Berlin (ots) -
Es war ein winziger Hoffnungsschimmer, der sich jüngst über die Kriegs- und Krisenregion Nahost gelegt hatte. Der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon gab zumindest Anlass zur Hoffnung, dass es möglich ist, die Kaskade von Terror und Krieg zu durchbrechen. Doch die Blitzoffensive von islamistischen Rebellenverbänden unter Führung der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) in Syrien lässt befürchten: Im Nahen Osten steht möglicherweise bald ein weiteres Land in Flammen.
Das schnelle Vorrücken der Islamisten unterstreicht: Der Widerstand der syrischen Regierungstruppen war äußerst schwach, etliche Soldaten ergriffen sogar die Flucht. Die Legitimation von Syriens Staatschef Baschar al-Assad in der eigenen Armee ist offensichtlich dünn.
Assads Herrschaft hing nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 am seidenen Faden. Damals hatte ein breites Bündnis aus dschihadistischen und säkularen Gruppen Front gegen das Regime gemacht. Doch die Intervention der russischen Luftwaffe im September 2015 verlieh Assads Autokratie neuen Sauerstoff. In den vergangenen Jahren konnte sich das System stabilisieren. Es war eine trügerische Stabilität, die auf der Kraft des Militärs und der Geheimdienste beruhte, die Angst und Schrecken verbreiteten.
Die Rebellengruppen, die große Teile von Aleppo erobert haben, sind keine Alternative zu Assad. Sie haben kein Modell für ein neues, prosperierendes Syrien. Ihr Ziel ist ein Gottesstaat, in dem nur das islamische Gesetz der Scharia gilt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seine Dauerfehde mit Assad zuletzt eingefroren hatte, unterstützt die Dschihadisten. Er sympathisiert mit deren Konzept eines auf islamischen Grundsätzen aufgebauten Staates. Dies korrespondiert mit Erdogans Selbstverständnis als islamischer Führer und großer regionalpolitischer Akteur im Nahen Osten.
Der Vormarsch der Islamisten wird nicht nur durch Erdogans Hilfe begünstigt. Er geschieht auch in einem neuen machtpolitischen Vakuum. Die Hisbollah-Miliz im Libanon wurde durch Israel so stark dezimiert, dass sie keine Kapazitäten mehr für den Flankenschutz des Allianzpartners Assad hat. Der Iran, ein zentraler Verbündeter Syriens, ist ebenfalls geschwächt. Das gewaltige Arsenal der Hisbollah wurde weitgehend zerstört - damit hat Teheran im Falle eines Großangriffs durch Israel keine Abschreckungsstreitmacht mehr. Dem Mullah-Regime sind in Syrien die Hände gebunden. Assads wichtigster Militärunterstützer Russland hat einen Großteil seiner Kräfte im Ukraine-Krieg eingesetzt. Dennoch wird Putin Assads Sturz nicht zulassen. Syrien ist strategisch wichtig im rohstoffreichen Nahen Osten, in dem Moskau einen Fuß in der Tür haben will. Deshalb wird Putin seine auf Kriegswirtschaft getrimmte Rüstungsproduktion anzapfen. Es ist es nur eine Frage der Zeit, bis die russische Luftwaffe massiv eingreift. Eine hohe Zahl ziviler Opfer ist eingepreist - wie bei der brutalen Schlacht um Aleppo 2016.
Mit der neuesten Rebellenoffensive ist der syrische Albtraum zurück. Das Land kann in einen zerstörerischen Bürgerkrieg gerissen werden. Oder es wird durch Putins Politik der eisernen Faust in einen Zustand der Scheinstabilität versetzt. Aber auch dann können jederzeit neue Unruhen aufflammen. Der Nahe Osten ist noch zerbrechlicher, das Risiko einer Eskalation noch höher. Damit wächst die Gefahr weiterer Flüchtlingswellen. Für Europa, das unruhigen Zeiten entgegengeht, keine gute Nachricht.
