politik. Denn das könnte dazu führen, dass die Fed die Zinssätze nicht so stark senkt, wie sich der Markt das erhofft. Das Wirtschaftswachstum dürfte über dem Trend liegen, die Inflation nach wie vor oberhalb des Zielwerts. Die Fed könnte also gezwungen sein, die Zinssätze länger im restriktiveren Bereich vom neutralen Zinsniveau ausgehend zu halten."
"Zwischen 2016 und 2018 straffte die Fed ihre Geldpolitik, was maßgeblich zu einem Anstieg der Anleiherenditen beitrug. Die Renditen erreichten ihren Höchststand im November 2018, die Fed Funds Rate im Dezember. Insgesamt erhöhte die Fed die Zinsen um 200 Basispunkte, während die Anleiherenditen um 180 Basispunkte stiegen."
"2024 lockert die Fed ihre Geldpolitik. Wir erwarten, dass sie diesen Kurs auch fortsetzten wird, was den Anstieg der Renditen begrenzen dürfte. Zudem sind die realen Renditen heute deutlich höher, was ebenso gegen einen ähnlich starken Anstieg spricht. Die realen Renditen sind angesichts des Rückgangs der Inflation sogar über die gesamte Renditekurve hinweg auf einem hohen Niveau. Sollte es noch höher hinausgehen, steigt die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung der Wirtschaft."
"Wie sich der Markt letztendlich entwickelt, hängt von mehreren Faktoren ab: der allgemeinen Stimmung (Reflation, höhere Zinsen und Aktienkurse, ein stärkerer Dollar), den politischen Entscheidungen, die in naher Zukunft getroffen werden (wir werden frühestens im Januar erfahren, was die Trump-Administration tatsächlich umsetzen kann und ob sie Steuersenkungen sowie Einfuhrzölle in vollem Umfang durchsetzen wird), sowie der Reaktion von Verbrauchern und Unternehmen auf die vorgeschlagenen Maßnahmen, was sich in Ausgaben, Preisgestaltung und Lohnforderungen widerspiegelt."
"Die realen Renditen nähern sich dem Niveau, das mit dem realen BIP-Wachstum in Einklang steht. In den längerfristigen Renditen könnte zudem eine fiskalische Risikoprämie eingepreist sein. Im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit sind diese Renditen relativ hoch."
"Aktien, die derzeit als teuer gelten, sind im Preis gestiegen, während Anleihen, die sich in einem fairen bis günstigen Bewertungsbereich befinden, im Preis gesunken sind. Würde ich einen einzigen Handel mit einem Zeithorizont von einem Jahr tätigen, würde ich Staatsanleihen kaufen. Die politische Unsicherheit erhöht das Risiko von risikoreicheren Anlagen weiter."
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Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist und Head of AXA IM Core Investments Research: EZB muss Zinssenkungen beschleunigen
"Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es so aus, als könnten die Republikaner sogar einen regelrechten Durchmarsch erzielen: Sie gewinnen die Präsidentschaft sowie den Senat und behalten möglicherweise sogar ihre knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Im letzteren Fall wird es einige Zeit dauern, bis die Ergebnisse vollständig vorliegen, aber im Moment scheinen sich die Republikaner in ihren "gefährdeten" Sitzen recht gut zu halten. Eine solche Konstellation würde es Trump ermöglichen und auch einen klaren Anreiz setzen, die Umsetzung seines Programms so schnell wie möglich voranzutreiben (nach den Zwischenwahlen 2026 wird sich seine Partei ganz auf seine Nachfolge konzentrieren)."
"Mit einer knappen Mehrheit im Repräsentantenhaus können die fiskalpolitisch Konservativen in der republikanischen Partei Trumps Vorhaben abmildern. Dem Penn-Wharton-Haushaltsmodell zufolge würden diese Vorhaben das Defizit jährlich um fast 2% des BIP erhöhen, aber:
- Wenn Trump bei den Steuern ausgebremst wird - was natürlich auch bei einer demokratischen Eroberung des Repräsentantenhauses der Fall wäre - wird er das kompensieren, indem er bei den Handelszöllen (über die er die Kontrolle hat) und der Einwanderung (dito) aufs Ganze geht.
- Alternativ könnte er den widerwilligeren Republikanern die Einnahmen aus den Handelszöllen als eine Möglichkeit zur Finanzierung seiner Steuersenkungen präsentieren.
Beide Fälle sprechen allerdings für höhere Zinssätze. Die Inflation würde im Zuge eines harten Durchgreifens bei der Einwanderungspolitik sowie der Zölle ansteigen, und auch das Angebot an Staatsanleihen würde einen erheblichen Anstieg verzeichnen."
"Die wichtigste Lektion für Europa ist, dass die EZB ihre Zinssenkungen beschleunigen muss. Die Wirtschaft wird sich eher nicht aufhellen, da in exportorientierten Unternehmen eine abwartende Haltung vorherrschen könnte. Der Zoll von 10 % auf europäische Produkte an sich ist wahrscheinlich verkraftbar, aber der Zoll von 60 % auf chinesische Produkte kann sehr schädigend sein - entweder durch einen Rückgang der chinesischen Nachfrage oder durch eine massive Abwertung des Yuan. Außerdem könnten chinesische Hersteller sich genötigt fühlen, den Wettbewerb mit europäischen Anbietern außerhalb des US-Marktes zu verschärfen. Die Volatilität der Energiepreise kann eine weitere Quelle der Unsicherheit sein, zumal das Potenzial einer weiteren Eskalation im Nahen Osten gerade wieder gestiegen ist."
"Die europäischen Regierungen sind in keiner idealen Position, Beruhigung oder Orientierung zu vermitteln. Sowohl Frankreich als auch Deutschland befinden sich inmitten innenpolitischer Schwierigkeiten, während die EU-Populisten ihren Vorteil ausspielen wollen. Die EZB ist die einzige europäische Institution, die in der Lage ist, in der derzeitigen Gemengelage schnell zu reagieren."
"Nebenbei bemerkt konnte man in letzter Zeit beobachten, dass sich die langfristigen US-Renditen auf die europäischen Renditen in gewisser Weise übertragen haben. Den europäischen Haushaltsaufstellungen ist das kaum zuträglich. Für die EZB ein weiterer Grund, mit schnelleren Zinssenkungen Ausgleich zu schaffen. Glücklicherweise scheinen selbst die Falken bei der EZB ihre Haltung zu ändern."
"Der "Trump-Trade" - höhere Zinsen, stärkerer Dollar - ist an den Märkten also bereits in vollem Gange, und meiner bescheidenen Meinung nach zu Recht."