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Es war ein winziger Hoffnungsschimmer, der sich jüngst über die Kriegs- und Krisenregion Nahost gelegt hatte. Der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon gab zumindest Anlass zur Hoffnung, dass es möglich ist, die Kaskade von Terror und Krieg zu durchbrechen. Doch die Blitzoffensive von islamistischen Rebellenverbänden unter Führung der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) in Syrien lässt befürchten: Im Nahen Osten steht möglicherweise bald ein weiteres Land in Flammen.
Das schnelle Vorrücken der Islamisten unterstreicht: Der Widerstand der syrischen Regierungstruppen war äußerst schwach, etliche Soldaten ergriffen sogar die Flucht. Die Legitimation von Syriens Staatschef Baschar al-Assad in der eigenen Armee ist offensichtlich dünn.
Assads Herrschaft hing nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 am seidenen Faden. Damals hatte ein breites Bündnis aus dschihadistischen und säkularen Gruppen Front gegen das Regime gemacht. Doch die Intervention der russischen Luftwaffe im September 2015 verlieh Assads Autokratie neuen Sauerstoff. In den vergangenen Jahren konnte sich das System stabilisieren. Es war eine trügerische Stabilität, die auf der Kraft des Militärs und der Geheimdienste beruhte, die Angst und Schrecken verbreiteten.
Die Rebellengruppen, die große Teile von Aleppo erobert haben, sind keine Alternative zu Assad. Sie haben kein Modell für ein neues, prosperierendes Syrien. Ihr Ziel ist ein Gottesstaat, in dem nur das islamische Gesetz der Scharia gilt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seine Dauerfehde mit Assad zuletzt eingefroren hatte, unterstützt die Dschihadisten. Er sympathisiert mit deren Konzept eines auf islamischen Grundsätzen aufgebauten Staates. Dies korrespondiert mit Erdogans Selbstverständnis als islamischer Führer und großer regionalpolitischer Akteur im Nahen Osten.
Der Vormarsch der Islamisten wird nicht nur durch Erdogans Hilfe begünstigt. Er geschieht auch in einem neuen machtpolitischen Vakuum. Die Hisbollah-Miliz im Libanon wurde durch Israel so stark dezimiert, dass sie keine Kapazitäten mehr für den Flankenschutz des Allianzpartners Assad hat. Der Iran, ein zentraler Verbündeter Syriens, ist ebenfalls geschwächt. Das gewaltige Arsenal der Hisbollah wurde weitgehend zerstört - damit hat Teheran im Falle eines Großangriffs durch Israel keine Abschreckungsstreitmacht mehr. Dem Mullah-Regime sind in Syrien die Hände gebunden. Assads wichtigster Militärunterstützer Russland hat einen Großteil seiner Kräfte im Ukraine-Krieg eingesetzt. Dennoch wird Putin Assads Sturz nicht zulassen. Syrien ist strategisch wichtig im rohstoffreichen Nahen Osten, in dem Moskau einen Fuß in der Tür haben will. Deshalb wird Putin seine auf Kriegswirtschaft getrimmte Rüstungsproduktion anzapfen. Es ist es nur eine Frage der Zeit, bis die russische Luftwaffe massiv eingreift. Eine hohe Zahl ziviler Opfer ist eingepreist - wie bei der brutalen Schlacht um Aleppo 2016.
Mit der neuesten Rebellenoffensive ist der syrische Albtraum zurück. Das Land kann in einen zerstörerischen Bürgerkrieg gerissen werden. Oder es wird durch Putins Politik der eisernen Faust in einen Zustand der Scheinstabilität versetzt. Aber auch dann können jederzeit neue Unruhen aufflammen. Der Nahe Osten ist noch zerbrechlicher, das Risiko einer Eskalation noch höher. Damit wächst die Gefahr weiterer Flüchtlingswellen. Für Europa, das unruhigen Zeiten entgegengeht, keine gute Nachricht.
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